Erklärung des Bundeskanzlers im Nationalrat
– Quo vadis Europa, Griechenland und Österreich?
Wien (pk) - Die Erklärung des Bundeskanzlers zur Griechenlandkrise in der Sitzung des Nationalrates vom 09.07.
war Auslöser einer äußerst emotional und teilweise lautstark geführten Debatte mit zahlreichen
Zwischenrufen. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten, die auch innerhalb der Koalition deutlich wurden, war eines
klar: Am Sonntag fällt die letzte Entscheidung, ob es zu einem dritten Hilfsprogramm für Griechenland
kommt oder nicht. Sowohl Bundeskanzler Werner Faymann als auch Finanzminister Hans Jörg Schelling ließen
keinen Zweifel daran, dass bis zur letzten Minute verhandelt und um einen Kompromiss gerungen wird, wobei seitens
der Griechen ein glaubwürdiges Programm gefordert wird, das auch das verlorengegangene Vertrauen zu den anderen
18 Euro-Partnern wieder aufbaut. "Am Sonntag ist jener Zeitpunkt, wo selbst jene, die sehr optimistisch sind,
sagen, dies sei die letzte Möglichkeit, für Griechenland eine sogenannte Brückenfinanzierung und
ein neues Hilfsprogramm zu verabschieden", verdeutlichte Faymann die Zuspitzung und Dramatik der Situation.
Faymann: gefordert ist Solidarität und ein glaubwürdiges Programm der Griechen
Bundeskanzler Faymann sieht sowohl die Griechen als auch die anderen 18 Staaten der Eurozone gefordert. Am Zug
seien aber jetzt einmal die Griechen. Sie müssen glaubwürdig und nachvollziehbar darlegen, mit welchen
Weichenstellungen und Gesetzen die Regierung das Land wieder auf einen berechenbaren und stabilen Kurs führen
möchte, auf den auch die Partner vertrauen können. Nur dann sei es für die Europartner möglich,
eine sogenannte Brückenfinanzierung und ein neues Hilfsprogramm zu verabschieden. Der Kanzler appellierte
an die Abgeordneten, sich im Falle eines chancenreichen, glaubwürdigen und realistischen Programms als konstruktive
Kraft auf die Seite der griechischen Bevölkerung zu stellen. Alle seien gemeinsam gefordert, die Chancen zu
ergreifen, so der Kanzler, die EU lebe von Kompromissfähigkeit und dies sei die Voraussetzung, um zu Ergebnissen
zu kommen.
Faymann sparte in diesem Zusammenhang nicht mit Kritik an der bisherigen Vorgangsweise innerhalb der EU, vor allem
aber an Griechenland selbst. Es sei falsch zu behaupten, die Troika habe nur unbrauchbare Vorschläge präsentiert,
sagte Faymann, viele seien gerechtfertigt gewesen und hätten von den Griechen die notwendige Rechtsstaatlichkeit
eingefordert. Griechenland habe es in den letzten Jahren aber verabsäumt, notwendige Maßnahmen wie ein
funktionierendes Steuersystem, die Einführung eines Grundbuchs und die Bekämpfung der Korruption zu setzen.
Die Wirtschaftskrise habe zudem Spekulanten auf den Plan gerufen, die Griechenland in eine zusätzlich schwierige
Situation gebracht haben, was zu einer ausgesprochen prekären Lage geführt habe. Die Verhandlungsführung
der neuen griechischen Regierung bewertete Faymann als nicht förderlich, es sei ein Fehler gewesen, vom Verhandlungstisch
aufzustehen und somit einen Kompromiss zur Fortsetzung des Programms zu verhindern.
Die Fortsetzung des alten Programms wäre laut Faymann um vieles leichter gewesen, als nun ein neues Programm
ins Leben zu rufen. Die griechische Regierung habe mit ihrem Verhalten zur weiteren Zuspitzung der Situation beigetragen:
Banken mussten geschlossen werden, was die ohnehin wirtschaftlich prekäre Lage weiter verschlimmert hat. Für
die Umsetzung eines neuen Programms brauche es zudem technische Zwischenlösungen, zumal es, wie Faymann erläuterte,
rund 40 bis 50 Tage dauern werde, um Details auszuformulieren. Zudem müssten das griechische Parlament sowie
einige nationale Parlamente der Einigung zustimmen. Noch bestehe aber die Chance, den Prozess ernsthaft abzuwickeln,
diese Ernsthaftigkeit habe ihm aber seitens der griechischen Regierung in den letzten Monaten gefehlt.
Um die Dramatik noch deutlicher zu zeichnen, erinnerte der Bundeskanzler an die prekären sozialen Verhältnisse
der griechischen Bevölkerung. 40 % der Menschen hätten keine Krankenversicherung mehr, es gebe eine hohe
Arbeitslosigkeit und die Klein- und Mittelbetriebe sehen kaum mehr eine Perspektive. "Diese Krise ist nicht
die Krise jener, die ihr Geld in der Schweiz oder anderswo in Sicherheit gebracht haben, sondern jener, die sich
am wenigsten wehren können", warb Faymann um Solidarität mit der dortigen Bevölkerung. Die
Krise habe einfach die Falschen getroffen und daher sehe er es als eine Verpflichtung an, die letzte Möglichkeit
zu nutzen, um die griechische Regierung dabei zu unterstützen, Vorschläge zu unterbereiten, die auch
akzeptabel sind. Der Ball liege aber jetzt bei den Griechen, Rechtsstaatlichkeit, funktionierende Finanz- und Steuerbehörden
sowie Korruptions- und Betrugsbekämpfung endlich anzugehen.
Schelling: "Wir wollen, dass strenge Richtlinien herrschen, bevor wir Geld geben"
In gleicher Weise bekräftigte Finanzminister Hans Jörg Schelling mit Nachdruck, dass die Euro-Partner
bereit seien, bis zur letzten Minute am Sonntag zu verhandeln. Dass für eine Lösung aber ein Programm
mit klaren Bedingungen benötigt wird sei unumgänglich. Jedenfalls werde es nach dem Sonntag keine Möglichkeit
mehr für ein Programm geben, stellte er klar. Die Vertrauenskrise sei entstanden, weil die griechische Regierung
Vereinbarungen nicht eingehalten hat.
Schelling widersprach all jenen Kritikern der EU, die in erster Linie eine Austeritätspolitik für die
Misere in Griechenland verantwortlich machen. Das Memorandum aus dem Jahr 2012 sei zu 70 % ein Reformprogramm gewesen
und habe nicht nur aus Sparvorschlägen bestanden. Darüber hinaus habe es Investitionsprogramme gegeben
und Teile der Primärüberschüsse im Budget hätten die Griechen für Investitionen einsetzen
können. Ministerpräsident Tsipras habe die Chance gehabt, die Maßnahmen aus dem Memorandum 2012
durch andere gleichwertige Punkte zu ersetzen. Vier Monate lang seien aber keine Vorschläge gekommen, schilderte
Schelling seine Erfahrungen. Daraufhin seien nach Gesprächen zwischen dem französischen Präsidenten
Hollande, der deutschen Bundeskanzlerin Merkel und Kommissionspräsident Juncker die EU-Institutionen aufgefordert
worden, eine Lösung zu erarbeiten. Bei den Verhandlungen darüber sei man sehr nahe an einer Lösung
gewesen, sagte Schelling, trotzdem sei der griechische Ministerpräsident Tsipras aufgestanden und habe ein
Referendum angesetzt, bei dem über etwas abgestimmt wurde, das nicht mehr existiert hat. Wenn dann nach dem
Ergebnis der Volksabstimmung gleich ein Antrag auf ein drittes Programm kommt, das vorher ausgeschlossen worden
war, sei das Vorgehen jetzt schwierig.
Griechenland wolle nun ein Papier vorlegen, das sogenannte "Prior-Actions" vorsieht, und es sei nun zu
prüfen, wie reformwillig die griechische Regierung tatsächlich ist. Der österreichische Finanzminister
machte klar, dass ein Reformprogramm im Europäischen Rettungsschirm ESM mit einer Laufzeit von 3 Jahren wesentlich
strenger ist als jenes zuvor. "Wir wollen, dass strenge Richtlinien herrschen, bevor wir Geld geben",
so Schelling, "das haben die Griechen beim Poker übersehen."
Der Finanzminister ließ anklingen, dass er einen Schuldenschnitt nicht befürwortet. Er warnte auch vor
einem Grexit, denn das würde für Griechenland kurz- und mittelfristig zu einer Katastrophe führen.
Wenn man das Friedensprojekt Europa fortsetzen wolle und die Partnerschaft ernst nimmt, ist es eine Verpflichtung,
um eine Lösung bis zur letzten Minute zu kämpfen, so das Fazit Schellings.
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Schlagabtausch im Nationalrat über den Umgang mit Griechenland und den wirtschaftspolitischen
Kurs Europas
In der Diskussion über die Erklärung des Bundeskanzlers zur Griechenlandkrise gingen dann die
Wogen hoch. Die Meinungspalette reichte von der Forderung, auf keinen Fall mehr Geld nach Griechenland zu schicken,
bis hin zu Apellen, das solidarische Europa nicht aufs Spiel zu setzen. Dazu gab es jede Menge Schuldzuweisungen
seitens der Opposition an die Regierung, aber auch an die Vorgangsweise der EU. Auch zwischen den Regierungsparteien
kam es zu hitzigen Wortgefechten, nachdem Klubobmann Reinhold Lopatka (V) Bundeskanzler Faymann vorgeworfen hatte,
Alexis Tsipras in Schutz zu nehmen und ihn nicht für die Missstände in Griechenland verantwortlich machen
zu wollen. Für eine teilweise lautstarke und emotional geführte Debatte war damit an diesem Vormittag
gesorgt.
Schieder: Kritisch solidarisch sein
Für eine kritische aber solidarische Vorgangsweise sprach sich Klubobmann Andreas Schieder (S) aus. Das Problem
Griechenland sei lösbar, wenn alle einen Lösungswillen zeigen, sagte er. Schieder forderte angesichts
der sozialen Situation in Griechenland das Ende der "brutalen Kürzungspolitik", mahnte aber zugleich
von der griechischen Regierung ein Programm ein, das zu einer fundamentalen Erneuerung führt. Die radikale
Austeritätspolitik ist Schieder zufolge gescheitert, sie habe eine Spirale nach unten ausgelöst und einen
weiteren Einbruch des Wirtschaftswachstums beschleunigt. Zurückgeblieben sei eine "soziale Verwüstung".
Aus der Krise könne man aber nur "herauswachsen", sagte er.
Schieder ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass Griechenland nun am Zug sei, selbst radikale Schritte zu
setzen, indem man Strukturen ändert, vor allem in die Infrastruktur investiert, die Bürokratie abbaut
und Liberalisierungen dort vornimmt, wo sie notwendig sind. Das habe aber die Troika nicht verlangt, stellte er
kritisch fest, weshalb sich die Eurozone nun fragen müsse, wie sie die Zukunft organisieren will. Schieder
sprach sich für eine koordinierte Steuerpolitik und Steuerverwaltung aus und drängte auf die Abschaffung
der ökonomischen Ungleichgewichte innerhalb Europas. Des SPÖ-Klubobmann appellierte, nun sachlich an
die Dinge heranzugehen und nicht in der Vergangenheit herumzustöbern, und warnte davor, die Aufbauleistung
Europas und der EU nach dem Zweiten Weltkrieg aufs Spiel zu setzen.
Er wurde in dieser Argumentation von Kai Jan Krainer (S) unterstützt, der einen Vergleich der Politik der
USA und der EU zog, die als Antwort auf die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 gewählt wurde. Während
sich die USA in der Krise zuerst auf Wachstum und Beschäftigung konzentriert hätten, habe die EU vor
allem Defizit- und Schuldenabbau betrieben. Dieser Weg habe jedoch nicht das notwendige Wachstum erzeugt, um die
Krise zu überwinden, konstatierte Krainer.
Lopatka: "Wer wie ein Partner behandelt werden will, muss sich wie ein Partner verhalten"
ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka goss mit seiner Kritik an Bundeskanzler Faymann Öl ins Feuer der Diskussion.
Man könne sehr wohl Ministerpräsident Tsipras für die Missstände in Griechenland verantwortlich
machen, sagte er, denn nach einem halben Jahr in Regierungsverantwortung könne man von ihm die Einleitung
von Reformen erwarten. Nichts dergleichen sei aber geschehen. Für Lopatka betreibt Tsipras ein "teuflisches
Spiel". Noch im Dezember sei für Griechenland ein Wirtschaftswachstum von 2,4 % prognostiziert gewesen,
jetzt sei alles vernichtet. Dem griechischen Regierungschef warf Lopatka vor, "sprunghaft, unberechenbar"
und vielleicht auch "inkompetent" zu sein. Die Volksabstimmung hält Lopatka für einen Missbrauch
der direkten Demokratie, denn man habe über etwas abgestimmt, was es nicht mehr gegeben hat. Die Euro-Partnerländer
stünden nun vor der Frage, wie man mit einem Partner umgeht, der vom Konflikt und nicht vom Kompromiss lebt.
Wer aber wie ein Partner behandelt werden will, der müsse sich auch wie ein Partner verhalten, so Lopatka.
Die ÖVP stehe für Solidarität, bekräftigte Lopatka, diese dürfe aber kein Freibrief sein,
die EU sei kein Selbstbedienungsladen. Den Griechen seien bereits 50 Mrd. € erlassen und die Zinsen erstreckt worden,
so der ÖVP-Klubobmann. Niemand wolle die Griechen aus der Euro-Zone vertreiben, aber Griechenland müsse
seine Hausaufgaben machen. Er hoffe daher, dass die RegierungschefInnen kühlen Kopf bewahren und Österreich
auf der richtigen Seite stehe, womit Lopatka die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel meinte.
Ohne eigene Reformanstrengungen Griechenlands werde es nicht möglich sein, dem Land zu helfen, ist auch Gabriele
Tamandl (V) überzeugt. Die griechische Regierung müsse ihre Hausaufgaben erledigen. Weitere Verhandlungen
seien daher nur sinnvoll, wenn dabei ein Reformpaket vereinbart wird, das auch umgesetzt wird, meinte Tamandl.
Nach Meinung von Angelika Winzig (V) hat Griechenland mit dem Nein zum Hilfsprogramm wieder einmal überfällige
Reformen verweigert. Sie sah daher ebenfalls eine Bringschuld Griechenlands in der Umsetzung von Maßnahmen.
Widerspruch bei der SPÖ
Die Ausführungen des ÖVP-Klubobmanns provozierten Josef Cap seitens der SPÖ zu einem heftigen Widerspruch.
Tsipras habe es geschafft, ein Verhandlungspouvoir zu erhalten, konstatierte er. Nicht Tsipras sei verantwortlich
für die Misere, sondern konservative Vorgängerregierungen mit ihrem korrupten System, denen die Konservativen
in Europa zugeschaut hätten. Als wirklichen Zauderer in Europa hält Cap Angela Merkel und ließ
damit erkennen, dass sich Österreich nicht, wie Lopatka es vorgeschlagen hatte, an deren Kurs halten sollte.
Auch Kai Jan Krainer (S) wandte sich dezidiert gegen die Darstellung Lopatkas und betonte, nicht die derzeitige
Regierung sei am Reformstau schuld, diesen hätten vielmehr bereits die konservativen Vorgängerregierungen
verursacht.
Strache: Österreich hat genug gezahlt, die ÖsterreicherInnen sind bei einer Einigung mit Griechenland
zu befragen
Es sei völlig absurd, der griechischen Tragödie einen weiteren Akt hinzuzufügen, bekräftigte
FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache seine Ablehnung weiterer Hilfsprogramme. Aus der jetzigen Situation
keine Konsequenzen zu ziehen, wäre grob fahrlässig, so Strache. Er übte in diesem Zusammenhang scharfe
Kritik an Bundeskanzler Werner Faymann, der seiner Meinung nach völlig handlungsunfähig agiere. Für
Strache ist die einzige logische Konsequenz aus dem Referendum der Grexit, diesen bezeichnete er auch für
die Währungsunion und für die Griechen selbst als die beste Lösung. Griechenland habe sich in den
Euro hineingeschwindelt und als Vertreter der österreichischen SteuerzahlerInnen könne man es nicht verantworten,
fortgesetzt Gelder hineinzupumpen, ohne ein Ende zu sehen.
Österreich habe schließlich mit rund 11 Mrd. €, Investitionen miteingerechnet, genug gezahlt. Das Geld
sei nicht bei der Bevölkerung angekommen, so Strache, der in der Folge heftige Kritik an der Konstruktion
des Euro und am ESM übte. Da alle bisherigen Versprechungen der Bundesregierung in Hinblick auf die Abwicklung
der Griechenlandkredite danebengelegen seien, sieht Strache nun keine Legitimation mehr über weitere Hilfen
zu entscheiden. Strache forderte daher auch im Falle einer Einigung zwischen Gläubigern und Griechenland,
das österreichische Volk darüber zu befragen.
Er habe bereits vor dem ersten Hilfspaket für Griechenland darauf hingewiesen, dass hier ein völlig falscher
Weg eingeschlagen werde, assistierte Bernhard Themessl (F) seinem Klubobmann. Seine Forderung eines Ausstiegs Griechenlands
aus dem Euro habe man damals mit der Aussage abgetan, dieser würde 300 Mrd. € kosten. Nun seien bereits mehr
als diese Summe in Hilfspakete geflossen, ohne dass sich die Situation irgendwie gebessert hätte. Daher schloss
Themessl, dass nur ein Grexit Griechenland wieder auf einen Wachstumskurs führen kann.
Dietrich: Die Entscheidung der Griechen ist zu akzeptieren
In die gleiche Kerbe schlug die Klubobfrau des Team Stronach Waltraud Dietrich. Ein Kompromiss könne nicht
so aussehen, dass einer zahlt und die anderen verbrauchen. Vielmehr müsse man ein faires System etablieren,
wo jeder seinen Beitrag leistet. Dietrich sprach sich dafür aus, das Votum der Griechen ernst zu nehmen. Da
sie sich gegen Reformen und einen Sparkurs ausgesprochen haben, könnten sie nicht die Forderung nach Weiterverhandlungen
stellen und im Euro bleiben, so das Fazit Dietrichs. Schließlich sei die Troika nicht schuld an korrupten
griechischen Regierungen, an einer schlechten Steuermoral und am Fehlen eines Grundbuchs.
Grundsätzlich sprach sich Dietrich dafür aus, jedem Land seinen Euro zu geben und daneben eine Verrechnungseinheit
einzuführen. Sie lehnte auch vehement eine Transferunion und eine Fiskalunion ab.
Ebenso wenig Verständnis zeigten Rouven Ertlschweiger (T) Robert Lugar (T) für die Griechen. Ertlschweiger
sprach sich klar dafür aus, keine weiteren Zahlungen für ein Staatswesen zu leisten, das nicht im Stande
sei, die ausstehenden Steuerschulden einzutreiben. Im Falle des Falles sollte man humanitäre Hilfe leisten,
meinte er. Auch die griechische Regierung müsse sich dem europäischen Gedanken gegenüber solidarisch
zeigen und ihre Hausaufgaben erledigen, befand Ertschweiger. Lugar zeigte sich überzeugt davon, dass die griechische
Bevölkerung sich sehr wohl selbst helfen könnte. Die ausständigen Steuern betrügen 70 Mrd.
€, rechnete er vor, damit könnte das Land bis 2018 die Schulden aus eigener Kraft leicht bedienen. Wenn der
griechische Staat sich aber nicht willens zeige, die notwendigen Reformen anzugehen, dann seien die SteuerzahlerInnen
der anderen Länder Europas nicht mehr bereit, weiter für Griechenland zu zahlen.
Warnung vor einem Grexit
Dem Ruf nach einem "Grexit" hielt Christoph Matznetter (S) entgegen, dass dieser keine Erleichterung
bringen, sondern die Situation nur verschärfen würde. Eine radikal abgewertete Drachme würde die
Staatschuld sofort zumindest verdoppeln. Was die Euro-Zone vielmehr brauche, sei ein System des Ausgleichs der
unterschiedlichen Wertschöpfung in den Mitgliedsstaaten. Matznetter verglich dies mit dem System des österreichischen
Finanzausgleichs und forderte eine Strukturreform der Euro-Zone.
Auch Josef Cap (S) sprach sich für ein Wachstumsprogramm für Griechenland aus und warnte die Befürworter
von Grexit und einer Griechenlandpleite als teuerste Lösung. Für Cap ist ein Politikwechsel in der EU
notwendig, denn bisher habe man seiner Meinung nach in der EU auf falsche Prognosen gesetzt, was durch das Chaos
im Währungsfonds, verantwortet von Christine Legarde, verschärft worden sei. "Ich will ein starkes
Europa, damit man auf Augenhöhe mit den anderen agieren kann", so Cap, dafür lohne es sich zu kämpfen.
Kogler: Wir brauchen eine Union der Solidarität, der Kooperation und der Kompromisse
"Jetzt geht es wirklich um etwas, es muss etwas Nachhaltiges passieren", fasste Werner Kogler (G) seine
Sicht der Dinge zusammen und warf allen Verhandlungspartnern ein verantwortungsloses Pokern in den letzten Wochen
vor.
Kogler räumte ein, dass sich die griechische Seite nicht kooperativ gezeigt hat, gleichzeitig stellte er aber
auch die Vermutung an, seitens der Euroländer sei man absichtlich streng vorgegangen, um einen Erfolg der
gewählten griechischen Regierung vor dem Urnengang in Spanien zu vermeiden. Die Schuld sah Kogler vor allem
in den Vorgängerregierungen, die er als korrupt bis zu den Bürgermeistern bezeichnete. Diese Regierungen
seien aber von den europäischen Partnern hofiert worden. Die günstigen Kredite hätten europäischen
Banken und der Rüstungsindustrie große Geschäfte ermöglicht, obwohl bereits 2011 das Land
pleite gewesen sei. "Sie haben die Falschen gefüttert und alimentiert", rief Kogler in Richtung
SPÖ und ÖVP, und nun sei ein Schuldenschnitt unumgänglich, für den die europäischen SteuerzahlerInnen
herhalten müssen.
Kogler ist überzeugt davon, dass die "Zwangstherapie der Troika" dazu geführt habe, dass die
Griechen noch kränker geworden seien. Deshalb müsse man die Therapie ändern, sagte Kogler und drängte
mit Vehemenz auf eine wirtschaftspolitische Wende. Ein zentraler Punkt dabei sei die Schuldentragfähigkeit.
Damit müsse aber auch ein Reformprogramm der Griechen selbst verbunden sein, stellte Kogler notwendige Bedingungen
der Geldgeber außer Frage. Neben einem Grundstückkataster hält er die Repatriierung der im Ausland
gebunkerten geschätzten 200 bis 300 Mrd. € ebenso für notwendig wie eine Neuorganisation des Steuersystems
und des Staatswesens. Den Griechen müsse aber Luft zum Atmen bleiben, sagte er.
Aus der Sicht von Bruno Rossmann (G) kann nur die Hinwendung zu einer sozialen und ökologischen Kriterien
orientierten Politik einen Ausweg eröffnen. Rossmann forderte ein Ende des "Spardiktats", das von
der europäischen Wirtschaftspolitik quasi zum Dogma erhoben worden sei. Die EU habe nun die Chance für
einen Kurswechsel hin zu einem sozial-ökologischen Wachstumsmodell für ganz Europa. Das bedeute die Hinwendung
zum klassischen Wohlfahrtsstaat, von dem sich die EU verabschiedet habe, meinte Rossmann. Er forderte in diesem
Sinne den Bundeskanzler auf, sich beim Ratstreffen in Brüssel kommenden Sonntag dafür einzusetzen.
Strolz: Solidarität gegen Reformen
Einen ähnlichen Ansatz ließ Matthias Strolz seitens der NEOS erkennen. "Es geht in diesen Tagen
um Europa", zeichnete er die Gesamtsituation. Die NEOS könnten nicht akzeptieren, das europäische
Projekt an Griechenland scheitern zu lassen. "Entweder organisieren wir ein gemeinsames Europa oder wir werden
alle absteigen", konterte er in Richtung FPÖ. Strolz ortete ein Managementversagen auf breiter Ebene
und warf ebenfalls SPÖ und ÖVP vor, den korrupten Vorgängerregierungen in Griechenland nichts entgegengesetzt
zu haben, weil eben Schwesterparteien an der Macht gewesen seien. Er konnte aber auch keine Verhandlungsposition
der EU in den letzten sechs Monaten erkennen.
Strolz forderte daher, Solidarität im Gegenzug zu Reformen zu zeigen, die er mit einem 6-Punkte-Plan umschrieb,
wobei er einen Schuldenschnitt für unumgänglich hielt. Ihm zufolge muss Ministerpräsident Tsipras
die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhöhen, denn viele Teile seien von Planwirtschaft und Korruption
gekennzeichnet. Er forderte ein modernes Steuersystem und eine moderne Verwaltung sowie ein entschlossenes Einbinden
der Steuerflüchtlinge und Oligarchen. Weiters hält er Privatisierungen und die Reduzierung der Militärausgaben
für notwendig. Als letzten Punkt nannte Strolz ein entschlossenes Zurückdrängen der Korruption durch
klare Gesetzgebung. Wenn das zugesagt werde, dann müsse Österreich solidarisch sein, betonte Strolz.
Für Rainer Hable (N) liegt das Grundproblem Griechenlands darin, dass die Chance der Euro-Einführung
nicht genutzt wurde, um die staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen zu modernisieren. Vielmehr hätten
erst der staatliche und dann der private Sektor sich aufgrund der niedrigen Zinsen hoch verschuldet, ohne dass
dabei Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit gestiegen wären. Durch die Hilfspakete habe in den
letzten Jahren eine Verschiebung der Schulden Griechenlands von privaten zu öffentlichen Gläubigern und
damit hin zu den europäischen SteuerzahlerInnen stattgefunden. Seiner Ansicht nach war dies ein Fehler. Für
Hable führt kein Weg an Strukturreformen vorbei, die Antworten müssten aber aus Athen kommen.
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