Mit 1. Juli 2015 übernimmt das Bundesland Oberösterreich sowohl den Vorsitz in der
Landeshauptleutekonferenz als auch den Vorsitz im Bundesrat.
Linz (lk) - Beide turnusmäßigen Vorsitzwechsel sind Symbole für die föderale Tradition
und die föderale Struktur unserer Republik. Die Länder sind eigenständige Mitglieder des Bundesstaats.
Sie sind keine nachgeordneten Organe des Bundes. Sie tragen aber umgekehrt eine gesamtstaatliche Verantwortung
und müssen dieser gerecht werden. Die Länder müssen ihre Existenz vor den Bürgern legitimieren.
Sie müssen insbesondere die Effizienz ihrer Tätigkeit nachweisen. Sie müssen das, was sie tun und
bewirken, vor der Wählerin / vor dem Wähler in einer nachvollziehbaren und transparenten Weise rechtfertigen.
Bund und Länder haben dabei auf Augenhöhe, aber auch mit Augenmaß miteinander umzugehen.
Die Länder können in dieses Verhältnis vieles einbringen.
1. Föderalismus garantiert Bürgernähe. Ein "bürgerferner" demokratischer Staat
wäre ein Widerspruch in sich - nichts ist für eine Demokratie wichtiger als Bürgernähe und
Bürger, die sich in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen.
Föderale Strukturen sind hier nachweislich das attraktivste Angebot. Denn die stärkste Identifikation
der Bürger ist in den Gemeinden gegeben, das bestätigt jede demoskopische und politikwissenschaftliche
Studie. An zweiter Stelle rangieren bereits die Länder, insbesondere die Landeshauptleute. Damit fördert
Föderalismus den Zusammenhalt und sorgt für eine bürgernahe Politik.
Die Lösung anstehender Probleme in der Nähe des Bürgers ist oft die beste Problemlösung. Das
Subsidiaritätsprinzip muss daher Richtschnur allen staatlichen Handelns sein. Bürgernähe und Subsidiarität
ermöglichen eine bessere Beteiligung der Bürger an der Verwaltung und auch an der Gesetzgebung.
2. Föderalismus garantiert die kostenminimale Erbringung öffentlicher Leistungen. Wenn öffentliche
Leistungen nicht einheitlich auf zentraler Ebene bestimmt, sondern auf die entsprechenden unteren Ebenen verlagert
werden, werden diese Leistungen kostengünstiger und den örtlichen Bedingungen angepasst, also effizienter
erbracht.
3. Kostengünstigere Lösungen sind nicht schlechtere, sondern in aller Regel bessere, weil flexiblere
Lösungen. Insbesondere im Krisenfall, wie etwa bei Naturkatastrophen oder einem dramatischen Konjunktureinbruch,
weil rasches, regional angepasstes Handeln in föderativen Strukturen leichter und effektiver möglich
ist.
Schwerpunkte bis Ende 2015
1. Faire Finanzausgleichsverhandlungen auf Grund der dynamisch wachsenden Aufgaben der Länder. Dazu
gehören die Kinderbetreuung, Soziales, Pflege, Gesundheit und Fachhochschulen.
Beispiel Kinderbetreuung: Im 10-Jahres-Vergleich sind in Oberösterreich die Ausgaben für Kinderbetreuung
von 89,4 Millionen Euro (Rechnungsabschluss 2005) auf 218,4 Millionen Euro (Voranschlag 2015) angestiegen.
Beispiel Soziales: Das Sozialbudget stieg von 334,1 Millionen Euro (Rechnungsabschluss 2005) auf 484,73 Millionen
Euro (Voranschlag 2015).
Die Ausgaben im Bereich Chancengleichheit stiegen von 166 Millionen Euro (Rechnungsabschluss 2005) auf 399,5 Millionen
Euro (Voranschlag 2015).
Die Sozialhilfeausgaben im 10-Jahres-Vergleich von 242 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 479,5 Millionen Euro im
Jahr 2010 gestiegen (Quelle: Statistik Austria - Sozialhilfestatistik vom 14.6.2012).
Zu diesen dynamisch wachsenden Aufgaben kommt weiters die Tatsache, dass die Länder immer mehr Bundesaufgaben
übernehmen (z.B. im tertiären Bildungsbereich).
2. Schwerpunkt Pflege: Die Pflegefinanzierung mit der Verlängerung des Pflegefonds wird ein zentrales
Thema des OÖ Vorsitzes sein. Das Funktionieren einer Pflegefinanzierung hat grundsätzlich mit der Würde
des Menschen zu tun. Sie muss daher ein Kernstück verantwortungsvoller Politik sein. Menschenwürde entscheidet
sich in kritischen und sensiblen Bereichen. Hier darf niemand alleine gelassen werden. Weder die Betroffenen, noch
ihre Angehörigen, aber auch nicht die Gemeinden, die vieles zur Finanzierung beitragen.
Daneben muss trotz geburtenschwacher Jahrgänge ein entsprechender Nachwuchs beim Pflegepersonal sichergestellt
werden. Alleine in Österreich sind derzeit 600.000 Menschen hilfs- bzw. pflegebedürftig. Prognosen gehen
davon aus, dass bis 2020 rund 60 Prozent mehr Einsatzstunden in der mobilen Pflege bzw. 25 Prozent mehr stationäre
Pflege benötigt werden.
3. Schwerpunkt Deregulierung: Bereits im März wurden dem Vorsitzenden der Deregulierungskommission
des Bundes, Verwaltungsgerichtshofpräsident Dr. Rudolf Thienel, die Bürgervorschläge die Bundesgesetzgebung
betreffend Deregulierung übergeben.
Deregulierung und damit die Reduzierung von staatlichen Vorgaben jeder Art ist die größte Herausforderung,
vor der der Industrie- und Wirtschaftsstandort Österreich steht.
Mehr Eigenverantwortung und weniger Regulierungen müssen dabei das Ziel sein. Ein Wirtschaftsstandort braucht
den Mut zur Lücke, um insbesondere das Wirtschaften wieder attraktiver zu machen. Derzeit besteht ein Dschungel
von Vorschriften, der in vielen Fällen bremsend und demotivierend wirkt.
Oberösterreich nimmt die Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger ernst und wird auf Bundesebene
darauf achten, dass sie geprüft und wenn möglich umgesetzt werden.
Jene Vorschläge, die die Europäische Union betreffen, werden ebenfalls an die zuständigen Stellen
der EU übergeben werden.
Deregulierung ist und bleibt eine Daueraufgabe. Im Mittelpunkt jeder Gesetzesinitiative muss daher die Frage stehen,
ob diese auch tatsächlich notwendig ist oder nicht.
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