IV-GS Neumayer zu aktuellen Konjunkturdaten: Erholung darf nicht an Österreich vorbeiziehen
– IV-Chefökonom Helmenstein: Aufschwung droht zu straucheln, bevor er sich entfalten konnte
Wien (pdi) - "Ungeachtet der wirtschaftlichen Kalamitäten in Griechenland hat sich die konjunkturelle
Erholung in Europa verstärkt. Die Kraft des europäischen Aufschwungs beginnt auch die österreichische
Industrie zu erfassen, allerdings in einem stark gedämpften Ausmaß. Der Vertrauensverlust in die Verlässlichkeit
der Rahmenbedingungen am Standort Österreich einerseits und die regulierungs- und bürokratiebedingte
Kostenlast andererseits wirken wie ein Filter, der die meisten Chancen für ein Mehr an Wachstum und Beschäftigung
zurückhält, noch bevor sie von den Unternehmen aufgegriffen werden können. Obwohl die Nachfrage
aus dem Ausland durchaus stimulierend wirkt, perpetuiert sich das komatöse Investitionsklima in Österreich,
sodass die Industrie nur mäßig zulegt. Es darf aber nicht sein, dass die europäische Erholung wegen
nicht erledigter heimischer Hausaufgaben und fehlender Vertrauenssignale an Österreich vorbeizieht",
brachte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, in einer gemeinsamen
Pressekonferenz mit IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein die Ergebnisse des aktuellen Konjunkturbarometers
aus dem 2. Quartal 2015 am 16.07. auf den Punkt.
Die Maßnahmen zur Standortverbesserung müssen rasch passieren, sonst ist der Aufschwung vorbei, bevor
er in Österreich überhaupt angekommen ist, betonte Neumayer. "Es ist höchst an der Zeit, die
hauptsächlich von der Bundesebene ausgehende Unsicherheit bezüglich der Verlässlichkeit der standortspezifischen
Rahmenbedingungen in Österreich zu überwinden. Von den angesichts der Rekordarbeitslosigkeit und Nullwachstum
geradezu absurden Belastungsideen wie Arbeitszeitverkürzung und Wertschöpfungsabgabe einmal abgesehen.
Andernfalls läuft das Land Gefahr, in einen Teufelskreis zu geraten, bei dem die Stagnation sich selbst nährt",
so der IV-Generalsekretär.
"Alle Mitgliedsländer der Eurozone mit Ausnahme Griechenlands haben auf einen Expansionspfad eingeschwenkt.
Dies gilt nicht nur für jene Länder, welche wie Irland und die baltischen Staaten früh profunde
Reformen umgesetzt haben, sondern inzwischen auch für Länder mit längerem Reformanlauf wie Spanien,
Portugal und Italien", erläuterte Helmenstein. Die Abwertung der Europäischen Gemeinschaftswährung
habe diese Wende zum Positiven unterstützt, aber vor allem zeitigen hier die Reformanstren¬gungen Erfolge.
Selbst Zypern, dessen Bankensystem erst durch den sogenannten "freiwilligen" Schuldenschnitt auf griechische
Anleihen in Bedrängnis geraten war, sodass der zyprische Fiskus schließlich selbst internationale Finanzsolidarität
benötigte, habe die Rückkehr auf den Wachstumspfad geschafft. "Zudem haben es die für die wirtschaftliche
Entwicklung Österreichs überdurchschnittlich bedeutsamen Länder Mittel- und Osteuropas vermocht,
trotz der markanten Einbrüche im Handel mit Russland und der Ukraine ihren Aufholprozess gegenüber Westeuropa
fortzusetzen", so der IV-Chefökonom.
Das europäische Umfeld würde daher für sich genommen einen soliden Konjunkturaufschwung auch in
Österreich erwarten lassen. Die spezifisch österreichischen Rahmenbedingungen lassen jedoch nicht mehr
als eine leichte Verbesserung des IV-Konjunkturbarometers zu, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der
gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird. Das IV-Konjunkturbarometer
erholt sich nur äußerst moderat nach +18 Punkten im Vorquartal auf nunmehr +20 Punkte. Es ist dies ein
atypisch geringer Wert für eine konjunkturelle Aufschwungphase -üblich wären hier Werte (deutlich)
oberhalb von +30 Punkten. Anlass zu besonderer Sorge gibt, dass der Anstieg ausschließlich auf eine angehobene
Einschätzung der aktuellen Geschäftslage (+34 Punkte nach +22 Punkten) zurückzuführen ist.
Hingegen kehrt sich die Aufwärtstendenz bei den Geschäftserwartungen in sechs Monaten sogar um. Der betreffende
Saldo sinkt von +13 Punkten auf lediglich noch +7 Punkte. Dabei nimmt der Anteil der Unternehmen, die eine weitere
Verbesserung des Geschäftsganges erwarten, um 6 Prozentpunkte ab, während der Anteil jener Unternehmen,
die mit einer Verschlechterung der Lage rechnen, stagniert. Diese erneute, jähe Stimmungsumkehr deutet darauf
hin, dass der Aufschwung in Österreich, noch bevor er sich überhaupt entfalten konnte, schon wieder zu
straucheln droht.
Dabei ließe sich vor allem aus der Entwicklung der Auftragsbestände die Aussicht auf eine Dynamisierung
des Geschäftsganges in den kommenden Quartalen ableiten. Die Gesamtauftragsbestände erhöhen sich
von +28 Punkten auf +48 Punkte. Diese markante Verbesserung ist zum einen auf eine mehr als saisonübliche
Erhöhung der Auftragsbestände zurückzuführen, zum anderen leiden nur noch vier Prozent der
Unternehmen unter Auftragsmangel. Letzterer Wert ist zykluskonform niedrig und typisch für eine normale Aufschwungsphase.
Wesentlichen Anteil an dieser Verbesserung der Auftragslage und damit auch an einer Verlängerung der Auftragsreichweite
sowie der Kapazitätsauslastung haben die Auslandsaufträge, deren Saldo von +27 Punkten auf +41 Punkte
zulegt. Hier spielt neben der Aufhellung des europäischen Umfeldes auch die Schwäche der europäischen
Gemeinschaftswährung mit den daraus resultierenden absatzseitigen Preisvorteilen eine Rolle.
Im Einklang mit der verbesserten Auftragslage gestalten die Unternehmen ihre Produktionsplanung für die nächsten
Monate vorsichtig expansiv. Der saisonbereinigte Wert der Produktionstätigkeit auf Sicht eines Quartals legt
dementsprechend auf +16 Punkte nach +11 Punkten zu, erklimmt damit aber lediglich wieder jenes Niveau, welches
auch vor einem Jahr zu verzeichnen war.
Zunehmende Produktionserwartungen, eine erhöhte Auftragsreichweite und eine verbesserte Kapazitätsauslastung
lassen erstmals seit drei Jahren einen mehr als nur geringfügigen Beschäftigungsaufbau in der Industrie
erwarten. Der Saldo für den Beschäftigtenstand verbessert sich von -2 Punkten auf nunmehr +9 Punkte.
Inwieweit die verzeichnete Aufhellung der Perspektiven am Arbeitsmarkt auch mittelfristig erhalten bleibt, erscheint
allerdings angesichts der zurückhaltenden Einschätzung der Perspektiven für den Geschäftsgang
in sechs Monaten fraglich.
Unverändert herausfordernd ist die Situation bei den Verkaufspreisen. Hier schlagen sich nach wie vor die
international weiterhin vorhandenen Überkapazitäten in einem äußerst hohen Preisdruck nieder
(Saldo von 11 Punkten nach -12 Punkten im Vorquartal). Im Einklang mit einer verbesserten Mengenkonjunktur, einer
rohstoffkostenbedingten Entlastung der Beschaffungsseite, zugleich aber auch einem unverändert hohen Druck
auf die Verkaufspreise erholt sich die Einschätzung der aktuellen Ertragslage nach einem vorübergehenden
Rücksetzer im ersten Quartal wieder von +4 Punkten auf +13 Punkte.
Auf Sicht von sechs Monaten erwarten die Respondenten in Übereinstimmung mit der konjunkturellen Stimmungslage
keine nennenswerte Verbesserung der Ertragslage mehr. Der Saldo für die Ertragsaussichten bildet sich von
+9 Punkten auf +2 Punkte zurück -zum selben Zeitpunkt des Vorjahres betrug dieser Wert +14 Punkte. Die Zuversicht
bei den Ertragserwartungen reicht somit nicht einmal mehr an das schon mäßige Niveau des Vorjahres heran.
Sie ist nach wie vor zu gering, um einen nachhaltigen, investitionsgetragenen Aufschwung in Österreich erwarten
zu lassen.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 406 Unternehmen mit rund 250.000
Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: den Unternehmen werden
drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten)
Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible "Saldo" aus den Prozentanteilen
positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
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