Interview im Ö1 Morgenjournal nach dem Sondergipfel zu Griechenland
Wien (bpd) - "Griechenland muss jetzt seine letzte Chance nützen. Ein Referendum bringt kein Geld,
ein Referendum bringt nur eine Entscheidung darüber, dass der Textvorschlag eines Programms abgelehnt wurde.
Jetzt muss die Regierung rasch ein anderes Programm vorlegen, denn die Zeit wird knapp und die Situation ist schwieriger
geworden. In den letzten vier Monaten ist es der griechischen Regierung nicht gelungen, Reformvorschläge vorzulegen.
Aber ich wünsche es ihr, dass es jetzt gelingt. Ich wünsche es auch uns, dass es gelingt", sagte
Bundeskanzler Werner Faymann am 08.07. im Ö1-Morgenjournal.
Dass Griechenland die Verhandlungen abgebrochen und ein Referendum abgehalten hatte, sorgte beim Euro-Sondergipfel
für Unverständnis: "Einfach vom Verhandlungstisch aufzustehen und mit einem Referendum etwas bewirken
zu wollen, das hat niemand von uns allen verstanden und darin kann ich bis heute keinen Plan erkennen. Das war
weder etwas Geordnetes, Überlegtes noch etwas Wünschenswertes. Ich glaube, es war eher eine Panikreaktion,
als die griechische Regierung gesehen hat, dass es sich bei den Verhandlungen spießt. Sie war schlussendlich
nicht mehr bereit, den Weg zu gehen, der in Europa üblich ist - nämlich bis zum Schluss zu verhandeln
und kompromissfähig zu sein. Aber nur wer bis zur letzten Minute verhandelt und kompromissfähig ist,
hat auch eine gute Chance auf eine Lösung."
Wenn es nicht gelänge, bis Donnerstag neue Reformvorschläge vorzulegen, "dann ist die faktische
Kraft stark, weil das alte Programm ausgelaufen ist". "Ich habe das bisher wenig optimistisch gesehen
und ich bleibe dabei. Es war ja kein Programm auf dem Tisch, das ich beurteilen hätte können. Und jetzt
höre ich seit vier Monaten, dass etwas vorgelegt wird. Ich will es gerne glauben, aber monatelang habe ich
keine Vorschläge gesehen. Wenn am Sonntag die Eckpfeiler eines neuen Programms nicht beschlossen werden, dann
muss man über einen Plan B reden", so der Bundeskanzler. Dann sei man beim Punkt einer anderen Währung
angelangt. "Da braucht man dann keine großen rechtlichen Fragen erörtern und juristische Abhandlungen
treffen, hier werden schlussendlich Fakten geschaffen."
Die derzeitige Situation könnte jedoch nicht ausschließlich dieser Regierung zugeschrieben werden: "Ein
Land, das keine Finanzbehörden hat, die ausreichend Steuern einheben, das ein Grundbuch hat, in dem angeblich
nur 15 Prozent der notwendigen Fälle registriert sind, ein Land, in dem es so viele reiche Menschen gibt,
die keine Steuern zahlen, während umgekehrt oft ganze Familien durch die hohe Arbeitslosigkeit von der Pension
der Großmutter leben, ein Land, in dem die Spitäler nicht wissen, wie sie den Juli überstehen,
das alles kann man nicht dieser Regierung anlasten. Das ist das Ergebnis der Vorgänger-Regierungen",
so Faymann.
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