SPÖ und ÖVP zufrieden, Opposition übt scharfe Kritik
Wien (pk) – Nach monatelangen Diskussionen und kurzer, aber intensiver parlamentarischer Arbeit beschloss
der Nationalrat am 07.07. die Steuerreform 2015/2016 in Form eines ebenso umfangreichen wie komplexen Gesetzespakets.
Kleine und mittlere EinkommensbezieherInnen, PensionistInnen, Familien und PendlerInnen werden um 5 Mrd. € entlastet.
Die gestärkte Kaufkraft trägt mit Konjunktureffekten zur Selbstfinanzierung der Steuerreform im Ausmaß
von 850 Mio. € oder 17% bei. Da die Steuerreform im Hinblick auf die EU-Haushaltsregeln budgetneutral sein soll,
sind Gegenfinanzierungen notwendig. 1,9 Mrd. € sollen der verschärfte Kampf gegen Steuer- und Abgabenbetrug
mit Registrierkassen- und Belegpflicht und eine Lockerung des Bankgeheimnisses in Finanzverfahren bringen. 1,1
Mrd. € will der Finanzminister in der Verwaltung und bei Förderungen einsparen. Dazu kommen eine Erhöhung
bisher begünstigter Mehrwertsteuersätze, höhere Steuern für privat genutzte Dienstwagen, höhere
Grunderwerbsteuern bei der Weitergabe von Immobilien in der Familie, ein Ende für Absetzmöglichkeiten
bei der Beschaffung von Wohnraum und weniger Abschreibungen bei Gewerbeimmobilien. 350 Mio. € werden von höheren
vermögensbezogenen Steuern erwartet.
Verfassungsrechtliche Grundlagen der Steuerreform
Einige der Gegenfinanzierungen berühren das Verfassungsrecht und setzten daher Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit
voraus, über die zum Teil bis zur Entscheidung im Plenum verhandelt wurde. Erst im Plenum stimmten die Grünen
dem Endbesteuerungsgesetz zu, das eine unterschiedliche Besteuerung von Kapitalerträgen ermöglicht -
der besondere Steuersatz von 25% soll künftig nur mehr für Sparbücher gelten; andere Kapitalerträge,
etwa von Wertpapieren, sollen ab 2016 mit 27,5% besteuert werden. Die Einschränkung des Bankgeheimnisses im
Bankwesengesetz samt flankierenden Maßnahmen in anderen Gesetzen hatten SPÖ, ÖVP und Grüne
bereits im Finanzausschuss akzeptiert, nachdem die Koalitionsparteien Abänderungen vornahmen, die Konteneinsicht
in Abgabenverfahren nur mit verstärktem Rechtsschutz und richterlicher Genehmigung zulassen.
Bis zur Abstimmung im Plenum wurde über eine Erweiterung des Kapitalabfluss-Meldegesetzes verhandelt, das
es ermöglicht, Kapitalzuflüsse im Vorfeld des Inkrafttretens der Steuerabkommen mit der Schweiz und dem
Fürstentum Liechtenstein zu entdecken und zu besteuern, die sonst steuerlich unentdeckt bleiben würden.
Meldepflichtig sind Kapitalzuflüsse von 50.000 € oder mehr auf Konten natürlicher Personen sowie auf
(österreichische) Konten oder Depots liechtensteinischer Stiftungen und stiftungsähnlicher Anstalten.
Meldezeiträume für Zuflüsse aus der Schweiz sind das zweite Halbjahr 2011 und das gesamte Jahr 2012
und für Zuflüsse aus Liechtenstein die Jahre 2012 und 2013. Die Zustimmung dazu erfolgte – nach mehrheitlicher
Ablehnung eines Rückverweisungsantrages der NEOS - mit der Mehrheit von SPÖ, ÖVP und der Grünen.
Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanungen in Großunternehmen
Der Nationalrat verabschiedete im Zusammenhang mit der Steuerreform auf Antrag und mit der Mehrheit von SPÖ,
ÖVP und der Grünen eine Entschließung gegen aggressive Steuerplanungen von Großunternehmen.
Mehr Transparenz bei Unternehmensgewinnen, bei Steuerregeln und Eigentümerstrukturen in der Wirtschaft, einheitliche
Bemessungsgrundlagen und Mindestsätze bei der Besteuerung von Unternehmen sowie Maßnahmen gegen Steueroasen
verlangten die Abgeordneten, die in einem weiteren Entschließungsantrag überdies forderten, die Schlagkraft
bei der Großbetriebsprüfung zu erhöhen.
Zahlreiche Änderungen am Regierungsentwurf bis zuletzt
Über Änderungen an der Regierungsvorlage zur Steuerreform wurde bis zur Zweiten Lesung im Nationalrat
verhandelt. Ein ÖVP-SPÖ-Abänderungsantrag enthält Korrekturen, Klarstellungen sowie Präzisierungen
für die Anwendung der automatischen ArbeitnehmerInnenveranlagung, eine erleichterte Belegerteilungspflicht
bei einfachen Automaten und für Webshops sowie die Begrenzung der Registrierkassenpflicht auf Barumsätze
ab 7.500 € jährlich und eine Verschiebung der Erhöhung der Mehrwertsteuer für Hoteliers auf Mai
2016. Unter Berücksichtigung dieser Änderungen verabschiedete der Nationalrat das Steuerreformgesetz
2015/2016 mit den Stimmen der Regierungsparteien. Die amtswegige Berücksichtigung des Kinderfreibetrags und
Erleichterungen bei der Arbeitnehmerveranlagung verlangten SPÖ, ÖVP und Grüne mit einem mehrheitlich
angenommenen Entschließungsantrag. Eine mehrheitlich verabschiedete Entschließung der Koalitionsparteien
sieht ein möglichst einfaches Online-Verfahren bei der Datenmeldung von Spenden zur steuerlichen Berücksichtigung
an die Finanzämter vor.
Oppositionelle Abänderungsanträge scheiterten
Einen Abänderungsantrag zum Steuerreformgesetz hatten auch die Freiheitlichen vorgelegt. Abgeordneter Hubert
Fuchs verlangte eine jährliche, gesetzliche Inflationsabgeltung als Maßnahme gegen die "Kalte Progression".
Die FPÖ beantragte auch eine Negativsteuer für MindestpensionistInnen vor. Beide Anliegen wurden getrennt
und namentlich abgestimmt. Hinsichtlich der Inflationsabgeltung verfiel der Antrag mit 97 Nein- zu 74 Ja-Stimmen
der Ablehnung. Bei den MindestpensionistInnen lautete das negative Ergebnis auf 104 Nein- zu 65 Ja-Stimmen. Ein
ebenfalls namentlich abgestimmter Abänderungsantrag der Grünen für Beibehaltung des Status Quo bei
der Absetzbarkeit von Spenden wurde mit 133 Nein- zu 38 Ja-Stimmen abgelehnt. Auch ein Abänderungsantrag der
Grünen für eine Negativsteuer für MindestpensionistInnen blieb in der Minderheit. Dasselbe gilt
für einen Abänderungsantrag der NEOS für Forschungs- und Bildungsprämien im Einkommensteuergesetz.
Zum Thema Steuerreform lag dem Nationalrat auch ein Antrag der Grünen vor, der eine ökologische Steuerreform
mit höheren Steuern für den Verbrauch fossiler Energieträger und eine Entlastung klima- und ressourcenschonenden
Verhaltens in der Wirtschaft und bei den VerbraucherInnen in zwei Etappen vorsieht. Dieser Entschließungsantrag
verfehlte die Mehrheit und wurde abgelehnt.
Mehrheitlich abgelehnt wurden auch Entschließungsanträge, die Oppositionsabgeordente in der Debatte
vorlegten. Die Grünen scheiterten mit ihrer Forderung nach einer Strukturreform, die auf die Wiedereinführung
einer Erbschafts- und Schenkungssteuer mit einem progressiven Tarif und auf Einführung einer Erbersatzsteuer
für Privatstiftungen nach deutschem Vorbild gerichtet war. Abgelehnt wurde auch das Verlangen der Grünen
auf Evaluierung der Forschungsprämie nach internationalen Standards. Die NEOS drängten etwa auf Zusammenführung
der Familienabsetzbeträge, um damit Anreize zu schaffen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.
Strache: Wirkung der Entlastung wird durch kalte Progression schnell verpuffen
Die Steuerreform sei missglückt und laufe letztlich bloß auf eine Tarifumschichtung hinaus, die mit
zahlreichen Belastungen verbunden ist. Für FPÖ-Klubchef Heinz-Christian Strache ist die Senkung des Einkommenssteuersatzes
alleine zu wenig, zumal ihre Effekte, wie er befürchtet, durch die kalte Progression schon nach ein bis zwei
Jahren verpuffen werden. Die Erhöhung der Kapitalertragssteuer wiederum werde viele kleine Sparer treffen,
die Erhöhung der Grunderwerbssteuer sei nichts anderes als eine versteckte Einführung von Erbschafts-
und Schenkungssteuer, die Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage schließlich führe zu einer
zusätzlichen Belastung des Faktors Arbeit. Dazu komme noch, dass durch die Registrierkassenpflicht die Unternehmer
nun unter dem Generalverdacht der Steuerhinterziehung stehen. Wo sollen da die Impulse für die Wirtschaft
sein, fragte Strache ins Plenum.
Als größten Sündenfall bezeichnete der FPÖ-Klubchef aber die Abschaffung des Bankgeheimnisses.
Nun werde ein leichtes Stirnrunzeln eines Finanzbeamten für die Einschau ins Konto genügen, warnte er.
Strache kritisierte in diesem Zusammenhang die Zustimmung der Grünen, denen er vorwarf, als Stimmenbringer
zur Fortsetzung der falschen rot-schwarzen Politik beizutragen, und kam zu dem Schluss, die einzige wirkliche Alternative
sei die FPÖ.
Wöginger: Entlastung wird bei den Menschen ankommen
Von der größten Steuerentlastung seit Jahrzehnten sprach hingegen August Wöginger von der Volkspartei,
der die Kritikpunkte Straches mit Nachdruck zurückwies. Das Geld werde bei der Bevölkerung sehr wohl
ankommen, betonte er und erinnerte an die Tarifsenkung, die allein 4,5 Mrd. € des 5,2 Mrd. € schweren Pakets ausmacht.
400 Mill. € gehen in den Bereich der Niedrigverdiener, 200 Mill. € betreffen ein Wirtschaftspaket. Ein Angestellter
mit einem Brutto-Einkommen von 1.500 Euro werde um 485 Euro jährlich entlastet, eine Alleinerzieherin mit
einem Kind und 2.000 brutto erhalte 926 €, einer Angestellten mit 3.000 Euro brutto kommen 1.318 € an Entlastung
zu Gute, rechnete Wöginger vor. Wer unter 1.200 € verdient, wird zudem bis zu 400 € an Sozialversicherungsgutschrift
pro Jahr erhalten. Mit der Verdoppelung des Kinderfreibetrags setze man darüber hinaus ein wichtiges Signal.
Ein Wermutstropfen ist für den ÖVP-Abgeordneten allerdings die Grunderwerbssteuer. Seine Fraktion hätte
einen Deckel gewünscht, um Arbeitnehmerfamilien, die ihr Haus an ihre Kinder übergeben, zu entlasten,
erklärte er und bedauerte, dass es trotz intensiver Verhandlungen bis zum Schluss nicht möglich war,
eine Lösung zu finden.
Lugar: Hände weg von den Konten der BürgerInnen
Team Stronach-Mandatar Robert Lugar übte heftige Kritik an der Abschaffung des Bankgeheimnisses und warnte,
hier sei eine Tür aufgestoßen worden, die man nie wieder schließen könne. Da das Pensionssystem
und das Gesundheitswesen aufgrund der Reformunfähigkeit der Bundesregierung nicht mehr finanzierbar seien,
sichere sich der Staat nun den Zugriff auf die Konten der Bürger, schlug er Alarm. Während die öffentliche
Hand Steuergelder verschwendet, stellt man die Menschen unter den Generalverdacht des Steuerbetrugs. Wir brauchen
keinen gläsernen Bürger, unterstrich Lugar und schloss mit der Forderung, "Lassen wir die Finger
von den Konten der Bürger und schaffen wir lieber einen transparenten Staat!".
Krainer: Bankgeheimnis darf nicht zum Steuerbetrug missbraucht werden
Ein guter Tag für Österreich sei dies heute, zumal mit der Abschaffung des Bankgeheimnisses endlich der
Standard anderer Staaten erreicht werde, zeigte sich SPÖ-Finanzsprecher Kai-Jan Krainer erfreut. Steuerhinterziehung
sei kein Kavaliersdelikt, sondern Diebstahl an der Gesellschaft, das Bankgeheimnis dürfe daher nicht zum Steuerbetrug
missbraucht werden, stand für ihn fest.
Kritisch setzte sich Krainer mit FPÖ-Klubchef Strache auseinander, dem er jegliche Glaubwürdigkeit als
Schutzpatron der kleinen Leute absprach. Die FPÖ habe in ihrer Regierungszeit kein einziges Mal die Mindestpensionen
erhöht, verlange von der Bundesregierung nun aber noch weitgehendere Entlastungen. Die Erhöhung der Grunderwerbssteuer
begrüßte Krainer, wobei er betonte, seine Fraktion stehe voll und ganz dazu.
Strolz vermisst Anreize für Wirtschaft und Beschäftigung
Die Steuerreform biete keinerlei Anreize für Investitionen und Arbeitsplätze, lautete hingegen das
Urteil von NEOS-Klubobmann Matthias Strolz, der in diesem Zusammenhang von einer Nullnummer sprach. Die Regierung
habe es verabsäumt, Ausgabenkürzungen im Pensionssystem, etwa bei den Pensionsprivilegien in den Ländern,
vorzunehmen, kritisierte Strolz und beklagte dabei den Einfluss der Länder – dies auch in Sachen Bildungsreform.
Was die Abschaffung des Bankgeheimnisses und die Kontenöffnung betrifft, warf er SPÖ und ÖVP vor,
die Opposition mit einem mangelhaften Abänderungsantrag zwei Stunden vor der letzten Ausschusssitzung überrumpelt
zu haben. Wesentliche Einwände und Bedenken des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt seien darin jedenfalls
nicht berücksichtigt worden, beanstandete Strolz und forderte eine Rückverweisung der Materie an den
Ausschuss.
Glawischnig: Saubere Lösung bei Kontenöffnung
Bei der Kontoöffnung habe man eine saubere Lösung gefunden, die zentrale Forderungen der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft
erfüllt, erwiderte namens der Grünen Eva Glawischnig-Pisczek. Es gehe vor allem darum, Steuerbetrug auf
nationaler wie internationaler Ebene zu bekämpfen, Österreich dürfe nicht weiter als Paradies für
Steuerhinterzieher angeprangert werden.
Entscheidend war für Glawischnig vor allem das für die Konteneinschau verankerte Vier-Augen-Prinzip in
der Finanz und das Erfordernis einer richterlichen Entscheidung über eine allfällige Öffnung. Dazu
komme nun auch das verfassungsrechtlich verankerte Verbot der Einschau durch die Sozialämter, betonte die
Grünen-Klubchefin und äußerte gegenüber den Einwänden der NEOS und des Teams Stronach
wenig Verständnis.
Schelling: Ausbalancierte Reform bringt Entlastung, Wachstumsimpulse und Vereinfachungen
Die Steuerreform sei ein ausbalanciertes Ergebnis, das Anreize für Wachstum und Beschäftigung bietet,
eine nachhaltige Entlastung der SteuerzahlerInnen bewirken und zudem wesentlich Vereinfachungen wie etwa die antragslose
Familienbeihilfe bringen wird, zeigte sich Finanzminister Hans Jörg Schelling zuversichtlich. Dass man versucht,
einen Teil der Reform durch die Bekämpfung des Steuerbetrugs zu finanzieren, sollte eigentlich selbstverständlich
sein, bemerkte Schelling und begrüßte überdies den Verzicht auf die Einführung neuer Steuern.
Was die Konteneinschau betrifft, dankte er den Grünen für deren Zusammenarbeit, die es ermöglicht
habe, eine gute Lösung zu erreichen. Eine willkürliche Kontenöffnung werde es jedenfalls nicht geben,
in allen Fällen sei eine richterliche Genehmigung notwendig, versicherte er und wies Bedenken der übrigen
Oppositionsparteien zurück.
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FPÖ und Team Stronach über Spitzelstaat und Misstrauen gegenüber der Bevölkerung
Auch im weiteren Verlauf dieser Debatte blieben die Fronten zwischen SPÖ, ÖVP und Grünen einerseits
und den restlichen Oppositionsparteien andererseits verhärtet. Während die Freiheitlichen im Hinblick
auf das Kontenregister von einem "Spitzelstaat à la Metternich" (Elmar Podgorschek – F) und vom
"Gläsernen Bürger" (Waltraud Dietrich – T) sprachen, zeigte sich die ÖVP überzeugt
davon, dass die Steuerreform Impulse für die Kaufkraft setzen und damit zu Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung
beitragen werde (Jakob Auer – V). Hubert Kuzdas (S) vertrat die Auffassung, die Tarifreform werde zu mehr Steuergerechtigkeit
und Steuerehrlichkeit führen. Ahnlich argumentierte Bruno Rossmann seitens der Grünen, der sein Urteil
vor allem zum Bankenpaket im Rahmen der Steuerreform mit der Bemerkung zusammenfasste, Österreich werde aus
der finsteren Vergangenheit geholt, wo Steuerhinterziehung noch als Kavaliersdelikt gegolten hat.
Im Visier der FPÖ-Kritik stand in erster Linie die Gegenfinanzierung mit der Registrierkastenpflicht und dem
Kontenregister. Elmar Podgorschek begrüßte zwar die Tarifsenkung, schränkte aber zugleich im Einklang
mit seinem Klubkollegen Bernhard Themessl ein, dass die Bevölkerung diese selber zahle. Die Gegenfinanzierung
sei nichts anderes als eine Umverteilung von einer Tasche in die andere und vor allem gekennzeichnet durch das
Misstrauen gegenüber der Bevölkerung. Das ist den beiden FPÖ-Mandataren zufolge der eigentlich Skandal
und führe die Steuersenkung ad absurdum. In diesem Zusammenhang hegte Podgorschek große Zweifel, dass
tatsächlich 1,9 Mrd. € aus Steuerbetrugsmaßnahmen lukriert werden können. Die Registrierkassenpflicht
belaste in erster Linie Kleingewerbetreibende und das Kontenregister ist für Podgorschek der erste Schritt
zur Aushöhlung der Grundrechte unter dem Titel "Gerechtigkeit". Der FPÖ-Mandatar befürchtet,
dass damit der Weg zum Einblick in alle Sozialdaten geebnet wird. Als weiteres bedrohliches Szenario zeichnete
er die Abschaffung des Bargelds, um Kontrolle über das Konsumverhalten zu erhalten, und letztendlich die Abschaffung
der Unverletzlichkeit des Eigentums. "Eine Steuerreform sieht anders aus", urteilte auch Bernhard Themessl
(F) und zeigte sich skeptisch im Hinblick auf die positiven Wirtschaftsprognosen des WIFO und des IHS. Themessl
warnte zudem vor mehr Bürokratie für die Betriebe.
Der Preis der Steuerreform ist ein sehr hoher, meinte auch Waltraud Dietrich vom Team Stronach, die ebenfalls das
Kontenregister und die Registrierkassenpflicht scharf kritisierte. Mit dem Ende des Bankgeheimnisses werde ein
Tabubruch begangen, sagte sie. Dietrich widersprach heftig auch all jenen, die meinen, die Reform bringe Wirtschaftswachstum.
Ein Wachstum von 0,1 Prozent ist kein Wachstumsschub, stellte sie dazu fest. Dietrich setzte sich vor allem dafür
ein, der Kalten Progression mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen, damit die Menschen nicht jährlich
an Kaufkraft verlieren.
Für Koalition und Grüne bringt Reform Steuerentlastung, Wachstumsschub, Steuergerechtigkeit und Steuerehrlichkeit
Eine völlig andere Sicht der Dinge zeichneten die RednerInnen der ÖVP. Sowohl Peter Haubner als auch
Jakob Auer und Gabriele Tamandl erwarteten sich durch die steuerliche Gesamtentlastung eine Stärkung des privaten
Konsums und damit einen Wachstumsschub. Die Steuerreform leiste einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität,
bekräftigte Auer. Die Tarifreform komme vor allem Klein- und Kleinstunternehmen zu Gute, zeigte sich Haubner
überzeugt und unterstrich bei dieser Gelegenheit auch die Erhöhung der Forschungsprämie von 10 auf
12 % und die Realisierung des Crowdfunding.
Haubner, Auer und Tamandl räumten jedoch – wie zuvor ihr Klubkollege Wöginger - ein, dass das Gesamtpaket
auch Maßnahmen enthalte, die schmerzten. Das sei jedoch auf den Kompromiss mit dem Koalitionspartner zurückzuführen.
Sie warfen der SPÖ eine ständige Kriminalisierung der Unternehmen vor, obwohl deren Zahlungsmoral gut
sei, unterstrich Haubner. Von Auer kam ein klares Nein zur Substanzbesteuerung von Grund und Boden und Tamandl
wehrte sich dagegen, Kinder beim Erben übermäßig zu belasten. Trotz dieser Wermutstropfen dürfe
man die vorliegende Steuerreform nicht schlechtreden, hielt Gabriele Tamandl fest und unterstrich noch einmal die
Hauptgesichtspunkte der Reform, wie die Senkung des Eingangssteuersatzes auf 25 %, die Anhebung der Grenze für
den Höchststeuersatz auf 90.000 € und die Verdoppelung des Kinderfreibetrags. Seitens der ÖVP ist mit
dieser Reform aber noch nicht das letzte Wort gesprochen, sie drängt auf weitere Schritte zur Strukturreform.
Bei der nächsten Entlastung müssen die Unternehmer dran sein, sagte Peter Haubner.
Seitens der ÖVP wurde auch die Einsichtnahme in die Bankkonten mit dem Hinweis verteidigt, die Rechtsstaatlichkeit
werde durch die richterliche Genehmigung sichergestellt. In dieselbe Kerbe schlug Hubert Kuzdas von der SPÖ,
der die Steuerreform mit der Überschrift "mehr Steuergerechtigkeit" versah. Für ehrliche SteuerzahlerInnen
und ehrliche UnternehmerInnen werde sich nichts ändern, stellte er fest. Es könne aber nicht sein, dass
nur wenige das System tragen und alle davon profitieren. In diesem Sinne begrüßte er auch den gemeinsam
von ÖVP, SPÖ und Grünen eingebrachten Abänderungsantrag.
Diese Drei-Parteieneinigung veranlasste auch Bruno Rossmann von den Grünen, das Bankenpaket als "ausgezeichnet"
zu bewerten. Die Grünen hätten sich in Hinblick auf die Aufweichung des Bankgeheimnisses mit all ihren
Forderungen durchgesetzt, die richterliche Genehmigung sei enthalten, das Recht der Privatsphäre und der Schutz
der persönlichen Daten gewährleistet. Wer dieser Regelung nicht zustimme bleibe Schutzpatron der Steuerhinterzieher,
wetterte Rossmann in Richtung FPÖ, Team Stronach und NEOS und attackierte in diesem Zusammenhang scharf die
NEOS wegen ihres Rückverweisungsantrags.
Parteien beim Thema Steuerreform grundsätzlich und im Detail uneinig
Die Debatte über die Details des Steuerreformgesetz leitete Hubert Fuchs (F) mit der Feststellung ein, es
handle sich um keine Steuerreform, die SteuerzahlerInnen würden lediglich 5 Mrd. € zurückbekommen, die
man ihnen seit 2009 mit der Kalten Progression weggenommen hätte. "Nullsummenspiel plus Steuererhöhungen",
sagte Fuchs und legte einen Abänderungsantrag seiner Fraktion gegen die Kalte Progression vor. Heftige Kritik
übte Fuchs daran, MindestpensionistInnen die 9 € Negativsteuer pro Monat, die man ihnen versprochen habe,
nun vorenthalten zu wollen und brachte auch dazu einen FPÖ-Abänderungsantrag ein. Statt Unternehmen bei
der Schaffung von Arbeitsplätzen zu unterstützen, stelle die Regierung die UnternehmerInnen unter Generalverdacht,
während TopverdienerInnen entlastet werden, kritisierte Fuchs.
Zakostelsky: Investitionskraft der Unternehmen wird gestärkt
Andreas Zakostelsky (V) legte einen Abänderungsantrag zum Einkommensteuergesetz vor, mit dem die Erhöhung
der Mehrwertsteuer für Beherbergungsbetriebe auf Mai 2016 verschoben wird. Zudem beantragte der Redner per
Entschließungsantrag die amtswegige Berücksichtigung des Kinderfreibetrags und Erleichterungen bei der
Arbeitnehmerveranlagung für Familien. Die Steuerreform bringe Verbesserungen für Wirtschaft und ArbeitnehmerInnen
sowie Verwaltungsvereinfachungen und sollte auch Skeptiker überzeugen. Der Regierung gelinge auch eine Entlastung
der Familien durch Verdoppelung des Kinderfreibetrags sowie der PensionistInnen. Die Innovationskraft der Unternehmen
wird gestärkt und der Wirtschaftsstandort attraktiver.
Rossmann: Bloße Tarifanpassung ohne seriöse Gegenfinanzierung
Bruno Rossmann (G) konnte keine Steuerreform, nur eine Tarifanpassung erkennen und bezeichnete die von der Regierung
behaupteten positiven Verteilungswirkungen der Reform mit Bezug auf Studien des WIFO und des Parlamentarischen
Budgetdienstes als falsch. Tatsächlich würden die untersten Einkommen weniger entlastet als die obersten,
die Frauen eklatant benachteiligt, Männer hingegen überproportional bevorzugt. Dass Ausgleichszulagenbezieherinnen
von der Negativsteuer ausgenommen werden sollen, sei ein Skandal, sagte Rossmann und legte einen Abänderungsantrag
für die MindestpensionistInnen vor. Die Verteilungswirkungen zu Gunsten höherer Einkommen reduziere auch
den Wachstumsimpuls und die Beschäftigungseffekte der vorgesehen Steuerreform. Zur Gänze fehlen eine
Ökologische Steuerreform und Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit durch eine stärkere Besteuerung
der Vermögen von Reichen und Superreichen, sagte Rossmann.
Krainer: Konsequente Entlastung des Faktors Arbeit seit 2009
Demgegenüber erinnerte Kai Jan Krainer (S), dass der Faktor Arbeit seit 2009 Schritt für Schritt entlastet
werde und die Gegenfinanzierung mit vermögensbezogenen Steuern erfolge. Diesen Weg gehe die SPÖ gerne,
weil Steuern in Österreich auf Arbeit zu hoch und auf Kapital zu niedrig seien. Die Gegenfinanzierung steht
auf mehreren Beinen und im Wesentlichen - aus Sicht der SPÖ – auf den richtigen. Dieses Paket würde sich
mehr Zustimmung im Parlament verdienen, meinte Krainer. Die Behauptung der FPÖ, die Wirkungen der Steuerreformen
würden wegen der Kalten Progression verpuffen, beruhe auf "rechnerischen Taschenspielertricks".
Die Wirkung der Steuerreform 2009 sei keineswegs verpufft und auch die entlastende Wirkung der neuen - doppelt
so großen – Steuerreform werde lange nicht verpuffen, schloss Krainer.
Lugar: Wirtschaftsbelebung auf Pump
Robert Lugar (T) widersprach: Die Steuerreform sei "Wählerkauf auf Wählerkosten". Die Menschen
hätten sich eine Entlastung um 5 Mrd. € verdient, Österreich nehme aber zugleich 6 Mrd. € an Schulden
auf, die von den BürgerInnen mit Zins- und Zinseszins in Zukunft zurückgezahlt werden müsse. Die
Konjunkturbelebung erfolge auf Pump, kritisierte Lugar und forderte ein anderes, ein solides Wirtschaften ein.
Schittenhelm: Familien werden profitieren
Dorothea Schittenhelm (V) sah die Steuerreform im Einklang mit OECD-Empfehlungen stehen. Sie sei mit kompetenten
ExpertInnen ausgearbeitet worden, um die BürgerInnen zu entlasten, die Kaufkraft der Familien zu stärken
und die Innovationskraft der Unternehmen zu steigern. Es gelinge, NiedrigverdienerInnen und LeistungsträgerInnen
ausbalanciert zu entlasten und AlleinerzieherInnen zu fördern. Familien mit Kindern profitieren. Man sollte
diese Steuerreform nicht schlecht reden, schloss die Rednerin.
Strolz: Steuerreform setzt Verwaltungsreform und Nulldefizit voraus
Die Ziele der NEOS für eine Steuerreform erklärte Matthias Strolz (N): Die Menschen sollen ihr Leben
selbst in die Hand nehmen. Wegen der sinkenden Reallöhne sei es nicht mehr gewährleistet, dass hart arbeitende
junge Menschen sich ein Eigenheim leisten können. Es gelte, endlich die Staatsausgaben zu senken und das Versickern
von Geld in aufgeblähten Apparaten zu beenden. Die NEOS wollen Luxuspensionen beschneiden und Gesundheitsverwaltung,
Bürokratie und Föderalismus reformieren. Zu senken seien auch die Lohnnebenkosten, weil dies für
die Schaffung neuer Arbeitsplätze unerlässlich sei. Nicht gespart werden solle hingegen bei der Bildung.
Ein Nulldefizit wird nur eine neue Regierungskonstellation schaffen, daher verlangen die NEOS Neuwahlen, sagte
Strolz.
Rupprechter: Größte Steuerreform, größtes Konjunkturprogramm der Zweiten Republik
Bundesminister Andrä Rupprechter, der den mittlerweile nach Brüssel abgereisten Finanzminister Schelling
vertrat, plädierte für die größte Steuerentlastung in der Zweiten Republik, die ohne Vermögenssteuern
und ohne Belastung der Unternehmen finanziert werde. Dies sei wichtig, weil sich Leistung in Österreich lohnen
müsse. Rupprechter erläuterte die wesentlichen Inhalte des Reformpakets, das Reallöhne und Haushaltseinkommen
steigen lassen werde. Die Exporte Österreichs werden zunehmen und mehr Jobs geschaffen werden, sagte Rupprechter.
In der weiteren Debatte befassten sich Karin Greiner und Daniela Holzinger (beide S) mit der extrem ungleichen
Verteilung vom Vermögen in Österreich und den hohen Wachstumsraten der Vermögen im "Klub der
Millionäre". Auch wenn die Steuerreform nicht – wie wünschenswert - in die Vermögensverteilung
eingreife, stimmen sie dennoch zu, weil Menschen, Familien, Frauen, Teilzeitbeschäftigte, Lehrlinge und Bezieher
kleiner Pensionen in Österreich die Entlastung dringend brauchten, die ihnen die vorliegende Steuerreform
gibt. Rainer Wimmer (S) sprach von einem epochalem Schritt und gab seiner Freude über das große Volumen
Ausdruck, dass durch die Steuerreform für ArbeitnehmerInnen frei gemacht werde. Das sollten auch die Oppositionsparteien
anerkennen. Man könne von einem starken Impuls für die Konjunktur und für die Schaffung von Arbeitsplätzen
ausgehen schloss Wimmer.
Gegenüber der Kritik der Grünen, für die Werner Kogler, Ruperta Lichtenecker und Georg Willi eine
ökologische Steuerreform forderten, hielt es Philip Kucher (S) nicht für sozial, Menschen dazu zwingen
zu wollen, teure Elektroautos zu kaufen, denen das Benzin zu teuer sei oder Solarpaneele anzuschaffen, wenn sie
sich nicht einmal eine Wohnung leisten könnten. Ein Entschließungsantrag Kuchers zielte auf Erleichterungen
bei der elektronischen Datenübermittlung von Spendenorganisationen an die Finanzbehörden. An dieser Stelle
beantragte Werner Kogler (G), beim Thema Spendenabsetzbarkeit den Status Quo aufrechtzuerhalten.
Hermann Schultes (V) sah es positiv, dass die Kurve der Steuerprogression abgeflacht werde. Mit seiner Aussage,
Steuern seien grundsätzlich leistungsfeindlich, stieß Schultes auf heftigen Widerspruch bei den Abgeordneten
Yilmaz Nurten (S) und Georg Willi (G), die staatliches Engagement für Bildung und Gesundheit für unverzichtbar
hielten – dafür zahlten sie gerne Steuern. Gabriel Obernosterer (V) befasste sich mit den Familienbetrieben
und begrüßte es, dass 75% der Betriebe entlastet werden. Die Anhebung des Freibetrags bei der Grunderwerbsteuer
berücksichtige Betriebsübergaben in der Familie. Eine Substanzbesteuerung wurde verhindert, sagte Obernosterer,
der daran erinnerte, dass kleine UnternehmerInnen weniger unter finanziellen Lasten, sondern mehr unter bürokratischen
Belastungen litten.
Josef Schellhorn (N) beklagte Steuererhöhungen zu Lasten von Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen,
vermisste eine Bürokratiereform und sprach von einem "Verrat an den Interessen des Tourismus", wobei
er Verschlechterungen bei der Abschreibungsdauer baulicher Investitionen kritisierte. Österreich braucht eine
Reform seiner Gewerbeordnung, stellte Schellhorn fest. Gerald Loacker (N) wiederum geißelte die Arbeitsmarktpolitik
der Bundesregierung als planlos und kritisierte insbesondere die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage in der
Pensionsversicherung, womit die Regierung Luxuspensionen entlaste. In der Familienförderung drängte Loacker
auf Zusammenführung der verschiedenen Kinderabsetzbeträge sowie auf Sachleistungen statt Geldleistungen.
In einem Abänderungsantrag verlangte Loacker die Beibehaltung des Bildungsfreibetrags.
Ruperta Lichtenecker (G) problematisierte die Erhöhung indirekter Förderungen ohne Evaluierung am Beispiel
der Forschungsprämie und forderte in einem Entschließungsantrag einen Bericht dazu an den Nationalrat.
Lichtenecker brach eine Lanze für mehr Unterstützung für die Grundlagenforschung.
Axel Kassegger (F) vermisste eine umfassende Steuerreform zur Entlastung der Unternehmen. Nur so könne man
positive Wirkungen am Arbeitsmarkt hervorrufen. Gegenfinanzierungspotential ortete Kassegger in der Verwaltung
und im Förderungsdschungel, durch Zusammenlegung der Sozialversicherungen und durch Privilegienabbau bei Ländern,
Kammern, Sozialversicherungen, bei der Nationalbank und durch Senkung der EU-Beiträge. FPÖ-Fraktionskollege
Harald Stefan kritisierte Belastungen bei der Grunderwerbssteuer, die künftig vom Verkehrswert berechnet wird,
womit erhebliche bürokratische Belastungen der Immobilienbesitzer verbunden sind. Stefan trat der Behauptung
entgegen, die Steuerreform vereinfache das Steuersystem und schilderte anhand eines Beispiels ausführlich
die zunehmende Bürokratie bei der Festlegung des Verkehrswerts einer Immobilie, die innerhalb der Familie
weitergegeben wird.
Dem trat Werner Groiß (V) mit dem Hinweis auf effiziente Berechnungsmethoden bei der Grunderwerbsteuer entgegen.
Groiß wies auf Verbesserungen bei der Weitergabe von Immobilien im Rahmen der Betriebsübergabe, im Erbrecht,
im Finanzstrafrecht und beim Crowdfunding hin, wobei er feststellte, dass die Steuerreform KMU nicht benachteilige.
Abschließende Wortmeldungen kamen von den SozialdemokratInnen Nurten Yilmaz, Hermann Krist und Franz Kirchgatterer,
die von einem guten Tag für SteuerzahlerInnen und von einem sehr guten Tag für die BezieherInnen kleiner
Einkommen sprachen, die jährlich 200 Mio. € in Form einer automatischen Arbeitnehmerveranlagung überwiesen
bekommen werden. Ein gutes Paket, an dem in der Zukunft weiter gearbeitet werden kann und sollte, resümierten
die SPÖ-MandatarInnen.
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