Justizminister Brandstätter: Urheberrechts-Novelle bringt ein Mehr an Rechtssicherheit
Wien (pk) - Der Nationalrat beschloss am 07.07. die lange diskutierte Urheberrechts-Novelle mit den Stimmen
von SPÖ und ÖVP. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für die Einbeziehung von digitalen Datenträgern
wie Computer-Festplatten und USB-Sticks in die "Leerkassettenvergütung" und für deren Umwandlung
zu einer "Speichermedienvergütung". Die Novelle soll am 1. Oktober 2015 in Kraft treten.
Die "Speichermedienabgabe" dient der Entschädigung von KünstlerInnen und anderer UrheberInnen
für Privatkopien ihrer Werke. Die Abgabe ist doppelt gedeckelt: Sie darf sechs Prozent des typischen Preisniveaus
nicht überschreiten. Für den Zeitraum 2016 bis 2019 gilt außerdem eine Einnahmenobergrenze inklusive
Reprographievergütung von 29 Mio. € pro Jahr. Justizminister Wolfgang Brandstätter räumte ein, dass
es sich vielleicht um kein Idealmodell handelt, aber das gebe es derzeit in ganz Europa nicht. Unbestritten sei
jedoch, dass es ein Mehr an Rechtssicherheit in dieser schwierigen Materie geben wird.
Die Oppositionsparteien konnten der Novelle aus verschiedenen Gründen nicht zustimmen. Die Freiheitlichen
sahen als einzigen Gewinner den Finanzminister, die Grünen kritisierten wiederum, dass die Regierungsvorlage
keine Rechtssicherheit schafft und zudem eine Reihe von Bestimmungen enthält, die die Position von Filmschaffenden
verschlechtern. Von Seite der NEOS wurde bemängelt, dass es sich bei der Festplattenabgabe um eine versteckte
Steuer handelt. Das Team Stronach sah überhaupt keinen Grund für die Einführung einer solchen Abgabe,
da im Falle von legalen Kopien niemand einen Schaden erleide. Die diesbezüglichen Abänderungs- bzw. Entschließungsanträge
der Grünen und der NEOS fanden keine Mehrheit.
SPÖ und ÖVP: Praktikables Modell, das eine rasche Umsetzbarkeit gewährleistet
Bei der Diskussion um eine Speichermedienvergütung handle es sich um einen mehr als zehn Jahre langen Konflikt
zwischen den einzelnen InteressensvertreterInnen, erklärte ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker, nun habe
die Politik eine Entscheidung getroffen. Nach langen und intensiven Beratungen mit den Betroffenen habe man einen
Kompromiss gefunden, der nicht nur Rechtssicherheit schafft, sondern annehmbare Lösungen sowohl für die
Wirtschaftstreibenden und KonsumentInnen als auch für die Kulturschaffenden bringt, war die Rednerin überzeugt.
Durch die Vergütung in Form der Speichermedienabgabe werden die erlaubten Privatkopien abgegolten, erläuterte
Steinacker, wobei nunmehr auch Handys, Festplatten und Computer darunter fallen. Positiv sei auch die Deckelung
mit 29 Mio. € sowie die Umsetzung der "cessio legis", also der Übertragung der Verwertungsrechte
der Filmurheber an die Produzenten. Weitere wichtige Inhalte der Novelle sind die Regelungen in Bezug auf die Zweitverwertungsrechte
für die Wissenschaft und die Verlage sowie die erweiterte digitale Fernleihe.
Ihre Fraktionskollegin Maria Theresia Fekter entschuldigte sich bei der Opposition, dass im Vorfeld nicht weitere
parlamentarische Gespräche gesucht wurden. Es war nämlich auch innerhalb der Regierungsparteien schwierig,
zu einer gemeinsamen Position zu finden. Obwohl sie keine Freude mit der Speichermedienabgabe habe, stimme sie
trotzdem zu, weil nun doch klare Regeln für die Verhandlungspartner normiert werden; die Prozentsätze
sind ihrer Meinung nach aber viel zu hoch. Auch Eva Maria Himmelbauer (V) war der Auffassung, dass es noch offene
Fragen, vor allem in Bezug auf die Höhe der Vergütung und die technische Umsetzung gebe, die noch weiter
diskutiert werden sollten.
SPÖ-Mandatar Johannes Jarolim gab zu bedenken, dass im Sinne der KünstlerInnen eine rasche Lösung
gesucht wurde. Es war naheliegend, dass man dabei auf einem bestehenden System aufbaut und dieses weiterentwickelt.
In einem - mehrheitlich angenommen – SPÖ-ÖVP-Entschließungsantrag wird der Justizminister ersucht,
Gespräche über Anpassungen des vorgesehen Deckels aufzunehmen, falls der Richtwert von 29 Mio. € durch
die Rückerstattungen wesentlich unterschritten wird. Seine Fraktionskollegin Elisabeth Hakel (S) zeigte sich
erfreut darüber, dass nach jahrelangen Diskussionen und Gesprächen mit allen Beteiligten heute ein Entwurf
für ein neues Urheberrechtsgesetz vorliegt. Sie räumte ein, dass es sich um einen Kompromiss handelt,
der aber aufgrund der Weiterentwicklungen vertretbar ist. So werden etwa Bildungseinrichtungen verstärkt auf
neue Technologien zurückgreifen können. Auch der Kopienversand durch Bibliotheken auf Bestellung werde
an die neuen Gegebenheiten angepasst. Mit gemischten Gefühlen stand sie der gesetzlichen Verankerung der Speichermedienabgabe
gegenüber; sie hätte sich eine zukunftsweisendere Variante gewünscht. Der größte Wermutstropfen
sei für sie jedoch die Nachfolgeregelung der "cessio legis", da im Zweifelsfall immer der Produzent
die meisten Rechte hat. Gleichzeitig sei ihr aber völlig klar, dass diese Novelle nur ein Zwischenschritt
sein könne und ständig Adaptierungen im Hinblick auf das Internetzeitalter erforderlich sind.
Scharfe Kritik von Seiten der Opposition am neuen Urheberrecht
Auch für diese Vorlage gelte wieder einmal das Motto, "was lange währt, wird im österreichischen
Parlament nicht gut", konstatierte FPÖ-Mandatar Walter Rosenkranz. Es sei ein berechtigter Wunsch der
Kunstschaffenden, dass ihre Rechte geschützt werden und dass sie für ihre schöpferischen Leistungen
ein entsprechendes Entgelt erhalten. Auch die Wirtschaft habe ihre berechtigten Interessen, die berücksichtigt
werden sollten. Im vorliegenden Entwurf sind aber beide Seiten die Verlierer, urteilte Rosenkranz, der einzige,
der sich freuen könne, sei der Finanzminister. Aus diesem Grund werde seine Fraktion der Vorlage, die ohne
Ausschussberatungen durch das Parlament gepeitscht wurde, sicher nicht zustimmen. Philipp Schrangl (F) war überzeugt
davon, dass das Gesetz nicht lange hält, da technische Neuerungen wie z.B. Streaming- oder Cloud-Dienste überhaupt
nicht berücksichtigt wurden.
Von Rechtssicherheit könne überhaupt keine Rede sein, kritisierte Wolfgang Zinggl von den Grünen,
da es weiterhin noch viele offene Fragen gibt. So können namhafte Experten nicht eindeutig beantworten, ob
man auf Basis des neuen Gesetzes das Lied "Happy Birthday" bei Schulveranstaltungen singen dürfe.
In einem Abänderungsantrag weist er zudem darauf hin, dass die Urheberrechte von Filmschaffenden nicht gestärkt,
sondern noch mehr eingeschränkt werden als bisher. Große Rechtsunsicherheit werde u.a. durch die Möglichkeit
der mehrfachen Abtretung der Rechte geschaffen. Besonders die Regelung bezüglich der Einkünfte aus der
integralen Kabelweiterleitung benachteilige die Filmurheber und Filmdarsteller sehr stark und sollte daher aufgegeben
werden, forderte Zinggl. Ein ebenfalls von ihm eingebrachter Entschließungsantrag enthält den Forderungskatalog
der Grünen nach Neugestaltung der Urheberrechtsgesetzes, der vor allem auf die Absicherung der sozialen Standards
in den Verträgen der Kunstschaffenden abzielt.
Sigrid Maurer geht auf einen weiteren Abänderungsantrag der Grünen zum Urheberrechtsgesetz ein, der sich
vor allem mit dem so genannten Zweitnutzungsrecht befasst. Es sei positiv, dass dieses Prinzip in das Gesetz aufgenommen
wurde, konstatierte Maurer, allerdings könne es aufgrund der vorgeschlagenen Fassung nur sehr eingeschränkt
wirksam werden. Ausgeschlossen seien davon z.B. StipendiatInnen, MitarbeiterInnen mit freien Dienst- oder Werkverträgen
sowie DoktorandInnen ohne Anstellungsverhältnis. Außerdem soll das Recht nach Ansicht der Grünen
auch für Forschungsprojekte gelten, die mindestens zur Hälfte als öffentlich finanziert gelten.
Da die Wissenschaftsfelder Naturwissenschaft, Technik und Medizin sehr schnelllebig sind und Beiträge in diesen
Fächern nach einem Jahr bereits häufig überholt sind, sollte dafür eine kürzere Frist
von sechs Monaten vorgesehen werden, forderte sie.
Die Urheberrechtsnovelle enthalte zwar einige gute Regelungen, konstatierte Niko Alm von den NEOS, nicht erfreulich
sei jedoch die Nachfolgeregelung der "cessio legis". Aus diesem Grund brachte er einen Abänderungsantrag
ein, der vorsieht, dass die Filmregisseure von der neuen Vermutungsregel ausgeschlossen werden. Kritisch beurteilte
er auch die Festplattenabgabe, die aus seiner Sicht eine versteckte Steuer darstellt, die auch viele Unschuldige
treffe. Außerdem werde das Bewusstsein für urheberrechtliche Leistungen immer weiter geschwächt,
mutmaßte Alm.
Während die Leerkassettenabgabe sinnvoll und notwendig war, gebe es keine Berechtigung für eine Festplattenabgabe,
da im Falle von legalen Kopien niemanden ein Schaden entstehe, argumentierte Robert Lugar vom Team Stronach. Er
verstehe auch nicht, warum nun Handybesitzer automatisch eine Abgabe zahlen müssen, obwohl sie mit ihren Geräten
vielleicht nie Musik hören. Wenn man schon etwas für die KünstlerInnen tun will, dann müsse
man eine Abgabe auf das Original und nicht auf die Speichermedien einheben, schlug Lugar vor.
Regierungsvertreter begrüßen die Kompromisslösung für eine jahrelanges Problem
Man dürfe nicht vergessen, dass EU-rechtliche Bestimmungen Ausgangspunkt für die Neuregelung des Urheberrechts
waren, betonte Justizminister Wolfgang Brandstätter. Diese weisen nämlich ausdrücklich darauf hin,
dass die private Vervielfältigung fremder Werke nicht ohne gerechten Ausgleich zu Gunsten der Urheber möglich
sein darf. Es gehe also primär um den Schutz der Rechte der KünstlerInnen und nicht um eine versteckte
Steuer, stellte der Minister klar. Aufgrund der technologischen Entwicklungen musste die Leerkassettenvergütung
angepasst werden, wobei ein Modell gewählt wurde, das rasch umsetzbar ist. Ein Kompromiss könne wohl
nie alle Betroffenen völlig zufrieden stellen, räumte der Minister ein, aber das vorliegende Gesetz sei
auf jeden Fall besser als gar keines. Sollte aber jemanden ein besseres Modell einfallen, dann werde er es gerne
aufgreifen. Auch die Aufregung um die "cessio legis" verstehe er nicht ganz, da es jedem Vertragspartner
unbenommen sei, zu vereinbaren, was er will.
Bundesminister Josef Ostermayer gab zu bedenken, dass es sich um ein sehr kontroversielles Thema handelt, das seit
Jahren diskutiert wurde. In Österreich habe man sich nun entschlossen, einen Weg zu gehen, der auch in den
meisten europäischen Ländern gewählt wurde, nämlich die Anknüpfung an das Speichermedium.
Aufgrund des technischen Fortschritts war allen Beteiligten natürlich bewusst, dass diese Lösung nicht
für die Ewigkeit ist. Um jedoch den KünstlerInnen nicht länger ihr gerechtfertigtes Entgelt vorzuenthalten,
wurde nun dieser Schritt gesetzt, erläuterte Ostermayer.
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