Nationalrat billigt Abkommen mit Ukraine, Georgien, Moldawien, Bulgarien und Frankreich
Wien (pk) - Die Europäische Union will stärker mit den osteuropäischen Ländern Ukraine,
Georgien und Moldawien kooperieren und schlägt dazu eine Ausweitung der bisherigen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
vor. Die entsprechenden Assoziierungsabkommen ( 579, 580, 581 d.B.) billigte der Nationalrat am 08.07. mehrheitlich.
Damit werde die Basis gelegt für rechtsstaatliche Weiterentwicklung in den Partnerländern, ohne deren
wichtigen Kontakt mit Russland zu untergraben, betonte Außenminister Sebastian Kurz. Das Blockdenken in Europa
müsse ein Ende haben, gerade angesichts der besorgniserregenden Entwicklung im Ukraine-Konflikt. Ausgerichtet
sind die Abkommen vor allem auf handelsbezogene Bereiche wie Gesundheits- und Pflanzenschutznormen, Rechte an geistigem
Eigentum oder öffentliche Auftragsvergabe. Die Grünen nahmen die Vereinbarung mit der Ukraine zum Anlass
für einen eigenen Antrag auf Umsetzung des Friedensabkommens von Minsk, der unterstützt von SPÖ
und ÖVP im Plenum auf einhellige Zustimmung stieß.
Mit breiter Mehrheit nahmen die Abgeordneten ein bilaterales Abkommen zwischen Österreich und Bulgarien an,
das die Zusammenarbeit im Bildungsbereich sowie auf dem Gebiet von Kunst und Kultur erweitert. Davon umfasst sind
der Austausch von ExpertInnen im Bildungsbereich, Aktivitäten und Initiativen zur Ausbildung von LehrerInnen,
Fortbildungsmaßnahmen bei Deutsch als Fremdsprache, ein verstärkter Erfahrungsaustausch von KünstlerInnen
sowie die Kooperation bei Denkmalschutz und Museen. Ein weiteres bilaterales Abkommen, das die Nationalratsmehrheit
verabschiedete, ermöglicht es dem österreichischen Bundesheer künftig, Ausbildungen und Übungen
im Dschungel von Französisch-Guyana abzuhalten.
Abkommen sollen zur Stabilisierung der Region beitragen
Die Abkommen zur engeren politischen und wirtschaftlichen Kooperation mit der Ukraine, Georgien und Moldawien dürften
nicht als "entweder-oder-Entscheidung" zwischen der EU und Russland gesehen werden, hielt Außenminister
Kurz fest. Vielmehr böten sie mit einer klaren Entwicklungsagenda für die Region eine Motivation, den
Reformbedarf zu erkennen und Verbesserungen etwa bei Rechtsprechung, Grenzschutz sowie Forschung und Bildung herbeizuführen.
Gerade weil sich laut Berichten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) der Konflikt
in der Ost-Ukraine verschlimmere, sei der Kontakt mit Russland aufrechtzuerhalten, so Kurz, der hinsichtlich der
Umsetzung des Minsker Friedensabkommens die Rolle des neuen OSZE-Chefverhandlers Martin Sajdik hervorhob.
Auf die Friedensvereinbarung von Minsk, die Ukraine und Russland getroffen haben, fokussierte auch Tanja Windbüchler-Souschill
(G) in ihrem Redebeitrag. Angesichts der permanenten Gefechte zwischen den Konfliktparteien sei das Waffenstillstandsabkommen
weit davon entfernt, umgesetzt zu werden, so die Grünen-Außenpolitiksprecherin. Außenminister
Kurz müsse daher alles tun, um auf die Einhaltung des Minsker Abkommens im Sinne eines beiderseitigen Waffenstillstands
hinzuwirken, plädierte sie anhand des von ihrer Fraktion gemeinsam mit SPÖ und ÖVP eingebrachten
Entschließungsantrags. Außerdem seien auch der Abschluss des Verfassungsprozesses einschließlich
Dezentralisierung und die Sicherstellung humanitärer Hilfe für die BewohnerInnen der ostukrainischen
Verwaltungsbezirke Donezk und Lugansk essentiell. Um Sicherheit und Stabilität in der Ukraine zu gewährleisten,
wird im Antrag eine für verstärkte Mitwirkung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa (OSZE) Position bezogen, etwa bei der Durchführung von Lokalwahlen.
Die Normalisierung des Verhältnisses der EU zu Russland ist in den Augen von Josef Cap (S) von enormer geopolitischer
Bedeutung, mit Hinweis auf die Konflikte in Syrien oder Nordafrika. Die Frage EU oder Eurasische Union dürfe
sich daher nicht stellen, sollten doch die Abkommen mit der Ukraine, Georgien und Moldawien vor allem die wirtschaftlichen
und sozialen Gegebenheiten dieser Länder soweit verbessern, dass den Menschen ein Verbleib in ihrer Heimat
möglich wird. Durch die verbindlichen Bestimmungen zur schrittweisen Angleichung der jeweiligen nationalen
Rechtsvorschriften an die europäischen Standards wolle die EU mit den Abkommen eine Perspektive für den
Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eröffnen, auch im Hinblick auf eine geplante Freihandelszone, umriss
Caps Parteikollege Anton Heinzl den Inhalt der Abkommen. Als Vizepräsident der Österreichisch-Moldawischen
Gesellschaft äußerte er zudem die Hoffnung, die Vereinbarungen mit der EU würden den pro-europäischen
und pro-demokratischen Kräften Moldawiens "den Rücken stärken". Nach Ansicht Hannes Weningers
(S) bilden die Abkommen einen "Schritt in Richtung gemeinsames Haus Europa", wobei er betonte, die Nachbarschaftspolitik
der EU sei nie gegen einzelne Staaten gerichtet. Er spielte damit auf Befürchtungen seitens der FPÖ und
des Team Stronach an, die Abkommen würden Russland vor den Kopf stoßen. Konkret in der Ukraine sei nicht
das 2014 unterzeichnete Assoziierungsabkommen mit der EU Auslöser des Konflikts gewesen, sondern vielmehr
die Proteste der ukrainischen Bevölkerung.
Um ein "gedeihliches Miteinander in der Region" zu fördern, sei das Freihandelsabkommen mit der
Ukraine bis Ende dieses Jahres ausgesetzt, unterstrich Claudia Durchschlag (V), wertete jedoch besonders in Bezug
auf Stabilität und Sicherheit die Zusammenarbeit mit der Region als bedeutend. So sei die Nicht-Verbreitung
von Massenvernichtungswaffen ein entscheidender Punkt in den heute behandelten Abkommen. Besonders die Ukraine,
die anders als die anderen Vertragsstaaten unter kriegerischen Auseinandersetzungen leide, benötige vor diesem
Hintergrund Unterstützung beim wirtschaftlichen Aufschwung.
Auf klare Ablehnung stießen die Abkommen hingegen bei FPÖ und Team Stronach. Ständige Konflikte
prägten die neuen EU-Partnerstaaten Ukraine, Georgien und Moldawien, sagte Johannes Hübner (F). Die Russische
Föderation sei hier stark involviert und würde eine Annährung zur Europäischen Union als "Kriegsgrund"
erachten. Immerhin sei auch das Abkommen mit der Ukraine mit der EU Hauptgrund für den jetzigen Konflikt dort
gewesen. Überdies befänden sich die drei Länder in einer äußerst schlechten wirtschaftlichen
Lage, wodurch vermehrte Zuwanderungsbewegungen von dort vorhersehbar seien, prognostizierte der Freiheitliche ähnlich
wie Jessi Lintl, für die angesichts der angespannten Wirtschaftssituation in der EU eine Umsetzung der Abkommen
nicht anzudenken ist. Man schaffe durch Erleichterungen bei der Zuwanderung und zur Visa-Ausstellung nur Anreize
für steigende illegale Einreisen, da Reformen in den fraglichen Ländern kaum zu erwarten seien. Überdies
stellten die Abkommen für Russland eine weitere "Brüskierung" dar, warnte die Team Stronach-Politikerin.
Differenzen im Nationalrat über Kompetenzen des Bundesheeres
Während die verstärkte Zusammenarbeit Österreichs mit Bulgarien von allen RednerInnen dieses Debattenteils
als – nach den Worten Angela Fichtingers (V) – wichtiger Beitrag zum kulturellen und intellektuellen Austausch
verstanden wurde, hagelte es bei der Vereinbarung für Dschungeltrainings des österreichischen Bundesheeres
Kritik seitens der Opposition – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
FPÖ-Mandatar Wendelin Mölzer wetterte, angesichts der prekären Budgetlage des Heeres seien Ausbildungen
österreichischer Soldatinnen und Soldaten in Französisch-Guyana unfinanzierbar. Vielmehr habe das Bundesheer
sich auf seine Kernkompetenzen wie die Ausbildung im Gebirge zu konzentrieren. Grünen-Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill
(G) wiederum mahnte, zentrale Aufgabe des Bundesheeres seien Friedensmissionen und humanitäre Hilfe; Einsätze
im Dschungel oder in der Wüste lehne sie deswegen grundsätzlich ab. Fichtinger verwies in diesem Zusammenhang
darauf, der Staatsvertrag mit Frankreich schaffe lediglich die rechtliche Möglichkeit einer Teilnahme an Ausbildungen
in nicht-heimischen Klimaregionen.
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