Wien (bka) - Nach zweijährigen Ermittlungen zahlreicher europäischer Strafverfolgungsbehörden
und der Ausforschung der Haupttäter in der Ukraine konnte von Wien aus ein weltweiter Internetbetrug mit gephishten
TAN-Codes geklärt werden. Aufgrund österreichweiter Anzeigen zahlreicher Personen, die durch Schadsoftware
geschädigt wurden, leitete die Staatsanwaltschaft Wien im Jahr 2011 Ermittlungen gegen unbekannte Täter
ein. Die Malware bzw. der Trojaner namens "Spyeye", "ICE IX" und "Citadel" lockte
widerrechtlich TAN-Codes von Bankkunden heraus. Mit diesen Codes erfolgten Überweisungen von deren Bankkonten
auf jene der Täter. Das Geld wurde durch zumeist ahnungslose Mittelsmänner ("Finanzagenten")
nach Osteuropa transferiert.
Auf Ebene der Polizei war zunächst das Kriminalreferat des Stadtpolizeikommandos Salzburg mit den Ermittlungen
befasst. Als die Salzburger Ermittler erkannten, dass es sich hier um eine international aktive Tätergruppe
handelte, übernahm die Abteilung Zentrale Wirtschaftsermittlungen im Bundeskriminalamt (BK) im März 2013
den Fall und richtete die Ermittlungsgruppe "Mozart" ein. Die internationalen Ermittlungen wurden unter
Koordination und mit Unterstützung von Europol und Eurojust durchgeführt. An den Ermittlungen beteiligten
sich noch Belgien, Finnland, Großbritannien, die Niederlande und Norwegen. Es wurde unter Leitung der Staatsanwaltschaft
Wien ein Vertrag zur Gründung eines "Joint Investigation Teams" ("JIT Mozart") unterzeichnet.
Dabei handelte es sich um das größte JIT, das bislang gegründet wurde. Noch nie beteiligten sich
so viele Länder an ein und derselben Ermittlung.
Innerhalb des JIT wurde jedem Mitgliedsland ein besonderer Arbeitsschwerpunkt zugeteilt. Die österreichischen
Ermittlungen konzentrierten sich unter anderem auf die Ukraine, wo ein Großteil der Mitglieder der Tätergruppierung
ansässig ist und auch von dort aus agierte. Am 18. und 19. Juni schritt die ukrainische Cybercrime Unit zusammen
mit Beamten des BK und Europol in Kiew, Odessa, Charkiw und Dnipropetrowsk ein. Dabei wurden fünf Personen
angehalten und vernommen. Weiters gab es acht Hausdurchsuchungen in diesen Städten.
Die Durchsicht der gesicherten Beweismittel wird noch mehrere Monate dauern, Ermittlungen zu weiteren Tätern
sind im Gange. Es ist davon auszugehen, dass die Täter weltweit Tausende Straftaten verübt haben.
Fakten zu den Ermittlungen in Österreich
Der Ermittlungsakt der Staatsanwaltschaft Wien umfasst 58 Aktenbände mit ca. 30.000 Seiten. Ermittelt
wird wegen des Verdachts des betrügerischen Datenverarbeitungs- missbrauchs, der kriminellen Organisation
und des schweren Betrugs. Einzelnen Beschuldigten droht eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren.
Von der international agierenden kriminellen Organisation konnten in Österreich neun Beschuldigte ausgeforscht
werden. Insgesamt richtet sich das Strafverfahren in Österreich gegen 55 Beschuldigte; bei vielen davon handelt
es sich um "Money-Mules", die ihre Konten für Überweisungen zur Verfügung gestellt haben,
jedoch nicht Mitglieder der kriminellen Organisation sind. Der Gesamtschaden in Österreich beläuft sich
derzeit auf rund Euro 1.200.000.
Die Staatsanwaltschaft Wien hat umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um die Ermittlungen erfolgreich voranzutreiben:
- 39 Rechtshilfeersuchen (u. a. an Deutschland, Luxemburg, die Ukraine, Irland,
Russland, Italien, Tschechien, Schweden, Portugal, Lettland, Ungarn, Litauen und Malta);
- 147 Anordnungen (wie insbesondere Kontoöffnungen, Hausdurchsuchungen und
Sicherstellungen);
- 6 Festnahmeanordnungen und 5 Europäische Haftbefehle;
- mehr als 40 von anderen Staatsanwaltschaften einbezogene Verfahren
- 8 Koordinierungstreffen der Staatsanwaltschaft Wien mit Eurojust in Den Haag.
Das österreichische Ermittlungsteam bestand auf polizeilicher Ebene aus BK-Spezialisten der Abteilung für
Wirtschaftskriminalität. Weitere Unterstützung leistete das Cybercrime-Competence-Center (C4) und die
Analyseabteilung im BK. Verstärkt wurde das Kernteam durch die Landespolizeidirektionen Wien, Niederösterreich
und Steiermark.
Weitere Daten und Fakten
- Insgesamt konnten bis jetzt rund 15 Terabyte (TB) Daten gesichert werden.
- Der Tätergruppierung konnten insgesamt 25 Scheinfirmen nachgewiesen werden,
die zur Anwerbung und Rekrutierung von "Finanzagenten" und Paketversendern dienten. Dabei wurden über
400.000 Spam-E-Mails mit einem Gesamtvolumen von 140 Gigabyte (GB) gesichert und ausgewertet.
- International wurden 60 Beschuldigte ausgeforscht bzw. festgenommen.
- Der bisherige Gesamtschaden der Gruppierung beträgt rund 2 Millionen Euro.
|