Sonderbericht Vordernberg: Private Unternehmen nur für Hilfsdienste zulässig
Wien (pk) - "Verfassungsrechtlich höchst problematisch" sieht die Volksanwaltschaft die "faktische
Ausgliederung" von Hoheitsbefugnissen an eine private Sicherheitsfirma im Schubhaftzentrum Vordernberg. Hoheitliche
Aufgaben der Exekutive, also die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt, seien nicht privatisierbar. Das betonen
die VolksanwältInnen Peter Fichtenbauer, Gertrude Brinek und Günther Kräuter in ihrem kürzlich
dem Parlament vorgelegten Sonderbericht über das 2014 eröffnete Anhaltezentrum. Zu verfassungsrechtlichen
Grenzüberschreitungen der Sicherheitsfirma komme es etwa, wenn die Hausordnung durchzusetzen ist oder bei
Maßnahmen zur Streitschlichtung. Hier wäre polizeiliche Präsenz nötig.
Eingeräumt wird allerdings, dass der Einsatz privater Kräfte im angemessenen Ausmaß viel dazu beiträgt,
ein möglichst an zivilen Verhältnissen orientiertes Umfeld zu schaffen – was wiederum den Empfehlungen
des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
oder Strafe (CPT) entspreche. Laut CPT-Vorgaben müssen Personen, deren Freiheit aus fremdenrechtlichen Gründen
beschränkt wird, klar getrennt sein von InsassInnen, die einer strafbaren Handlung verdächtigt werden.
Für Hilfstätigkeiten wie Essensausgabe oder Schneeräumung, die keinen Grundrechtseingriff darstellen,
seien daher durchaus externe Anbieter in einem Schubhaftzentrum heranzuziehen.
Public-Private-Partnership im Schubhaftvollzug schafft Probleme
Bereits Ende 2013 startete die Volksanwaltschaft (VA) ein amtswegiges Prüfverfahren zur Klärung kritischer
Punkte der privatrechtlichen Vergabe wesentlicher Aufgaben im Anhaltezentrum (AHZ) Vordernberg, das im Folgejahr
als Modelleinrichtung für Schubhaft aufsperrte. Speziell Umfang und verfassungsrechtliche Zulässigkeit
der Public-Private-Partnership durch die Beauftragung von privatem Sicherheitspersonal im Schubhaftvollzug wurden
eingehend geprüft. Zwischen April 2014 und März 2015 erfolgten zudem vier Kommissionsbesuche der VA im
Rahmen ihres Mandats zur präventiven Menschenrechtskontrolle.
Wiewohl die VolksanwältInnen die Einbindung privater Dienstleister in den Schubhaftalltag begrüßen,
um den Gefängnischarakter im AHZ zu mindern, warnen sie davor, dass private Sicherheitskräfte leicht
die Grenzen ihrer Befugnisse überschreiten können. So komme es einer Ausgliederung hoheitlicher Aufgaben
gleich, wenn privates Sicherheitspersonal zur Durchsetzung der Tagesstruktur gemäß Hausordnung in Grundrechte
der InsassInnen eingreift oder bei Konflikten zwischen Angehaltenen deeskalierend wirken muss. Problematisch sei
der Einsatz eines Privatunternehmens auch bei der Unterbindung von Fluchtversuchen, stellt der Bericht anhand eines
Beispiels dar, bei dem die Sicherheitsleute im AHZ Vordernberg mangels Hoheitsbefugnisse das Entkommen eines Insassen
nicht durch Befehl bzw. Zwang verhindern konnten. Der VA-Empfehlung, zur Vermeidung solcher Vorkommnisse Exekutivbedienstete
ständig vor Ort zu installieren, sei vom Innenministerium bislang aber nicht nachgekommen worden.
Hingewiesen wird von der Volksanwaltschaft auch auf das Fehlen einer geeigneten Rechtsgrundlage für die Einbindung
Privater im Bereich Schubhaft, nicht zuletzt um überschießende oder rechtswidrige Akte privater Sicherheitskräfte
unmissverständlich zu regeln. Grundsätzlich problematisch ist nach VA-Einschätzung überdies
die privatrechtliche Vertragskonstruktion im Fall Vordernberg, die zum einen nur eingeschränkte Weisungsrechte
gegenüber den Mitgliedern der Sicherheitsfirma ermöglicht, zum anderen nicht vom Innenministerium einseitig
mittels Ablaufanordnungen geändert werden kann. Konkret übertrug der Bund den Betrieb des Schubhaftzentrums
an die Marktgemeinde Vordernberg als Privatrechtssubjekt, die Gemeinde wurde wiederum ermächtigt, diese Aufgaben
privatrechtlich an externe Auftragnehmer abzugeben. Allen Bedenken zum Trotz vermerkt der Sonderbericht auch einige
Vorteile der Einbindung privater Kräfte im AHZ, neben der Schaffung einer größtmöglichen Normalität
im Anstaltsbetrieb sind dies auch wirtschaftliche Impulse in der strukturschwachen obersteirischen Region.
Steigerung der Insassenzahl könnte Anhaltequalität mindern
Differenziert fallen die Kommissionsberichte aus, in denen die menschenrechtliche Situation im Anhaltezentrum Vordernberg
beschrieben wird. Als zufriedenstellend erachteten die PrüferInnen die medizinische Versorgung, die psychosoziale
Betreuung und – infolge von VA-Mahnungen nach mehr Transparenz – die Dokumentation im AHZ sowie gute Hygiene- und
Verpflegungsstandards. Kritisiert wurde allerdings die Praxis, Hungerstreikende in eigenen Wohngruppen zu separieren,
außerdem beanstandet die Volksanwaltschaft einen mangelnden Zugang Angehaltener zu Informationen und zur
Außenwelt. Die Nutzung von Internet und von privaten Mobiltelefonen seien im AHZ verboten. Weiters sind den
Kommissionsbeobachtungen zufolge DolmetscherInnen für SchubhaftinsassInnen in Vordernberg unzureichend verfügbar
und auch an Rechtsberatung fehlt es, obwohl unter den Angehaltenen vielfach Unsicherheit über ihren verfahrensrechtlichen
Status bestehe.
Insgesamt hätten sich überwiegend positive Wahrnehmungen der Anhaltebedingungen in Vordernberg ergeben,
fassen die VolksanwältInnen zusammen, wobei sie als Grund dafür auch die niedrige Auslastung des Anhaltezentrums
vermuten. Befanden sich im Berichtszeitraum nie mehr als 30 Personen im AHZ, wird zu bedenken gegeben, dass bei
einer höheren Belegszahl die Gefahr von Konfliktsituationen und somit Überforderungen und Befugnisüberschreitungen
des Personals teigen.
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