Außerdem: Selbstbestimmungsrecht Südtirols weiterhin auf der Agenda des Nationalrats
Wien (pk) – Wieweit das Selbstbestimmungsrecht Südtirols realisiert ist, war am 08.07. Thema der außenpolitischen
Debatte im Nationalrat. Einen diesbezüglichen Antrag der FPÖ lehnte die Plenumsmehrheit zwar ab, mehrheitlich
nahmen die Abgeordneten aber die Ausschussentschließung an, die heimische Außenpolitik möge die
Weiterentwicklung der Südtiroler Autonomie unterstützen. Einstimmig verabschiedeten die Abgeordneten
zudem auf Basis einer Grünen- Forderung die Entschließung, Österreich soll gegenüber dem Iran
in Menschenrechtsfragen eine aktive Rolle spielen. Die Freiheitlichen nahmen dies zum Anlass, gemeinsam mit den
Regierungsfraktionen gegen die Hinrichtung politischer Gefangener in Ägypten und für ein Moratorium zur
Abschaffung der Todesstrafe in dem nordafrikanischen Land aufzutreten. Diese Willensbekundung erhielt ebenfalls
einhelligen Zuspruch.
Außenminister Sebastian Kurz nutzte die Gelegenheit, die derzeit in Wien laufenden Atomverhandlungen zwischen
den USA und dem Iran anzusprechen: "Nach 40 Jahren Eiszeit und 12 Jahren Verhandlung gibt es jetzt eine Chance
auf Lösung". Eine Einigung werde maßgeblich zur Verbesserung der Menschenrechtslage im Iran beitragen.
Unterstützung für Selbstbestimmungsrecht Südtirols
Mit einer von SPÖ, ÖVP und NEOS initiierten Entschließung hatte der außenpolitische Ausschuss
im Vorfeld der heutigen Sitzung auf eine Forderung der Freiheitlichen reagiert. Außenminister Sebastian Kurz
wird darin aufgefordert, seine Politik an der österreichischen Schutzfunktion für Südtirol zu orientieren,
um die Autonomie der Provinz im Norden Italiens gemäß dem Pariser Vertrag von 1946 zu unterstützen
und weiterzuentwickeln. Maßgeblich seien dazu die Grundprinzipien des Selbstbestimmungsrechts gemäß
Art. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte.
FPÖ-Abgeordneter Werner Neubauer gibt sich damit aber nicht zufrieden. Irritiert reagierte der Südtirol-Sprecher
der Freiheitlichen auf die Auslegungen des Rechts auf Selbstbestimmung durch die Bundesregierung; nach seiner Lesart
wird "das Südtiroler Selbstbestimmungsrecht durch laufende autonome Landesverwaltung verwirklicht".
Diese Haltung stehe völkerrechtlichen Prinzipien entgegen und trage auch dem Willen der Südtiroler und
Südtirolerinnen nicht Rechnung, kritisierte Neubauer: "Autonomie ist nicht mit Selbstbestimmung gleichzusetzen!".
Die Regierung dürfe nicht die völlige Einvernahme Südtirols durch Italien fördern, etwa in
der Frage, ob SüdtirolerInnen eine österreichisch-italienische Doppelstaatsbürgerschaft endlich
zugestanden wird, sondern müsse Österreichs Schutzrolle gerecht werden. Christoph Hagen (T) zog nach,
bis heute sei das in den Pariser Verträgen zugesagte Selbstbestimmungsrecht Südtirols nicht vollzogen,
Österreich habe daher die Pflicht, seine Schutzfunktion wahrzunehmen.
Zu beruhigen versuchten wiederum Hermann Gahr (V) und Hermann Krist (S). Der ÖVP-Mandatar wies auf den ständigen
Kontakt hin, den Außenminister Kurz mit der Südtiroler Landesregierung pflege, um das "einzigartige
Modell" der autonomen Gesetzgebung und Verwaltung in Südtirol weiterzuentwickeln – gerade im Kontext
der Europäischen Union. Für den Sozialdemokraten nimmt Österreich seine Schutzfunktion gegenüber
Südtirol "verantwortungsvoll und im Dialog mit den Nachbarn" wahr, sowohl seitens der Regierung,
als auch auf parlamentarischer Ebene. Ungeachtet dessen, räumte Krist ein, brauche es für eine vollwertige
Autonomie in Südtirol auch das Recht auf eine eigenständige Gewerkschaftsvertretung.
Die faktische Ausgestaltung einer Doppelstaatsbürgerschaft von SüdtirolerInnen, wie von der FPÖ
verlangt, hinterfragte Tanja Windbüchler-Souschill (G). Immerhin sei nicht klar definiert, welche Personen
in Südtirol tatsächlich Anspruch darauf hätten – letztlich sollte diese Sache in einem geeinten
Europa aber hinfällig sein, so die Grünen-Sprecherin. Ihr Fraktionskollege Harald Walser mahnte generell
davor, durch emotionale Debatten in der Südtirol-Frage Konfrontationen heraufzubeschwören, die einem
friedlichen Zusammenleben zuwiderlaufen.
Protest gegen Menschenrechtsverletzungen im Iran und in Ägypten
Dem Vorstoß der Grünen, wonach die Regierung gegenüber dem Iran im Sinne der Menschenrechte stärker
aktiv werden soll, konnte das Plenum einiges abgewinnen. Allerdings habe der Grünen-Antrag betreffend Wahrung
der Menschen- und Minderheitenrechte im Iran auf die Unterdrückung und Verfolgung iranischer Frauen, die demokratische
Rechte einfordern, nicht ausreichend Bezug genommen, erklärte Dorothea Schittenhelm (V) die Übersetzung
der Anliegen in einen vom Ausschuss angenommenen SPÖ-ÖVP-Antrag.
Tanja Windbüchler-Souschill (G) und Nikolaus Scherak (N) konnten diese Darstellung zwar nicht nachvollziehen,
äußerten aber dennoch ihre Zustimmung zur vorliegenden Ausschussentschließung, sei sie doch ein
"erster Schritt", Anstrengungen für den Schutz der Menschenrechte im Iran zu unternehmen, so die
Grünen-Außenpolitiksprecherin. Tatsächlich sei die Situation dort menschenrechtlich katastrophal,
das sei zu sehen an der steigenden Zahl an Hinrichtung, besonders auch aus politischen Gründen, dem Verbot
von Meinungs- und Versammlungsfreiheit und der Entrechtung von Frauen, sagte sie unisono mit Gisela Wurm (S). Von
Scherak darauf angesprochen, dass im Antrag der Regierungsfraktionen der Appell gegen die Todesstrafe fehle, meinte
Wurm, die Todesstrafe sei überall abzulehnen. Auch in den USA gebe es immer noch Exekutionen, erinnerte Josef
Cap (S), angesichts der Atomgespräche mit dem Iran in Wien dürfe nun keine neuerliche Blockade für
eine Übereinkunft aufgebaut werden. Im Interesse aller sei der Iran als Bündnispartner zu definieren,
nicht zuletzt im Kampf gegen die Terrormiliz IS.
Religiöse Intoleranz als Fundament für Extremismus beschrieb Andreas F. Karlsböck (F) anhand des
Beispiels eines im Iran aus Glaubensgründen inhaftierten christlichen Seelsorgers und rief den Außenminister
auf, er möge im Zuge der Atomgespräche auf die Freilassung des Pastors hinwirken.
Für FPÖ-Außenpolitiksprecher Johannes Hübner geht der Menschenrechtsappell an den Iran aber
nicht weit genug. Gemeinsam mit Drittem Nationalratspräsidenten Norbert Hofer, Josef Cap (S) und Reinhold
Lopatka (V) macht er in einem Antrag dafür mobil, auch gegenüber Ägypten auf die Wahrung fundamentaler
Menschenrechte zu pochen. Deutlich prangerte Hübner die tausenden Todesurteile an, die seit 2013 in dem nordafrikanischen
Land ausgesprochen worden sind, und von denen besonders auch politische Gefangene betroffen seien. Im prominentesten
Fall, der Verurteilung des Ex-Staatspräsidenten Mohammed Mursi, habe Kurz wie auch bei anderen aus politischen
Gründen mit der Exekution bedrohten Personen alles zu tun, um die Hinrichtung durch Begnadigung abzuwenden
– selbst wenn deren ideologische Haltung nicht mit demokratischen Wertehaltungen übereinstimme, wie er betonte.
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