Bundespräsident beim Wirtschaftsparlament; „Krise seit 2008 hat strukturelle Probleme
offengelegt, die erkannt, aber bislang nicht gelöst werden konnten“ – Rot-weiß-rote Wirtschaftspolitik
hat vieles richtig gemacht
Wien (pwk) - "Sie alle sind Teil der österreichischen Wirtschaft, Teil der Firma Österreich,
und zugleich in wachsendem Maß auch ein Teil der europäischen Familie. Es ist mir ein Anliegen, Ihnen
für Ihre unternehmerischen Leistungen meinen Respekt auszudrücken und Sie zu ermutigen, auch weiterhin
mit Freude, Energie und Optimismus am Erfolg Ihrer Firmen zu arbeiten und dadurch den Wirtschaftsstandort Österreich
zu stärken", so Bundespräsident Heinz Fischer vor dem Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer
Österreich (WKÖ). Das österreichische Staatsoberhaupt hielt am 25.06. im Haus der österreichischen
Wirtschaft in Wien vor dem höchsten Gremium der Wirtschaftskammer Österreich "im Spannungsfeld zwischen
"Realismus und Zuversicht" die Festrede zum Thema "Wo steht Österreich - heute und morgen?"
Nicht nur die Unternehmerinnen und Unternehmer bewähren sich tagtäglich aufs Neue durch ihre Arbeit "mit
Kopf und Herz, mit Verstand und mit Leidenschaft" sowie durch ihre Entscheidungen: Auch die österreichische
Wirtschaftspolitik mache vieles gut und richtig, so der Bundespräsident. Die lange Periode wirtschaftlicher
Erfolge und sozialen Aufstiegs seit der Gründung der Zweiten Republik, spätestens nach Erlangen der vollen
Souveränität durch den Staatsvertrag von 1955, wurde aber nicht zuletzt auch durch eine vernünftige
Zusammenarbeit der österreichischen Sozialpartner gestützt und gefördert.
Und möglicherweise habe es in den sechs Jahrzehnten kein einziges Jahr, keine Woche, vielleicht sogar nicht
einmal einen Tag gegeben, wo an der wirtschaftlichen Situation des Landes, an der Wirtschaftspolitik der Regierung,
am politischen Personal und anderem nicht immer wieder Kritik geübt wurde, verbunden mit Warnungen und düsteren
Prognosen. Aber, so der Bundespräsident: "Nicht jeder, der kritisiert, hat Recht." - woraus aber
keinesfalls der fatale Umkehrschluss gezogen werden dürfe, "dass jeder, der kritisiert und warnt, Unrecht
hat, oder jene, die kritisiert werden, immer Recht haben."
Fischer sieht jedoch aktuell vermehrt "Warnsignale" aufleuchten, "die zeigen, dass erreichte Positionen
immer wieder aufs Neue erarbeitet werden müssen." Die Krise seit 2008 habe "strukturelle Probleme
offengelegt, die zwar schon vor langer Zeit erkannt wurden, aber bislang nicht oder nicht ausreichend und nachhaltig
gelöst werden konnten." So wächst Österreich seit 2014 unterdurchschnittlich, die Arbeitslosigkeit
- anderswo bereits wieder im Sinken begriffen -steigt in Österreich, im Export gehen Marktanteile an Nachbarländer
Zentral- und Osteuropas verloren.
Zum Thema einer fairen Einkommens- und Vermögensverteilung und wachsender Einkommens- und Vermögensunterschiede
bekannte sich Fischer zu "Leistungsgerechtigkeit und auch zu einer leistungsgerechten Vermögensverteilung.
Die derzeitigen wachsenden Einkommens- und Vermögensunterschiede gehen aber über Leistungsunterschiede
weit hinaus." Da handle es sich jedoch um "kein spezifisch österreichisches Phänomen."
Der Wettstreit um die erfolgreichsten Innovationen erfolgt über den Wettstreit um die besten Köpfe, Forschungs-
und Bildungspolitik müsse - will sie erfolgreich sein - "beides berücksichtigen: Spitze und Breite.
Die Breite braucht die Spitze, sie gibt die geistige Anregung, aber ohne Breite agiert die Spitze im luftleeren
Raum, es fehlen ihr die Transformationsriemen zur Basis."
Zu den Voraussetzungen dafür, dass Österreich - "ein Land mit so viel Potenzial" - wieder auf
einen soliden Wachstumspfad finden und seine Stärken voll ausspielen könne, gehöre "ein gewisses
Ausmaß an Selbstvertrauen und Zuversicht", als weiters notwendig bezeichnete Bundespräsident Fischer
"Entscheidungsfreude, Zuversicht und das Annehmen von Herausforderungen." Die Zukunft sei nicht determiniert
und vorherbestimmt, "vielmehr haben wir es in der Hand, dass wir Ziele, die wir uns setzen, durch Leistung,
durch Arbeit und durch Ausschöpfung unserer Begabungen in den nächsten Jahren erreichen", unterstrich
Fischer. Dabei sei der Spielraum zwar "nicht unendlich, aber auch nicht null", hielt Fischer vor den
mehr als 100 Delegierten zum Wirtschaftsparlament fest.
|