Wir waren einer Lösung sehr nahe, sagte der Minister
Wien (pk) - Der Finanzausschuss verhandelte am 30.06. nicht nur über die Steuerreform, sondern machte
eine Reihe von EU-Anpassungen in Finanzmarktnormen plenumsreif. Mit dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz
werden die Rechte der Anleger im Sicherungsfall gestärkt. Im Börsegesetz wird der Zugang zu Finanzinformationen
im Interesse des Anlegerschutzes verbessert und zugleich Kapitalaufnahmen kleiner und mittlerer Unternehmen erleichtert.
Als Konsequenz aus dem "Madoff-Skandal" des Jahres 2008 empfiehlt der Finanzausschuss im Zusammenhang
mit EU-Anpassungen Änderungen im Investmentfonds- und im Immobilienfondsgesetz. Ein Informationsaustauschabkommen
in Steuersachen mit der als Steueroase geltenden Insel Mauritius passierte den Ausschuss einstimmig.
Schelling zu Griechenland: Wir waren einer Lösung sehr nahe
Aus Aktualitätsgründen berichtete Finanzminister Hans Jörg Schelling eingangs der Sitzung den Mitgliedern
des Finanzausschusses über die Situation nach der Unterbrechung der Verhandlungen mit Griechenland über
die Verlängerung des Hilfsprogramms am letzten Freitag. Dieses Hilfsprogramm wird heute um Mitternacht auslaufen
und kann dann aus technischen Gründen nicht mehr verlängert werden, erklärte der Finanzminister
und teilte mit, dass Alexis Tsipras derzeit einen neuen Junckers-Vorschlag prüfe.
In langen Verhandlungen mit Griechenland habe man sich weitestgehend angenähert und sei von einer Lösung
nur "zentimeterweit" entfernt gewesen, berichtete Schelling. Die Geldgeber hätten bis zuletzt entgegenkommende
Schritte gesetzt, etwa die Möglichkeit der Griechen, einen größeren Teil des griechischen Primärüberschusses
in den kommenden Jahren zu investieren, statt zur Schuldenrückzahlung verwenden zu müssen. Beim Bankenpuffer
sollte etwa die Zweckbindung aufgehoben werden, er sollte in einen Kredit für Griechenland umgewandelt werden.
Dennoch habe Ministerpräsident Tsipras am Freitagnachmittag das Referendum angekündigt und im weiteren
Verlauf die Banken geschlossen. Es werde zwar weiter mit Griechenland verhandelt, es schaue aber nicht nach einem
Einlenken aus, meinte Schelling.
So werde die Rückzahlung an den IWF nicht wie vorgesehen erfolgen. Der IWF gebe Griechenland aber noch vier
Wochen Zeit. Die EZB habe beschlossen, die Sonderbankenhilfe einzufrieren. Österreichs bilaterales Kreditvolumen
betrage 1,6 Mrd. € gegenüber Griechenland. Bis 2020 sind nur Zinszahlungen vereinbart, diese werden derzeit
geleistet, berichtete Schelling. Rückzahlungen seien erst ab 2020 vorgesehen. Der Haftungsanteil Österreichs
am EFSF betrage 4,6 Mrd. €. Dass diese Haftung schlagend werde, hält Schelling für unwahrscheinlich,
weil der ausreichend liquide ESM für den EFSF hafte. "Die Risken Österreichs sind derzeit überschaubar",
sagte Schelling. Die Märkte reagierten gelassen, der Euro sei stabil und das Exposure österreichischer
Banken in Griechenland mit 8 Mio. € gering. Ansteckungsgefahren bestünden eventuell in Zypern, Bulgarien und
Rumänien, zudem rechneten Experten mit einer Erhöhung der Zinsenspreads in Programmländern, teilte
Schelling mit.
In den Verhandlungen hätten sich alle Parteien bemüht, zu einer Lösung zu kommen, die in Griechenland
Wachstum generiere, erinnerte Schelling und unterstrich, dass die Eurozone bereit sei, die Verhandlungen mit Griechenland
wieder aufzunehmen, wobei klar sei, dass eine Wachstumsstrategie für Griechenland und die Erhöhung seiner
Wettbewerbsfähigkeit zu den Voraussetzungen zähle, damit dieses Land Schulden zurückzahlen könne.
Daher sei mit der griechischen Regierung ein Pfad mit einem Jahr für Jahr fixen Verhältnis zwischen Schulden
und BIP entwickelt worden. Das Problem der griechischen Regierung bestehe in den Versprechen, die im Wahlkampf
abgegeben wurden, analysierte Schelling, der kein Problem in dem Referendum sah, wohl aber im Zeitpunkt, zu dem
es von Alexis Tsipras angekündigt wurde.
EU-Anpassungen bei der Einlagensicherung
Einlagen bei Kreditinstituten werden künftig durch ein Gesetz über Einlagensicherung und Anlegerentschädigung
stärker geschützt. Diese Regierungsvorlage verabschiedete der Finanzausschuss mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit
an das Nationalratsplenum (686 d.B.). Die EU schreibt allen Banken vor, einer Sicherungseinrichtung anzugehören,
die bis zu 100.000 € pro Kunde und Bank sicherstellt. Geschützt sind Guthaben auf Bankkonten, Sparbüchern
und Bauspareinlagen, nicht gesichert sind hingegen Einlagen von öffentlichen Institutionen, Kreditinstituten
oder Versicherungen. Die bisherigen Regelungen zur Anlegerentschädigung bleiben weitgehend unverändert.
Die Erstattungsfrist wird von derzeit maximal 30 Tagen auf höchstens sieben Tage nach Eintritt des Sicherungsfalls
verkürzt. Forderungen aus Wertpapierdienstleistungen bis zu 20.000 € werden im Falle einer Bankinsolvenz weiterhin
sichergestellt. Die Rolle der Finanzmarktaufsicht (FMA) wird gestärkt und die finanzielle Ausstattung der
Sicherungseinrichtungen verbessert.
Ein einheitliches Einlagensicherungssystem sei notwendig, um das Vertrauen der Anleger zu sichern, so Hermann Lipitsch
(S), der festhielt, dass die Banken in Zukunft für den Gesamtbetrag von 100.000 € selbst aufkommen müssen,
die direkte Zahlungspflicht des Bundes wird entfallen. Werner Kogler (G) begrüßte die Änderung
bei der Haftung des Bundes und damit für die Steuerzahler. Das System könne jedoch nur Einzelelemente
absichern. Das Problem sei die Höhe der Absicherung, so Kogler, der die vorgesehene Beschränkung begrüßte.
Eine restliche Staatshaftung wäre wünschenswert. An dieser Stelle informierte Ausschussvorsitzender Andreas
Zakostelsky (V), dass ein Abänderungsantrag für das Plenum vorbereitet werde. Die gleichzeitige Finanzierung
von Bankenabgabe, Einlagensicherungen und erhöhter Eigenmittelanforderungen sei für die Banken problematisch,
fügte Jakob Auer (V) hinzu.
Auch Rainer Hable (N) sprach sich für ein einheitliches System auf europäischer Ebene aus, denn dies
sei das letzte Element zur Verwirklichung einer Bankenunion. In einem gemeinsamen Währungssystem seien gleiche
Voraussetzungen notwendig, dennoch gebe es auf europäischer Ebene keinen Konsens. Die Befürchtung, die
heimischen Banken müssten für Institute anderer Länder haften, zerstreute der Abgeordnete und stellte
fest, das System gelte für alle Länder gleichermaßen. Die Anforderungen für ein einheitliches
Einlagensicherungssystem seien sehr streng, meinte der Abgeordnete. Hubert Fuchs (F) trat für die baldige
Einführung eines institutsbezogenen Sicherungssystems ein, statt während der Umsetzungsfrist bis 2019
ein Parallelsystem aufzubauen. Seitens des Teams Stronach sprach sich Robert Lugar (T) gegen die Vereinheitlichung
der Einlagensicherungssysteme aus und sah es als Aufgabe der EZB an, bei Liquiditätsengpässen der Banken
auszuhelfen. Zudem sei die vorgesehene Absicherung von 0,4 % der gesicherten Einlagen seiner Ansicht nach als Risikovorsorge
nicht ausreichend. Die Sparer dürften nicht dafür herangezogen werden, auf europäischer Ebene für
andere Banken geradezustehen.
Die Einlagensicherung sei ein psychologisches Element, so Finanzminister Hans Jörg Schelling und führte
aus, dass mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf eine EU-Richtlinie umgesetzt würde, deren Ziel der Richtlinie
die temporäre Absicherung von Liquidität sei. Die Frage der Haftungsübernahme sei sehr umstritten,
informierte der Finanzminister und berichtete aus Brüssel, dass die vorliegende Richtlinie von den meisten
Mitgliedstaaten abgelehnt würde und in den wenigsten Fällen umgesetzt sei. Dennoch trat er für die
Vertiefung der europäischen Bankenunion ein. Von den drei Säulen Bankenaufsicht, Bankenabwicklung und
Einlagensicherung müsse die zweite Säule erst realisiert werden, bevor die dritte Säule verwirklicht
würde, ließ Finanzminister Schelling Abgeordneten Lugar wissen. Das Gesetz wurde mit den Stimmen der
Regierungsparteien verabschiedet.
Die Börse wird für kleine und mittlere Unternehmen attraktiver
Änderungen im Börsegesetz, im Kapitalmarktgesetz und im Rechnungslegungs-Kontrollgesetz dienen der Umsetzung
von EU-Richtlinien, mit denen Konsequenzen aus der Überprüfung der Transparenzregelungen für börsennotierte
Unternehmen durch die EU-Kommission gezogen werden. Ein zentraler Zugang zu Finanzinformationen verbessert den
Anlegerschutz. Zudem werden Kapitalaufnahmen kleiner und mittlerer Unternehmen erleichtert. Für KMU entfallen
die bisher vorgeschriebene Quartalsberichte. Dadurch werden KMU auf den Kapitalmärkten sichtbarer und attraktiver
für Anleger und Analysten. Aufsichtslücken werden geschlossen: Bislang hätte sich eine börsennotierte
Gesellschaft der Aufsicht entziehen können, indem sie kein Herkunftsland angegeben hätte. Künftig
würde ihr in einem solchen Fall ein Herkunftsstaat zugewiesen (670 d.B.). Seitens der SPÖ plädierte
Markus Vogel in der Debatte für eine rasche Umsetzung der EU-Richtlinie. Ruperta Lichtenecker (G) stellte
positiv fest, durch dieses Gesetz würde die Finanzierung von Klein- und Mittelunternehmen erleichtert und
der Anlegerschutz gestärkt. Demgegenüber meinte Hubert Fuchs (F), durch das Gesetz würde die Quartalsberichtspflicht
von KMU abgeschafft, was der Forderung nach mehr Transparenz widerspreche.
Die EU-Richtlinie werde derzeit übererfüllt, informierte Finanzminister Hans Jörg Schelling die
Abgeordneten des Finanzausschusses und bekannte sich dazu, den Gesetzentwurf auf europäisches Niveau zu bringen.
Dazu kündigte Ausschussobmann Andreas Zakostelsky bis zur Plenardebatte einen Abänderungsantrag an. Es
gehe nicht um eine europäische Datenbank, sondern um Zugang zu nationalen Systemen. Damit würde ein deutlicher
Fortschritt erzielt, so Schelling. Weiters ließ er Abgeordnete Lichtenecker wissen, Staatssekretär Harald
Mahrer erarbeite derzeit Finanzinstrumente für Start-Up-Unternehmen. Der Ausschuss verabschiedete die Regierungsvorlage
mit SPÖ-ÖVP-Grünen-Mehrheit an das Nationalratsplenum.
Depotbanken: Mehr Schutz für AnlegerInnen
Zu den Lehren aus dem "Madoff-Skandal" im Jahr 2008 zählt die Änderung einer EU-Richtlinie
über Vorschriften für Depotbanken, die das Vermögen von Investmentfonds verwahren. Diese Änderung
führt in Österreich zu Anpassungen im Investmentfondsgesetz und im Immobilienfondsgesetz (671 d.B.).
Aufgaben und Pflichten von Depotbanken werden im Interesse der Anleger präzisiert, vereinheitlicht und ausgeweitet.
Die Festsetzung von Vergütungen soll risikoadäquat und transparent erfolgen. Wird die Verwahrung delegiert,
gelten bei Auswahl und Beauftragung von Subverwahrern künftig spezielle Sorgfaltspflichten. Geänderte
Steuerbestimmungen im Investmentfondsgesetz schaffen Grundlagen für die Erlassung einer Fonds-Melde-Verordnung.
Der Zeitpunkt der Erfassung steuerpflichtiger Einnahmen wird praktikabel festgelegt, hält die Regierung fest.
-Gegen die Regierungsvorlage stimmten nur die Freiheitlichen, deren Ablehnung Hubert Fuchs (F) mit Bedenken wegen
möglichen Missbrauchs der geänderten Bestimmungen im Investmentfondsgesetz begründete.
Informationsaustausch in Steuersachen mit Mauritius
Aufgrund ihres Charakters als Steueroase besteht mit der Insel im Indischen Ozean kein Doppelbesteuerungsabkommen.
Um internationale Standards steuerlicher Transparenz und Amtshilfebereitschaft zu erfüllen, liegt ein Informationsaustauschabkommen
in Steuersachen mit Mauritius im österreichischen Interesse. Das Abkommen folgt den Regeln des OECD-Musters
für bilaterale Abkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen. Vom Inkrafttreten des Abkommens
erwartet die Regierung keine wesentlichen finanziellen Wirkungen (678 d.B.). - In einer kurzen Debatte erfuhr Hubert
Fuchs (F) von Finanzminister Schelling, dass Mauritius nicht über ein Steuersystem verfüge, das dem österreichischen
ähnlich sei, was dem Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens entgegenstehe.
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