Höchste OeNB-Auszeichnung geht an ökonomischen Nachwuchs für Arbeiten zur europäischen
Integration
Wien (oenb) - Im Rahmen der 43. Volkswirtschaftlichen Tagung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) überreichte
OeNB-Präsident Dkfm. Dr. Claus J. Raidl den heuer zum elften Mal vergebenen Klaus-Liebscher-Preis. Aus vielen
hochwertigen Einreichungen wurden dieses Jahr zwei Studien von hoher wissenschaftlicher Qualität und wirtschaftspolitischer
Aktualität ausgewählt: „Sovereign Risk and Bank Risk Taking“ von Anil Ari, Universität Cambridge,
und „Why Are Banks Not Recapitalized During Crises“ von Matteo Crosigniani von der New York University Stern School
of Business.
Anil Ari analysiert in seiner Arbeit „Sovereign Risk and Bank Risk Taking“ die Frage, weshalb in den Krisenstaaten
der Wirtschafts- und Währungsunion unterkapitalisierte Banken viele Staatsanleihen halten, Einleger ihre Sparguthaben
ins Ausland verlagern und Unternehmen von der Bankenfinanzierung abgeschnitten werden. Er zeigt, dass die Banken
der Krisenstaaten im Euroraum im Prinzip zwei Strategien verfolgen können. Die eine Strategie trachtet, die
Solvenz einer Bank auch im Falle eines Staatsbankrotts sicherzustellen, indem möglichst wenige Staatsanleihen
gehalten werden. In der zweiten Strategie sind die Anreize aber hoch, ein riskantes Portfolio mit einem hohen Anteil
an Staatsanleihen und einer geringen Kreditvergabe an Unternehmen zu wählen. Welche Strategie für die
Banken am besten ist, hängt vom Optimismus oder Pessimismus der Sparer ab. Je nachdem ergeben sich verschiedene
Gleichgewichtssituationen: Sind die Sparer zum Beispiel pessimistisch, halten sie wenige Einlagen. Die Banken müssen
dann höhere Zinsen bieten und das erhöht ihre Anreize, riskante Portfolioentscheidungen zu treffen.
Matteo Crosigniani beschäftigt sich in seiner Arbeit ebenfalls mit den tieferen Ursachen für die schleppende
Rekapitalisierung des Bankensektors in den von der Krise besonders betroffenen Ländern des Euroraums. In seiner
Analyse kommt er zu einer Erklärung, die auf einer Verschränkung von Anreizproblemen im öffentlichen
Sektor und im Bankensektor beruht: Unterkapitalisierte Banken haben Anreize, in Staatsanleihen ihres eigenen Landes
zu investieren, weil ihre Verluste durch die Höhe des investierten Kapitals begrenzt sind. Der öffentliche
Sektor findet seinerseits, in den unterkapitalisierten Banken einen idealen Abnehmer für seine Staatsanleihen.
Die Investitionen der Banken in die inländischen Staatsanleihen gehen aber auf Kosten der inländischen
Kreditvergabe und schmälern dadurch das Steueraufkommen. Die Arbeit erklärt durch die Verschränkung
öffentlicher und privater Anreize die steigende Nachfrage nach inländischen Staatsanleihen in den Peripherieländern
des Euroraums, den Rückgang der privaten Kreditvergabe und die anhaltende Unterkapitalisierung des Bankensektors.
Der Klaus-Liebscher-Preis wurde 2005 anlässlich des 65. Geburtstages des damaligen OeNB-Gouverneurs Dr. Klaus
Liebscher in Anerkennung seiner Leistungen für Österreichs Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion
und für die europäische Integration eingerichtet und wird seitdem jährlich vergeben. Es werden maximal
zwei Arbeiten mit jeweils EUR 10.000 ausgezeichnet, die von jungen Ökonominnen und Ökonomen aus EU-Mitglieds-
oder EU-Kandidatenländern verfasst wurden und die sich in hervorragender wissenschaftlicher Weise mit Themen
der europäischen Integration und der Wirtschafts- und Währungsunion auseinandersetzen. Der Klaus-Liebscher-Preis
ist die höchste wissenschaftliche Auszeichnung, die die Oesterreichische Nationalbank zu vergeben hat.
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