Eisen-Antimonid kann Temperatur- und Spannungsunterschiede ineinander umwandeln. Warum das
in diesem Material so extrem gut klappt, konnten Rechnungen an der TU Wien nun erstmals erklären.
Wien (tu) - Maschinen erzeugen Abwärme, also ungenutzte, verlorene Energie. Mit speziellen Materialien
kann man einen Teil dieser Energie allerdings wieder zurückgewinnen. Sogenannte „Thermoelektrika“ können
Temperaturunterschiede, etwa zwischen einem heißen Motor und der kühlen Umgebungsluft, in elektrische
Energie umwandeln. Auch der umgekehrte Vorgang ist möglich: Mit den passenden Materialien kann man durch elektrischen
Strom Temperaturunterschiede erzeugen und somit einen Kühleffekt erreichen – ganz ohne Kühlflüssigkeit
und Pumpen, wie sie in unseren heutigen Kühlschränken eingebaut sind.
Eisen-Antimonid ist Weltrekordhalter unter den Thermoelektrika, in keinem anderen Material ist die Kopplung von
Elektrizität und Temperaturunterschieden, der thermoelektrische Powerfaktor, so stark. Warum das so ist, war
bisher ein Rätsel – an der TU Wien fand man nun aber die Erklärung: Der extreme thermoelektrische Effekt
in Eisen-Antimonid liegt einerseits in kleinen Unregelmäßigkeiten im Material, und andererseits an kollektiven
Schwingungen der Atome, die die Elektronen mit sich reißen.
Quantensimulationen am Computer
Ob ein Material thermoelektrische Effekte zeigt oder nicht, kann das Team von Prof. Karsten Held am Institut für
Festkörperphysik der TU Wien mit quantenphysikalischen Computersimulationen berechnen. „Nach herkömmlichen
Theorien über Thermoelektrizität müsste der Effekt in Eisen-Antimonid eigentlich viel kleiner sein“,
sagt Jan Tomczak (TU Wien). Man analysierte das Material daher genauer und entdeckte Erstaunliches.
Elektronen können in einem Material nicht völlig beliebige Energien annehmen. Man unterscheidet zwischen
einem niederen Energiebereich, in dem die Elektronen an bestimmte Atome gebunden sind, und Elektronen in einem
höheren Energiebereich, die sich frei bewegen und somit zum elektrischen Strom beitragen können. „Unsere
Berechnungen zeigen, dass kleine Unregelmäßigkeiten im Eisen-Antimonid, etwa zusätzliche Eisen-Atome,
einen Einfluss darauf haben, welche Energien physikalisch erlaubt sind“, erklärt Marco Battiato (TU Wien).
Durch diese Unregelmäßigkeiten entstehen neue erlaubte Zustände in dem Energiebereich, der sonst
verboten wäre.
„Diese Elektronenzustände wiederum haben eine wichtige Eigenschaft“, sagt Karsten Held, „sie koppeln an Vibrationen
der Atome, an sogenannte Phononen. Dort wo es warm ist, sind diese Schwingungen stärker als in kälteren
Bereichen, und dadurch tragen die Vibrationen zum elektrischen Strom bei.“ Man kann sich die Elektronen so ähnlich
vorstellen wie kleine Kugeln, die sich auf einem gespannten Tuch bewegen. Wenn man das Tuch auf einer Seite rüttelt,
nehmen die Kugeln diese Energie auf und bewegen sich auf die andere Seite.
Weiterhin viel zu tun
Für die Rückgewinnung von Energie aus Abwärme ist Eisen-Antimonid nicht gut geeignet, denn besonders
hohe thermoelektrische Eigenschaften zeigt es bei sehr niedrigen Temperaturen. Man könnte es allerdings für
neue Kühl-Technologien nutzen. Ähnliche Mechanismen wie die Entstehung zusätzlicher Energiezustände
und der Elektronentransport durch Schwingungen in Eisen-Antimonid könnten auch in anderen Materialien eine
Rolle spielen – man wird sie in Zukunft bei der Forschung an Thermoelektrika jedenfalls mitberücksichtigen
müssen. Für eine kommerzielle Anwendung muss auch die Wärmeleitfähigkeit reduziert werden,
beispielsweise durch Nanostrukturierung. Demnächst wird das Team genauer untersuchen, welches Ausmaß
an Unregelmäßigkeiten im Material das größte Maß an Thermoelektrizität erzeugt.
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