Fragestunde zu aktuellen Reformvorhaben und Maßnahmen im Justizbereich
Wien (pk) - Mit einer umfangreichen Themenpalette sah sich Justizminister Wolfgang Brandstetter am 09.07.
in der Fragestunde des Nationalrats konfrontiert, die von den Personalproblemen im Strafvollzug bis hin zum geplanten
Instrument der Sammelklage reichte. Der Ressortchef informierte die Abgeordneten ausführlich über aktuelle
Vorhaben und legistische Weiterentwicklungen wie z.B. im Erbrecht und kündigte an, dass sich aufgrund der
kompletten Neuordnung des Strafvollzugs in Hinkunft sehr viel ändern werde.
Sukzessive Aufstockung des Personals im Strafvollzug gewährleistet
Gegenüber dem FPÖ-Mandatar Christian Lausch wies der Minister darauf hin, dass die für sein Ressort
vorgesehenen zusätzlichen 100 Planstellen bald besetzt werden. Da der Beruf des Justizwachebeamten eine fundierte
Ausbildung erfordere, konnten bis dato erst 27 Personen zugewiesen werden. Die Aufstockung des Personals werde
aber kontinuierlich weitergehen, wobei natürlich jene Bereiche vorrangig behandelt werden, wo es den dringendsten
Bedarf gibt. Sehr gut bewährt habe sich auch das Mobilitätsprogramm des Bundes, konstatierte Brandstetter,
von Seiten des Verteidigungsressorts werden nun sogar zusätzliche 30 Personen bereit gestellt. Generell versicherte
er dem Fragesteller, dass sich mit der kompletten Neuorientierung des Strafvollzugs, die u.a. die Einrichtung einer
Generaldirektion beinhaltet, sehr viel ändern werde; dies sei auch notwendig.
Notwendige Modernisierungen im Strafrecht und bei Sexualdelikten
Erfreut zeigte sich Brandstetter über die vorgestern beschlossene Reform des Strafrechts (siehe Parlamentskorrespondenz
Nr. 789) und stimmte mit Abgeordneter Eva-Maria Himmelbauer (V) darin überein, dass die Balance der Strafrahmen
zwischen Vermögensdelikten und Delikten gegen Leib und Leben verbessert werden konnte. Darin enthalten sei
u.a. der neue Tatbestand Cyber-Mobbing, mit dem ein wichtiges Signal gesetzt wurde.
Die von Nikolaus Scherak (N) angesprochene Studie der Uni Ulm aus 2011 betreffend die mangelnde Qualität von
Gutachten zur Zurechnungsfähigkeit und Gefährlichkeitsprognose von Sexualstraftätern nehme sein
Ressort sehr ernst, erklärte der Justizminister. Er räumte auch ein, dass es im Bereich der Sachverständigen
und deren Bestellung wirklich Probleme gibt, die es zu lösen gilt. Als erster wichtiger Schritt wurde in der
neuen Generaldirektion eine eigene Kompetenzstelle für Maßnahmenvollzug geschaffen, um diesem Thema
mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ansetzen müsse man auch bei der Qualitätskontrolle von richterlichen Gutachten,
pflichtete der Minister dem Abgeordneten Albert Steinhauser (G) bei, hier wurden schon erste Maßnahmen eingeleitet.
Die angestrebte maßvolle Erhöhung der Vergütungen für die Sachverständigen konnte leider
noch nicht umgesetzt werden.
Im Hinblick auf eine Frage von Christoph Hagen (T) zum Thema "Po-Grapschen" stellte Brandstetter grundsätzlich
fest, dass die beschlossene Verschärfung des Sexualstrafrechts sehr sinnvoll ist. Richtig sei jedoch, dass
die Frage, wie man die notwendige Erweiterung des Tatbestands sexuelle Belästigung konkret ausformulieren
soll, nicht einfach zu beantworten war. Es wurde dann im Konsens eine gute Lösung gefunden, die einerseits
die rechtstaatlichen Anforderungen erfüllt und andererseits das kriminalpolitisch sehr wohl sinnvolle Anliegen
entsprechend umsetzt, war der Minister überzeugt. Er glaube auch nicht, dass der neue Tatbestand in der praktischen
Vollziehung Schwierigkeiten machen wird.
Ebenso wie die Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) hielt es der Minister für wichtig, dass bei Wegweisungen
nach dem Gewaltschutzgesetz die Täterarbeit forciert und die Zusammenarbeit mit anderen Behörden optimiert
werden müsse. Die Innenministerin habe bereits zu einem runden Tisch eingeladen, wo es um die weitere Verbesserung
der bestehenden Vernetzung zwischen den Ressorts und den jeweiligen Kompetenzträgern gehen soll.
Erbrechtsreform sichert Weiterbestand von Betrieben
Der Minister informierte die MandatarInnen über die zentralen Inhalte der Erbrechtsform (Parlamentskorrespondenz
Nr. 787), wie etwa die Beseitigung des Pflichtteilsrechts für die Vorfahren oder die Stärkung des Ehegattenrechts.
Außerdem wurde im Sinne des Erhalts von wirtschaftlichen Einheiten (Kleinunternehmen, Familienbetriebe etc.)
die Möglichkeit zur Stundung von Pflichtteilsansprüchen geschaffen. Ein echtes Novum stellt die Berücksichtigung
von Pflegeleistungen von Verwandten dar, hob der Minister hervor.
Instrument der Sammelklage soll noch in dieser Legislaturperiode kommen
Justizminister Wolfgang Brandstetter stimmte mit Johannes Jarolim (S) überein, dass das Instrument der Sammelklage
so bald wie möglich umgesetzt werden sollte. Es müsse eine vernünftige Lösung für die
Massenverfahren gefunden werden, da die Belastung der Richterschaft in diesem Bereich bereits sehr hoch sei. Auch
wenn es derzeit keine Einigung gibt, zeigte sich der Minister optimistisch, dass noch in der laufenden Gesetzgebungsperiode
ein Entwurf eingebracht wird.
Brandstetter wünscht sich Modernisierung des Mietrechts
Den Abgeordneten Albert Steinhauser (G) und Philipp Schrangl (F) gegenüber, die auf die stark gestiegenen
Mietpreise in den letzten Jahren hinwiesen, gab Brandstetter zu bedenken, dass sein Ressort nur für die zivilrechtlichen
Fragen in diesem Bereich zuständig ist. Außerdem müsse zunächst ein politischer Grundkonsens
gefunden werden, um weitere Reformschritte setzen zu können. Eine Modernisierung und Vereinheitlichung des
Mietrechts sei aus seiner Sicht aber dringend notwendig.
Minister sieht Verbesserungsbedarf bei der Frage der Sachwalterschaft
Brandstetter teilte die Ansicht der Abgeordneten Gertrude Aubauer (V), dass es vermutlich in zu vielen Fällen
zu einer Besachwalterung von Personen komme. Sein Ressort überlege ernsthaft, die Möglichkeiten im Bereich
der Angehörigenvertretung zu erweitern und bei der Vorsorgevollmacht etwas zu tun. Außerdem gibt es
seit März 2014 ein Modellprojekt mit Titel "Unterstützung zur Selbstbestimmung", zeigte der
Minister auf.
Schließlich ging der Minister noch auf die von ÖVP-Mandatar Friedrich Ofenauer angesprochene Whistleblower-Homepage
ein, die bisher im Probebetrieb gelaufen ist. Da sich das System sehr bewährt habe, wurde es nun in den Regelbetrieb
übernommen; die entsprechende gesetzliche Grundlage wurde durch eine Änderung des Staatsanwaltschaftsgesetzes
geschaffen.
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