Choreografierte Raufereien als japanischer Exportschlager, queere Liebesgrüße aus
New York an Günter Brus und ein finnischer Performance-Exzess zu Schostakowitsch ...
Wien (impulstanz) - Im Rahmen einer Pressekonferenz im Weltmuseum Wien haben Intendant Karl Regensburger
und zahlreiche Podiumsgäste am 16.06. das Programm des diesjährigen ImPulsTanz – Vienna International
Dance Festival vorgestellt.
Von 16. Juli bis 16. August spannt ImPulsTanz einen Bogen von der Geschichte des Tanzes, seinen schillernden Persönlichkeiten
und Skurrilitäten, bis hin zu globalen Themen wie Gewalt, Flucht und Terror. Religiöse und volkstümliche
Rituale – neu getanzt und erweitert um aktuelle Fragen des Zusammenlebens – treffen auf Sounds und Vibes aus Technokultur
und Performancekonzerten.
45 Künstler_innen und Compagnien machen sich dieses Jahr bei ImPulsTanz in mehr als 100 Einzelveranstaltungen
– darunter bereits 13 Zusatzvorstellungen – daran, neue (Spiel-)Räume für Tanz und Performance zu erforschen.
Neben einem Fokus auf die sehr lebendige und international ausstrahlende Österreichische Choreografie präsentiert
sich die [8:tension] Young Choreographers’ Series in ihrer 15. Jubiläumsausgabe u.a. mit hochkarätigen
Gruppenstücken und stimmlicher Präsenz. Der an die erfolgreiche Newcomer_innen-Reihe angeschlossene Prix
Jardin d’Europe – Europas höchstdotierter Tanzpreis für junge Choreografie – wird heuer erstmals als
Casinos Austria Prix Jardin d’Europe vergeben, der beliebte Fan Award gemeinsam mit dem Radiosender FM4. Darüber
hinaus eröffnen die umfassenden Kooperationen des Festivals mit dem Weltmuseum Wien, dem mumok – Museum moderner
Kunst und dem 21er Haus neue Dimensionen im Austausch zwischen den bildenden und performativen Künsten.
30 Uraufführungen werden im Rahmen von ImPulsTanz 2015 gezeigt. Die erste anlässlich des Eröffnungsabends
am 14. Juli: Ab 21:30 Uhr verwandelt Choreografin und DJane Doris Uhlich, gemeinsam mit 20 großartigen Tänzer_innen,
den Haupthof des MuseumsQuartier in ein Epizentrum energetisierter Körper und Beats: Hit The Boom – bei freiem
Eintritt in Kooperation mit dem MQ Wien! Amanda Piña und Daniel Zimmermann – die beiden Gründer_innen
des (fiktiven) Ministeriums für Bewegungsangelenheiten – wenden sich in ihrer gerade entstehenden Arbeit den
rituellen Tänzen und „bedrohten Bewegungen“ auf diesem Planeten zu. Ein Notfall, für den die in Wien
lebende Japanerin Akemi Takeya einen Plan entwickelt hat. In der Gruppenversion ihres bei ImPulsTanz 2014 präsentierten
Solos erweitert sie den S.O.S.-Code um 32 Bedeutungen, von „Suspension Of Sex“ bis hin zu „State Of Security“ –
einem vermeintlich Sicherheit bietenden Ort, dem sich etwa die Wiener Performancekünstlerin Barbara Kraus
voll und ganz entzieht. Denn der Ausgang ihres erstmals bei ImPulsTanz 2015 gezeigten Performanceabends Close my
eyes and see ist stets ungewiss. Und um das Austarieren von vertrauten und unvertrauten Zuständen in Momenten
der Begegnung dreht sich u.a. Ian Kalers neues Stück, das in einem von Stephanie Rauch meisterhaft gestalteten
Raum gemeinsam mit Philipp Gehmacher und Sound Artist Aquarian Jugs aka Planningtorock erstmals auf die Bühne
gebracht wird. Nach der Uraufführung von Agon im letzten Jahr wirft sich das wilde Performance-Duo Florentina
Holzinger und Vincent Riebeek jetzt für die Premiere von Schönheitsabend in Schale und gibt sich den
Exotismen aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts hin; einige der glanzvollen Tanzpaare wie Vaslav Nijinsky
und Bronislava Nijinska werden zum Leben erwachen. Das gelingt bei ImPulsTanz ganzen Ensembles, wie dem legendären
Tanztheater Wien mit u.a. Liz King, Mani Obeya und Esther Balfe. Noch einmal wirbelt die Gruppe in einem Best Of
vergangener Arbeiten über die Bühne (des Akademietheaters): mit im Gepäck haben sie Kostproben von
Schwanensee Remixed und Mid Atlantic!
Beginnend mit Oleg Soulimenkos schamanischer Spurensuche verwandelt sich das Weltmuseum Wien ab 23. Juli zum intensiven
Festivalspielort. 12 Tanzschaffende aus Asien und Österreich präsentieren teils vor Ort entwickelte Performances
und Installationen, darunter drei Uraufführungen und vier Europäische Erstaufführungen. Ausgehend
von brisanten Themenfeldern wie Terrorismus, Extremismus oder der Konstruktion von Fetischen und Körperbildern,
erklimmt Claudia Bosse mit dem theatercombinat eine weitere Stufe am Weg zum IDEAL PARADISE. Sie lässt dokumentarische
wie fantastische Artefakt- und Soundgruppen in fünf Räumen des Museums ineinanderfließen und stellt
ihren eigenen Dokumenten Objekte aus der renommierten Asien-Sammlung des Museums gegenüber; an drei Tagen
wird die Installation durch eine Performance ergänzt. Zu den weiteren Highlights zählen neben Superamas'
Gruppenstück History of Violence, mit Teilnehmer_innen aus dem ImPulsTanz Research Projekt, die Performancereihe
und Ausstellung des Projekts SoftMachine des Singapurer Choreografen und Kurators Choy Ka Fai. Seine mehr als 100
Porträts umfassende Videoausstellung zeitgenössischer asiatischer Tanzkünstler_innen wird im Rahmen
des diesjährigen Festivals im Weltmuseum Wien weltweit erstmals in vollem Umfang gezeigt. Besonders beeindrucken
der indonesische Tänzer Rianto, der mit seinen betörenden Kostümen den erotischen Tanz aus Banyumas
auf Java vorführt und das vierköpfige Kollektiv contact Gonzo aus Osaka, das schon im New Yorker MoMA
begeisterte, und innerhalb dieser Reihe das Spannungsfeld zwischen traditionellem und zeitgenössischem asiatischen
Tanz offenlegt.
Die Installationen von Choy Ka Fai, Claudia Bosse und Superamas wie auch das eigens eingerichtete Café
sind jeweils zwei Stunden im Anschluss an die Vorstellungen bei freiem Eintritt zugänglich.
In der Performance Serie Redefining Action(ism), einer umfangreichen Kooperation von ImPulsTanz mit dem mumok,
bespielen 15 in Wien lebende und internationale Künstler_innen – teils während, teils außerhalb
der regulären Öffnungszeiten – die von Dr. Badura-Triska kuratierte Ausstellung Mein Körper ist
das Ereignis – Wiener Aktionismus und internationale Performance. Ob der großen Nachfrage mussten bereits
8 Zusatztermine angesetzt werden. In überwiegend vor Ort entwickelten Aktionen, Interventionen und Happenings
widmen sich so schillernde Persönlichkeiten wie Jennifer Lacey, Antony Rizzi, Ko Murobushi, Ivo Dimchev, Miguel
Gutierrez oder Mårten Spångberg den wilden Strömungen der 1960er und 70er Jahre. Den Anfang setzt
am 17. Juli Alix Eynaudi mit einer Museumsversion ihrer von Bondage inspirierten Arbeit Monique, gefolgt von Akemi
Takeyas Lemonism x Actionism und der portugiesischen Choreografin Ana Rita Teodoro. Binnen einer Woche entsteht
die Gruppenintervention Charged Documents aus dem gleichnamigen ImPulsTanz Research Projekt von Christine Gaigg.
Die österreichische Schauspielerin Alexandra Sommerfeld wird in einer Weiterentwicklung eines Ausschnitts
aus Claudia Bosses Arbeit Designed Desires von 2012 dem Aktionismus Sprache verleihen und mit dem Heute konfrontieren.
Diese "Neue Wiener Gruppe" wird ergänzt durch die Künstlerinnen Anne Juren (The Kitchen aus
ihrer Erfolgsproduktion Magical), Zak Ray, die als mumok troll die Ausstellung unterwandert, sowie Elisabeth B.
Tambwe.
Ausgangspunkt für die erstmalige Kooperation von ImPulsTanz mit dem 21er Haus für zeitgenössische
Kunst ist die Ein-Raum-Architektur des Pavillons. Die ab 24. Juni laufende Ausstellung des Argentiniers Tomás
Saraceno, Visionen mit Luft und Licht – Becoming Aerosolar, bietet den Choreograf_innen Anne Juren, Philipp Gehmacher
und Christine Gaigg in Kooperation mit dem Komponisten Klaus Schedl und netzzeit einen speziellen Ort für
ihre Uraufführungen, um Installation und Aktion, Sprache und zeitgenössische Musik, schwebende Skulpturen
und bewegte Körper in Dialog treten zu lassen.
Am Spielplan der 15. Ausgabe der [8:tension] Young Choreographers' Series 2015 stehen 11 Produktionen einer neuen
Generation von Choreograf_innen, die, im doppelten Sinn, ihre Stimme erheben: Es wird gesungen, etwa bei Ex-Rosas-Tänzer
Simon Mayer, der sich in seinem schuhplattelnden Tanzkonzert der Befreiung des österreichischen Brauchtums
widmet, aber auch bei Ana Rita Teodoro, die den Geistern in traditionellen portugiesischen Liedern neues Leben
einhaucht während Elina Pirinens preisgekröntes Trio eine entfesselte Autopsie der Leningrader Symphonie
von Dmitri Schostakowitsch vornimmt. João dos Santos Martins lässt bekannte wie weniger bekannte Größen
der Tanzgeschichte ihre Geschichte(n) erzählen und erinnert uns daran, welche Sehnsüchte und Kämpfe
mit dem gemeinsamen Tanzen (schon) verbunden waren und immer noch verbunden sind. Und Rita Vilhena? Sie nimmt uns
mit auf eine Reise ins Ungewisse. Aus ihrer Arbeit spricht ein eigentümliches, nicht zu bändigendes Bedürfnis
nach kollektivem Erleben, nach Involviertsein die in die Frage mündet: Kann eine zeitgenössische Performance
ein Ritual sein?
Alle Arbeiten sind für den mit 10.000 € dotierten Casinos Austria Prix Jardin d'Europe nominiert, der gemeinsam
mit dem FM4 Fan Award am letzten Festivalsonntag, den 16. August, von TV-Host Dirk Stermann und Moderatorin Nina
FIVA Sonnenberg verliehen wird. Die hochkarätige Fachjury besteht heuer aus Ivo Dimchev, Sigrid Gareis und
Faustin Linyekula.
Neben Performances und Installationen umfasst das Programm spezielle Veranstaltungen wie die Buchpräsentation
von Amanda Piña und Daniel Zimmermann / nadaproductions begleitend zur gleichnamigen Performance. Und die
Diskussion Performing with a museum mit hochkarätigen Gästen widmet sich Fragen zur Partnerschaft von
Weltmuseum Wien und Performance/Tanz.
Last but not least mündet ein Festivaltag doch immer in der ImPulsTanz festival lounge – die stadtbekannte
Partyoase im Burgtheater Vestibül. Allabendlich ab 22:00 Uhr öffnet sie ihre Tore. DJs und Live-Konzerte,
Cocktails und Liegestühle sorgen an 34 Abenden bei freiem Eintritt für ausgelassene Nächte. Das
Motto lautet diesmal: Under Pressure. Oh yeah!
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