Nanostrukturen, in die Oberfläche geätzt: Eine neue Bearbeitungstechnik der TU Wien
verbessert die elektrischen Eigenschaften von Glaskeramik-Leiterplatten.
Wien (tu) - Man nimmt entspannt den Fuß vom Gaspedal, ein Radar-Sensor erkennt den Abstand zu den
anderen Autos und passt die Geschwindigkeit intelligent an. Solche Technologien sorgen heute bereits für mehr
Sicherheit im Straßenverkehr, ihre Verbreitung wird noch weiter zunehmen. Aus elektrotechnischer Sicht ist
die Herstellung solcher Sensoren allerdings recht schwierig: Die Sensoren sollen mit sehr hohen Frequenzen arbeiten
und trotzdem präzise und effizient funktionieren. An der TU Wien wurde nun eine neue Bearbeitungstechnik entwickelt,
mit der man glaskeramische Leiterplatten ganz gezielt nanostrukturieren kann. Damit lassen sich Materialeigenschaften
anpassen und das elektromagnetische Verhalten des Sensors wird deutlich verbessert.
Das Material beeinflusst die Strahlung
Die Antennen eines Radarsensors haben wenig mit den langen Metallstäben gemeinsam, die aus einem Radiogerät
herausragen. Sensor-Antennen werden heute sehr klein gebaut und direkt auf die Leiterplatten aufgebracht. Die Leiterplatten
selbst können beispielsweise aus spezieller Glaskeramik bestehen („Low Temperature Cofired Ceramics“, LTCC),
die aus verschiedenen Schichten aufgebaut ist, zwischen denen Leiterbahnen angebracht sein können. Auf der
obersten Schicht befindet sich die Patch-Antenne.
„Die Abstrahlcharakteristik einer Antenne wird stark vom darunterliegenden Material beeinflusst“, erklärt
Prof. Ulrich Schmid vom Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der TU Wien. Abhängig von den elektromagnetischen
Eigenschaften der Leiterplatte kann das Material die Abstrahlung stören, es kann die ausgesendeten Wellen
absorbieren und sich dabei im Extremfall so sehr aufheizen, dass Halbleiterchips in Mitleidenschaft gezogen werden.
Besonders problematisch ist das im Hochfrequenzbereich: Radar-Sensoren von Autos arbeiten bei etwa 77 GHz, das
hat einerseits technische Gründe, andererseits auch juristische: Dieser Frequenzbereich wurde gesetzlich für
Radarsensoren im Straßenverkehr reserviert.
Um störende Materialeffekte zu verhindern hat man bereits versucht, die Glaskeramik der Leiterplatten mit
organischen Materialien zu verbinden, doch das bringt wieder neue Probleme mit sich. „Übergänge zwischen
unterschiedlichen Materialien sollte man eher vermeiden“, sagt Ulrich Schmid. Ganz besonders dann, wenn man es
mit unterschiedlichen Materialgruppen zu tun hat, die sich bei Erwärmung unterschiedlich stark ausdehnen,
sinkt die Lebensdauer des Radarsensors.
Der Trick mit den Nano-Poren
An der TU Wien suchte man daher nach einer Methode, die elektromagnetischen Eigenschaften der Leiterplatten ganz
gezielt zu verändern, ohne dafür ein zusätzliches Material verwenden zu müssen. Die Glaskeramik
besteht aus winzigen Körnchen, die durch Hitze „aneinandergebacken“ werden. Dabei entsteht Feldspat, der sich
mit Säure wegätzen lässt – das restliche Substratmaterial bleibt übrig. Das Forschungsteam
stellte fest, dass man das Glaskeramik-Material auf diese Weise mit einer komplizierten Porenstruktur im Nano-Maßstab
versehen kann, wodurch sich lokal die Eigenschaften des Materials verändern.
Die Durchlässigkeit eines Materials für elektrische Felder wird als „elektrische Permittivität“
bezeichnet. „Vor der Säurebehandlung messen wir eine Permittivität von sieben bis acht – durch die Nanoporen
sinkt die Permittivität um bis zu 30% - und das mit geringstem technologischem Aufwand und in konventionellen
Tapesystemen, die gar nicht für diesen Ätzprozess hergestellt wurden. Das ist beachtlich“, sagt Dr. Achim
Bittner. Bittner untersuchte diesen Effekt bereits vor mehreren Jahren, nun entwickelte sein Kollege Frank Steinhäußer
in Zusammenarbeit mit der österreichischen Galvanik-Firma Happy Plating die Technik weiter und erzielte dabei
sehr vielversprechende Ergebnisse. Die weiteren Herstellungsschritte für die Antennenplatine wurden von deutschen
Partnern durchgeführt. So wurden die Glaskeramiken von der Firma MSE aus Material von der Fa. Kerafol gesintert.
Die Hochfrequenzsimulationen sowie das Design der Antenne wurden an der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie von der Fa. Astyx durchgeführt.
Die neue Ätz-Technik kann man punktgenau einsetzen, sodass die Glaskeramik an unterschiedlichen Stellen unterschiedliche
Eigenschaften erhält. Das kann beispielsweise bei Arrays aus mehreren Antennen sehr nützlich sein, die
zusammengeschaltet werden, um eine elektromagnetische Welle in eine ganz bestimmte Richtung zu senden. Außerdem
wird man die Technik in Zukunft als Diagnosemethode einsetzen, um mehr über das Verhalten des Glaskeramikmaterials
zu erfahren und sie weiterhin grundlegend verbessern zu können.
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