Neuer und bisheriger WKÖ-Präsident fordert Senkung der Lohnnebenkosten um 5 Milliarden
Euro, Gesinnungswandel in der Verwaltung und Investitionsanreize
Wien (pwk) - In seiner Erklärung als neu bestellter WKÖ-Präsident wies Christoph Leitl am
25.06. klar auf die aktuelle Verunsicherung in vielen Bereichen hin: Was die Unterbringung der Migranten betrifft,
gebe es noch keine endgültige Lösung. Sorge mache nach wie vor die Finanzlage von Griechenland. Und in
der Ukraine und im Nahen Osten tobten unvermindert militärische Konflikte. Dazu komme in Österreich und
Europa auch eine große wirtschaftliche Verunsicherung. Leitl: "Wir sind, wie der Wirtschaftsminister
richtig sagt, im 7. Jahr der Krise und der erhoffte Aufschwung ist noch immer nicht eingetreten. Es herrscht Frust.
Und nun bekommt auch der Mittelstand Existenzängste, wie auch der IFES-Mitbegründer Karl Blecha befürchtet.
Auf diese Abstiegsängste in der Gesellschaft, im Mittelstand müssen wir rasch reagieren." Viele
Unternehmer müssten um ihre Existenz rudern, Österreich falle im Wachstum und in der Wettbewerbsfähigkeit
zurück. In dieser Situation sei die Wirtschaftskammer, so Leitl, in einer schwierigen Doppelrolle: Einerseits
müsse man die anstehenden Probleme nüchtern aufzeigen, anderseits wolle man aber motivieren und Lösungen
aufzeigen. In diesem Zusammenhang forderte Leitl in den kommenden Jahren eine Senkung der Lohnnebenkosten um 5
Milliarden Euro als äußerst wichtige Perspektive für Österreichs Wirtschaft.
Ein Mehr an Wachstum und Beschäftigung sei derzeit die wichtigste Aufgabe für Österreich, so Leitl.
Um hier einen erfolgreichen Kurs einzuschlagen, brauche es neben Innovation und Exportförderung auch Investitionsanreize
für die Betriebe. Leitl forderte in diesem Zusammenhang etwa die Anhebung der Abschreibungsgrenze für
geringwertige Wirtschaftsgüter, eine zeitlich befristete Investitionszuwachsprämie und die rasche Umsetzung
des erarbeiteten milliardenschweren Wohnbau-Pakets: "Wenn wir nicht genügend Investitionen ermöglichen,
schaden wir der notwendigen Modernisierung und künftigen Wettbewerbsfähigkeit."
Handlungsbedarf gebe es auch bei der Finanzierung der heimischen Betriebe. Die Banken würden in ihrer Finanzierungsaufgabe
durch Abgaben, Regulierungen und Eigenkapitalerfordernisse behindert. Mit Basel IV würden noch zusätzliche
Einschränkungen bei der Kreditvergabe an die Realwirtschaft drohen, was verhindert werden müsse. Der
WKÖ-Präsident bedankte sich beim Wirtschaftsminister für die erzielten Erfolge beim Crowdfunding
und ersuchte, möglichst rasch "Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften gemeinsam mit den Banken zu realisieren
und den Finanzierungskreislauf in der Wirtschaft anzukurbeln".
Zum Thema Bürokratie dankte Leitl der Regierung und der Aufgaben- und Deregulierungskommission für die
jüngst vorgelegten Vorschläge: "Da haben wir sehr gut zusammengearbeitet." Was die Verwaltung
betrifft, würden Österreichs Bürger und Betriebe aber eine Veränderung der Kultur brauchen:
" Die Unternehmen müssen begleitet und ermutigt werden, nicht sanktioniert, bestraft und behindert."
Daher müsse das Prinzip "Beraten statt Bestrafen" flächendeckend umgesetzt werden, müssten
Mehrfachbestrafungen im Verwaltungsstrafrecht bei gleichartigen Delikten entfallen, brauche es eine würdige
Form der Kontrolle. Und nicht zuletzt sei die KMU-Verträglichkeit von Gesetzen und Verordnungen sicherzustellen.
Der WK-Präsident wies auch darauf hin, den notwendigen Bedarf an Fachkräften zu sichern. Die Wirtschaftskammern
würden hier Begabungs-und Talente-Tests anbieten. Es müsse aber auch die Durchlässigkeit der unterschiedlichen
Ausbildungswege - Stichwort: Matura mit Lehre -auf allen Ebenen sichergestellt sein.
Was die Sozialpartner betrifft, appellierte Leitl an die anderen Interessenvertretungen, auf Veränderungen
in der Welt, wie etwa die Digitalisierung, rechtzeitig mit konstruktiven Vorschlägen zu reagieren: "Mit
Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich, mit Bonus-Malus-Systemen, mit Überstunden-Verteuerungen
können wir nichts anfangen. Das gefährdet nur Arbeitsplätze und Wachstum."
Als wichtige Perspektiven für die kommenden Jahre sieht der WKÖ-Präsident zum einen mehr Wertschätzung
für die Betriebe: "Sie leisten Großartiges. Noch nie hatten wir so viel Beschäftigung und
einen so hohen Export. Aber dafür gibt es von Politik und den Arbeitnehmervertretungen zu wenig Lob und Wertschätzung."
Die Wirtschaft hingegen betone hingegen stets die wertvolle Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den
Betrieben.
Bei der Steuer-Tarifreform würden nun zur Entlastung der Lohn- und Einkommenssteuer -Zahler 5 Milliarden Euro
bewegt, so Leitl: "Bei der nächsten Reform müssen die Lohnnebenkosten um 5 Milliarden oder 5 Prozent
gesenkt werden. Deutschland hat mittlerweile niedrigere Lohnnebenkosten als Österreich. Österreichs Betriebe
brauchen niedrigere Lohnnebenkosten zur Steigerung und Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit." Dazu bedürfe
es einerseits Strukturreformen, andererseits seien etwa Überschüsse beim Familienlastenausgleichsfonds
in Form von Beitragssenkungen an die Unternehmen zurückzugeben. Und es dürften auch Wohnbauförderungsbeiträge
nicht weiter zum Stopfen der Löcher in Länder-Budgets verwendet werden.
Und nicht zuletzt müsse es Veränderungen in der EU, in Europa geben. Leitl: "Der Vertiefungsprozess
muss weitergehen. Wir brauchen einen europäischen Wachstumskurs mit Innovation und Kreativität. Der Euro
muss stabil gehalten und Spekulation unterbunden werden, welche die Realwirtschaft unterminiert. Wir müssen
die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpfen. Und Europa braucht ein Freihandelsabkommen mit den USA
- ohne Aushöhlung demokratischer Institutionen und Senkung von Standards - mehr als Amerika."
Hauptaufgabe in den kommenden Jahre sei, Österreich aus einer depressiven Phase in ein Wachstum zu bringen:
"Back to the top - das ist unser Motto. Und daran werden wir alle mitarbeiten."
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