Weitere Beschlüsse: Auslieferungsabkommen mit Brasilien, Zurückziehung
der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention
Wien (pk) - Das Erben wird neu geregelt. Der Justizausschuss verabschiedete am 24.06. mit den Stimmen von
SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS ein Erbrechts-Änderungsgesetz, das vor allem die Bestimmungen über
den Pflichtteil modernisiert und Lebensgemeinschaften, aber auch pflegende Angehörige berücksichtigt.
Weiters genehmigten die Abgeordneten ein Auslieferungsabkommen zwischen Österreich und Brasilien und erzielten
zudem Konsens über die Zurückziehung österreichischer Vorbehalte zu einigen Artikeln des UN-Übereinkommens
über die Rechte des Kindes. Verabschiedet wurde zudem ein Antrag der Regierungsparteien, der vor allem Präzisierungen
im Prozessrecht bei Verstößen gegen die Geschäftsverteilung sowie bei Prozesseinreden bringt. Auf
Klarstellungen im Handelsvertretergesetz hingegen läuft eine Initiative der FPÖ hinaus, die vom Ausschuss
allerdings mehrheitlich vertagt wurde.
Berücksichtigung von Pflegeleistungen, Neuregelung des Pflichtteilsrechts
Das vom Ausschuss verabschiedete Erbrechts-Änderungsgesetz (688 d.B.) sieht als eine der wesentlichen Neuerungen
die Möglichkeit vor, im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens nahe Angehörige, die den Verstorbenen innerhalb
der letzten drei Jahre gepflegt haben, erbrechtlich zu berücksichtigen. In diesem Sinn soll pflegenden Angehörigen
ein Pflegevermächtnis zustehen, dessen Erfüllung der Gerichtskommissär durch einen Einigungsversuch
fördert. Als Grundlage für die Einigung sollen laut den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage
auch Unterlagen zum Pflegegeld dienen. Lebensgefährten wiederum soll unter bestimmten Voraussetzungen ein
außerordentliches Erbrecht zukommen, und zwar vor dem außerordentlichen Erbrecht der Vermächtnisnehmer
und der Aneignung durch den Bund. Testamente zugunsten des früheren Ehegatten, eingetragenen Partners oder
Lebensgefährten sollen nach dem Entwurf jedenfalls als aufgehoben gelten, wenn die Ehe, eingetragene Partnerschaft
oder Lebensgemeinschaft aufgelöst wurde.
Darüber hinaus sollen in Zukunft nur noch die Nachkommen und der Ehegatte oder eingetragene Partner pflichtteilsberechtigt
sein. Die Pflichtteilsberechtigung der Eltern und weiterer Vorfahren des Verstorbenen entfällt damit. Durch
eine Erweiterung der Enterbungsgründe will die Vorlage dabei die Privatautonomie des letztwillig Verfügenden
stärken. So werden nun auch mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte Straftaten gegen nahe Angehörige
erfasst werden. Ebenso einen Enterbungsgrund bilden auch grobe Verletzungen der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis.
Der Enterbungsgrund der "beharrlichen Führung einer gegen die öffentliche Sittlichkeit gerichteten
und anstößigen Lebensart" soll hingegen entfallen. Die Vorlage erweitert aber auch die Möglichkeit,
den Pflichtteil auf die Hälfte zu mindern. Hierzu soll nunmehr ein zumindest zwanzig Jahre fehlender Kontakt
genügen.
In der Debatte begrüßte ÖVP-Abgeordnete Beatrix Karl vor allem die erbrechtliche Berücksichtigung
der Pflege durch nahe Angehörige, die Möglichkeit der Pflichtteilsstundung sowie die Bestimmungen zur
Förderung der Fälschungssicherheit von Testamenten. Katherina Kucharowits (S) zeigte sich erfreut über
die Bedachtnahme auf Lebensgemeinschaften.
Von einer positiven Weiterentwicklung sprach auch Albert Steinhauser (G), der sich allerdings bei den LebensgefährtInnen
eine großzügigere Lösung gewünscht hätte. Grünen-Sozialsprecherin Judith Schwentner
meldete Bedenken hinsichtlich der Anrechnung von Pflegeleistungen durch nahe Angehörige an und führte
ins Treffen, die häusliche Pflege durch Frauen könnte dadurch zum System werden. Für die NEOS unterstütze
Nikolaus Scherak vor allem die Anpassung im Pflichtteilsrecht, meinte aber, weitere Schritte wären wünschenswert
gewesen. Die Pflichteilsstundung wertete er positiv, wenngleich er ebenso wie Team Stronach-Mandatarin Kathrin
Nachbaur und Harald Stefan (F) zu bedenken gab, die hohen Zinsen könnten sich kontraproduktiv auswirken. Der
FPÖ-Justizsprecher kritisierte zudem weitere Einzelheiten bei der Pflichteilsregelung, wobei er insbesondere
Mängel bei der Bewertung der Anrechnung von Schenkungen auf den Pflichtteil ortete.
Auslieferungen zwischen Brasilien und Österreich werden einfacher
Die Auslieferung zwischen Österreich und Brasilien soll durch ein vom Ausschuss einstimmig genehmigtes bilaterales
Abkommen erleichtert werden (490 d.B.). Ausgangspunkt ist dabei die Erkenntnis, dass gerade im Bereich der schweren
Wirtschaftskriminalität und der organisierten Kriminalität die aufstrebenden Länder Lateinamerikas
interessante Fluchtziele für beschuldigte und verurteilte Personen darstellen, um sich dem österreichischen
Strafverfahren und der Strafvollstreckung zu entziehen. Neben der Schaffung einer Auslieferungsverpflichtung -
auch für fiskalische Straftaten – ermöglicht der Vertrag nun den direkten Verkehr zwischen den Justizministerien
und sieht überdies die Nutzung moderner elektronischer Kommunikationsmittel vor. Verfahrensbeschleunigung
soll zudem durch die Abschaffung von Beglaubigungserfordernissen oder etwa durch die Reduktion der Zahl der vorzulegenden
Unterlagen, aber auch durch Fristen erzielt werden. Das Abkommen orientiert sich inhaltlich am Europäischen
Auslieferungsübereinkommen und nimmt ausdrücklich auf die Schutzstandards der Europäischen Menschenrechtskonvention
Bezug.
Österreich zieht Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention zurück
Mit breiter Mehrheit, aber gegen die Stimmen der FPÖ beschloss der Ausschuss die Zurückziehung von Vorbehalten
Österreichs zu einigen Artikeln der UN-Kinderrechtskonvention (501 d.B.). Anlässlich der Ratifikation
des Übereinkommens wurden zu Art. 13 (Recht auf freie Meinungsäußerung), Art. 15 (Recht auf Versammlungs-
und Vereinigungsfreiheit) und Art. 17 (Zugang zu Informationen) eingelegt. Darüber hinaus wurde eine Erklärung
zu Art. 38 (Teilnahme von Kindern an bewaffneten Konflikten) abgegeben. Eine Prüfung hat nun ergeben, dass
eine Zurückziehung der Vorbehalte weder die Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention in Bezug
auf die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit noch die Medienfreiheit beeinträchtigen würde.
Auch wurde festgestellt, dass sich die reale Situation der Kinderrechte in Österreich durch die Zurückziehung
der Vorbehalte nicht wesentlich verändern würde. Die Erklärung Österreichs hinsichtlich der
Teilnahme von Kindern an bewaffneten Konflikten wiederum ist durch die Ratifikation eines entsprechenden Fakultativprotokolls
mittlerweile obsolet geworden.
Präzisierungen bei Verstößen gegen die Geschäftsverteilung und bei Prozesseinreden
Präzisierungen und Klarstellungen sollen Änderungen in der Zivilprozessordnung und im Gerichtsorganisationsgesetz
bringen. Ein entsprechender Initiativantrag (1210/A) der Abgeordneten Michaela Steinacker (V) und Johannes Jarolim
(S), der einstimmig angenommen wurde, sieht in diesem Sinn bei gesetzwidriger Geschäftsverteilung bzw. für
jeden Verstoß gegen die richtige Gerichtsbesetzung eine Rügepflicht vor und schafft zudem für beide
Fälle die Möglichkeit einer abgesondert anfechtbaren Entscheidung.
Ein weiterer Regelungsschwerpunkt ist die Abschaffung der als unnötig bezeichneten Formalität der eigens
erforderlichen Beschlussfassung auf abgesonderte Verhandlung. So soll das Gericht in Zukunft – unabhängig
von einer gemeinsamen oder getrennten Verhandlung über eine Prozesseinrede – entscheiden können, ob es
den Beschluss gesondert ausfertigen und damit eine sofortige Anfechtung möglich machen will, wenn es in der
Frage der Prozessvoraussetzungen zunächst eine Klärung im Instanzenweg beabsichtigt.
FPÖ will Klarstellung im Handelsvertretergesetz
Nach einem Spruch des Obersten Gerichtshofs sind Vereinbarungen mit einem Versicherungsvertreter sittenwidrig,
die bei unbegründeter Eigenkündigung durch den Versicherungsvertreter das Erlöschen der bei der
Beendigung bereits verdienten, aber noch durch die Ausführung der vermittelten Versicherungsverträge
bedingten Vermittlungsprovisionen in Gestalt von Folgeprovisionen vorsehen. FPÖ-Abgeordneter Bernhard Themessl
forderte in einem Initiativantrag (967/A) eine entsprechende Anpassung des Handelsvertretergesetzes an diese Entscheidung.
Die Initiative wurde unter Hinweis auf noch laufende Gespräche mit Stimmenmehrheit vertagt.
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