Verfassungsausschuss diskutiert über Investitionsschutzklauseln und Schiedsgerichte im
geplanten EU-Freihandelsabkommen mit den USA
Wien (pk) - Seit 2013 werden die Vertragsbedingungen zwischen der Europäischen Union und den USA für
das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen, kurz TTIP, ausverhandelt. In einer breiten Diskussion hat sich
der Verfassungsausschuss am 01.07. insbesondere mit den europaweit kontrovers diskutierten Investitionsschutzklauseln
und privaten Schiedsgerichten im Abkommen auseinandergesetzt. Während SPÖ, FPÖ, Grüne und das
Team Stronach in TTIP eine ernstzunehmende Gefährdung für die Demokratie sowie für Sozial- und Umweltstandards
sehen, spricht die ÖVP von Wirtschaftspotentialen für ganz Europa. Anlass für die Diskussion war
ein Antrag von den Freiheitlichen und dem Team Stronach. Beide Fraktionen wollen nach Abschluss der TTIP-Verhandlungen
eine Volksbefragung über das Freihandelsabkommen in Österreich durchführen. Nicht begeistert darüber
war die ÖVP, diese geht ohnehin von einem sogenannten gemischten Abkommen aus, das heißt, einer notwendigen
Ratifizierung durch die nationalen Parlamente. Die NEOS signalisierten prinzipiell Positives in Richtung Volksbefragung,
ohne Versachlichung der Debatte und umfassende Information der Bevölkerung sei die Einsetzung eines direktdemokratischen
Instrumentes hier aber nicht sinnvoll, so der Standpunkt der Oppositionspartei. Die Forderung auf eine TTIP-Volksbefragung
wurde schließlich vertagt, so wie alle anderen Anträge der Opposition auf der Tagesordnung.
FPÖ, Grüne und das Team Stronach befürchten, dass das Freihandelsabkommen ausschließlich internationalen
Großkonzernen dienen wird und Sozial- sowie Umweltstandards unter die Räder kommen. Die Ängste
der Opposition, wonach die geplanten Investitionsschutzklauseln und privaten Schiedsgerichte eine Gefährdung
für die Demokratie darstellen, teilte zudem auch die SPÖ. Bei TTIP sei eine Notbremse zu ziehen, meinte
Albert Steinhauser von den Grünen, der Freihandel mit den USA werde von den europäischen Entscheidungsträgern
komplett unterschätzt. Bereits innerhalb der Europäischen Union sei sichtbar, dass Schutzmechanismen
nicht eingehalten werden.
Peter Wittmann von der SPÖ sprach insbesondere die mögliche Gefährdung der Demokratie durch private
Schiedsgerichte an. Diese könnten nämlich in die nationale Gesetzgebung der Mitgliedsländer massiv
eingreifen, die Demokratie damit ausgehebelt werden, warnte er. Investitionsschutzabkommen und Schiedsgerichtsverfahren
im Sinne des Freihandelsabkommens würden bedeuten, dass Staaten gegen Konzerne antreten, so der Abgeordnete.
Das könnte für einen Staat wiederum nur zweierlei bedeuten: Entweder seinen Bankrott, oder aber globale
Konzerne nehmen Einfluss auf die Gesetzgebung. Mit horrenden Bilanzsummen und wirtschaftlichem Druck würden
so Staaten ausgeboten. Grundsätzliches Bedenken äußerte er hinsichtlich der verfassungsrechtlichen
Möglichkeit, über TTIP eine Volksbefragung abhalten zu können. "Ein gesundes Misstrauen ist
angebracht", meinte auch sein Fraktionskollege Josef Cap in Bezug auf das Freihandelsabkommen.
Auf ein Negativbeispiel in Sachen Freihandelsabkommen mit den USA machte Christian Lausch (F) aufmerksam. In Mexiko
habe ein entsprechendes Abkommen zu massivem Maisbauernsterben geführt. Ähnliche Szenarien befürchtet
der Freiheitliche auch für die österreichische Landwirtschaft. Sein Fraktionskollege Harald Stefan warnte
davor, nach Abschluss der TTIP-Verhandlungen vor vollendeten Tatsachen zu stehen. Auch Wolfgang Zinggl von den
Grünen sprach sich dezidiert für eine Volksbefragung aus, da, wie er sagte, hinter verschlossenen Türen
etwas ausverhandelt werde, das die österreichische Bevölkerung massiv betrifft.
Christoph Hagen (T) thematisierte mögliche Wettbewerbsnachteile für die EU gegenüber den USA. Aus
seiner Sicht können europäischen Betriebe durch TTIP nicht profitieren.
Die ÖVP und die NEOS sprachen sich für eine Versachlichung der Debatte aus. Panikmache müsse hintangestellt
werden, man dürfe das Ziel nicht aus den Augen verlieren, dass Österreich als exportorientiertes Land
ein Freihandelsabkommen mit den USA braucht, wie Michaela Steinacker (V) sagte. Da die ÖVP davon ausgeht,
dass das Abkommen auch den nationalen Parlamenten zur Genehmigung vorgelegt wird, bedarf es aus Sicht der ÖVP
auch keiner Volksbefragung. Verteidigt wurde das geplante Freihandelsabkommen auch von Karlheinz Kopf (V). Er sah
darin enormes Wirtschaftspotential, gerade in einer Zeit mit Wachstumsschwäche und steigender Arbeitslosigkeit,
wie er meinte. Dass Investoren Rechtssicherheit brauchen, ist aus seiner Sicht zudem selbstverständlich. Außerdem
gebe es bereits jetzt tausende bilaterale Abkommen, die Investitionsschutzklauseln beinhalten. Ein Argument, das
Andreas Schieder von der SPÖ so nicht gelten ließ. Investorenschutz sei zwar kein neues Rechtsinstrument,
es bekomme aber eine andere Qualität, wenn es um zwei Kontinente mit unterschiedlichen Rechtsniveaus geht.
Ob ein von NGOs vorgeschlagener Internationaler Investitionsgerichtshof in dieser Frage Abhilfe schaffen kann,
hängt laut Schieder von dessen Ausgestaltung ab. Er selbst bezweifelt, dass damit alle Probleme aus der Welt
geschaffen werden können. Auch die Pro-TTIP-Argumente der ÖVP, wonach die Krise in Europa nur durch ein
Freihandelsabkommen mit den USA zu überwinden ist, sind Schieder zufolge die falschen. Ungezügelte Märkte
hätten die Krise nämlich erst recht verursacht, so seine Einschätzung.
Nikolaus Scherak von den NEOS bekrittelte, dass es in der Diskussion über TTIP immer nur um Chlorhühner
und Genmais geht, das sei unsachlich und undifferenziert. Grundsätzlich hält es Scherak für richtig,
das Volk in politischen Angelegenheiten zu befragen, ohne sachliche Information sei das aber wenig sinnvoll.
Das ursprünglich Anliegen der Freiheitlichen und vom Team Stronach ( 364/A[E]), nach Abschluss der TTIP-Verhandlungen
eine Volksbefragung abzuhalten, wurde wie die Forderung der FPÖ( 584/A), rund um das Freihandelsabkommen vorbeugend
so die Verfassung zu ändern, dass die Wasserversorgung in Österreich auch in Zukunft in öffentlicher
Hand bleibt, vom Verfassungsausschuss mehrheitlich vertagt.
Das Abkommen beschäftigt auch andere Ausschüsse des Nationalrats, so hat der Petitionsausschuss vor kurzem
ein umfangreiches Expertenhearing abgehalten (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 725/2015).
Islamgesetz: FPÖ urgiert Evaluierungsbericht bis Ende Februar 2016
Vom Ausschuss vertagt wurde zudem ein Antrag der FPÖ, der auf die Vorlage eines Evaluierungsberichts zum Islamgesetz
durch Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bis Ende Februar 2016 abzielt
( 983/A(E)). Abgeordneter Harald Stefan will unter anderem wissen, ob neue islamische Glaubensrichtungen und Glaubensgemeinschaften
anerkannt wurden, wie viele Moscheen-Vereine nach Inkrafttreten des Islamgesetzes aufgelöst und wie viele
Moscheen geschlossen wurden.
Nicht begeistert vom Anliegen der FPÖ war Wolfgang Zinggl (G). Diese Art von Informationen könnten auch
im Zuge einer parlamentarischen Anfrage eingeholt werden, wie er meinte. Auf die formalen Probleme des Antrags
hinsichtlich der genannten Fristsetzung verwies Wolfgang Gerstl (V). Nachdem die Umsetzungsphase des neuen Islamgesetzes
noch nicht abgeschlossen ist, könne man auch noch nicht mit der Evaluierung starten. Die Regierung hat Gerstl
zufolge außerdem bereits angekündigt, sich die Umsetzung des Islamgesetzes genau anzusehen.
Grüne fordern Wahlrecht für AusländerInnen
Ebenfalls vertagt wurde ein Entschließungsantrag der Grünen, in dem sich Abgeordnete Daniela Musiol
dafür ausspricht, allen ausländischen Staatsangehörigen nach einer bestimmten Aufenthaltsdauer in
Österreich bei Gemeinderats- und Landtagswahlen sowie auf Bezirksebene in Wien das Wahlrecht zu gewähren
( 569/A[E]). Anders als in vielen anderen europäischen Staaten könnten in Österreich erhebliche
Teile der Wohnbevölkerung nicht einmal auf Gemeindeebene wählen, kritisierte sie im Verfassungsausschuss.
Genau genommen sind es laut Musiol 12,5 %, die vom Wahlrecht ausgeschossen sind. 49 % davon stammen dabei aus Ländern
der Europäischen Union. Eine Vorreiterrolle nehmen neben Dänemark oder Finnland die Niederlande ein.
Schon seit 1994 ist dort sowohl das aktive als auch das passive Wahlreicht für Nicht-StaatsbürgerInnen
auf kommunaler Ebene normiert, sagte die Grünen-Abgeordnete.
Als "zukunftsträchtig" bezeichnete Harald Troch (S) das Anliegen der Grünen. Es gehe hier immerhin
um Menschen mit dauerhaften Aufenthaltsgenehmigungen, um SteuerzahlerInnen und KonsumentInnen. Dagegen wehrte sich
Christoph Hagen (T). Damit müsse man auch jedem Touristen, der in Österreich konsumiert, ein Wahlrecht
geben, wie er meinte. Er selbst sehe nicht ein, warum jemand, der sich nicht zum Staat bekennt, Staatsbürgerrechte
genießen sollte.
Asylverfahren: NEOS für Kompetenzänderung bei Grundversorgung
Schließlich vertagte der Verfassungsausschuss einen Antrag der NEOS ( 930/A(E)), sämtliche Kompetenzen
für die Grundversorgung von AsylwerberInnen an den Bund zu übertragen, sowohl was die Gesetzgebung als
auch was die Vollziehung betrifft. Abgeordneter Nikolaus Scherak erwartet sich davon eine mögliche Lösung
in der Asylfrage, die Kompetenzzersplitterung habe nämlich bisher nur dazu geführt, dass die Verantwortung
zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hin- und hergeschoben wurde, bemängelt er. Er selbst habe Flüchtlingsquartiere
in Österreich besucht, in denen beispielsweise für 282 AsylwerberInnen 4 Waschbecken zur Verfügung
stehen, außerdem müssten in Traiskirchen Asylsuchende unter freiem Himmel schlafen. Deswegen braucht
es nach Meinung Scheraks eine klare Verantwortlichkeit.
Die von Scherak beschriebene Situation in Traiskirchen ist für Wolfgang Zinggl (G) mit ein Grund, warum eine
Zentralisierung aus seiner Sicht nicht sinnvoll ist. Der Bund müsse die Sache nicht selbst in die Hand nehmen,
sondern nur regeln. Der Grünen-Abgeordnete sprach sich zudem für einen "finanziellen Anreiz"
für die Gemeinden aus. "Menschenrechte einzuhalten kostet manchmal Geld", so Zinggl. Für eine
gesamtstaatliche Lösung sprachen sich Otto Pendl (S) und Wolfgang Gerstl (V) aus. Diese Verantwortung müssten
alle politischen Ebenen gemeinsam übernehmen, meinte Pendl. NEOS-Abgeordneter Scherak glaubt angesichts des
letzten Asyl-Gipfels hingegen nicht mehr an eine gesamtstaatliche Einigung.
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