Brüssel (europarl) - Haben Sie schon mal ein öffentliches Gebäude fotografiert
und das Foto anschließend im Internet geteilt? Der rechtliche Rahmen für die Verbreitung von Bildern
von öffentlichen Gebäuden ist zurzeit in jedem EU-Mitgliedstaat anders. Kommende Woche stimmt das EU-Parlament
über einen Initiativbericht zum Urheberrecht ab. Ein Thema darin: die EU-weite Panoramafreiheit. Wir haben
zwei Abgeordnete gefragt, warum sie dafür oder dagegen sind, die Panoramafreiheit EU-weit einzuführen.
Die aktuelle Richtlinie zum Urheberrecht stammt aus dem Jahr 2001 und muss an die digitalen Entwicklungen angepasst
werden. Die deutsche Abgeordnete Julia Reda der Piratenpartei, die sich im Parlament der Grünen/EFA-Frakiton
angeschlossen hat, hat dazu einen Initiativbericht verfasst. Darin legt sie dar, wie eine solche Reform aussehen
und wie das Urheberrecht an unser digitales Zeitalter angepasst werden könnte.
Reda spricht sich für die Einführung der Panoramafreiheit in allen EU-Mitgliedstaaten aus. Der französische
EU-Abgeordnete Jean-Marie Cavada aus der ALDE-Fraktion hat einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem die
gewerbliche Nutzung von Abbildungen von öffentlichen Gebäuden an die vorherige Einwilligung des Rechteinhabers
geknüpft werden soll. Der Rechtsausschuss hat diesen Änderungsantrag angenommen.
Während der Plenarsitzung im Juli steht der Initiativbericht zur Abstimmung. Es liegt nun also in der Hand
der 751 EU-Abgeordneten, sich für oder gegen die Panoramafreiheit auszusprechen.
Argumente für die EU-weite Panoramafreiheit
Reda bezeichnet die Panoramafreiheit als kodifizierte Bestätigung dafür, dass die öffentliche Sphäre
allen gehört. Ein Gebäude oder eine Skulptur müsse geschützt werden und erhalte diesen rechtlichen
Schutz über das Gesetz. Der Schutz ende jedoch dort, wo der Schutz der öffentlichen Sphäre beginne.
Der EU-Abgeordneten zufolge sind unsere Gesetze darauf ausgerichtet, die Autoren zu honorieren, die Schaffung von
Werken zu fördern und den Austausch von Werken zu ermöglichen. Gesetze liefern die nötigen Richtlinien,
wenn sich Interessen überschneiden. "Es gibt nur wenige Kräfte, die stärker sind als der Wunsch
des Menschen, seine Gefühle und Gedanken in der Schrift, in Bildern oder über die Musik auszudrücken
und zu teilen", meint Reda.
Die Abgeordnete weist darauf hin, dass das Urheberrecht nur dann funktionieren könne und von jedermann respektiert
werde, wenn es über den bloßen Schutz von Werken hinausginge. Das Urheberrecht müsse allen jenen,
die sich ausdrücken möchten, die Skulpturen oder Porträts schaffen oder die jemanden zitieren oder
kritisieren möchten, ausreichend Raum schaffen. "Die Panoramafreiheit ist Teil dieses Gestaltungsraums
für Europas über 500 Millionen Autoren", erklärt sie.
Argumente gegen die EU-weite Panoramafreiheit
Cavada empfiehlt, die Entscheidungen weiter auf Ebene der einzelnen Staaten zu treffen." Jeder Mitgliedstaat
kann je nach seinen kulturellen Besonderheiten Ausnahmen in seiner Gesetzgebung festlegen, auch für die Panoramafreiheit."
Abbildungen von Werken in der öffentlichen Sphäre würden oft missbräuchlich genutzt. Dies wirke
sich negativ auf die Künstler und manchmal auch auf die Nutzer aus. "Wikimedia würde diese Werke
gerne, ohne die Autoren zu entschädigen, für gewerbliche Zwecke nutzen und nicht nur für Bildungszwecke."
Als weiteres Beispiel führt der EU-Abgeordnete Facebook an. Das soziale Netzwerk verzichte auf die Verpflichtung,
den Autor für die gewerbliche Nutzung hochgeladener Bilder zu entschädigen. Die Verantwortung werde über
die Nutzungsbedingungen auf die Facebook-Nutzer übertragen.
Cavada spricht sich für den Schutz der Nutzer durch die bereits bestehenden Ausnahmen aus und fordert, dass
die Autoren auch für die gewerbliche Nutzung ihrer Werke im Internet finanzielle Entschädigung erhalten.
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