Grazer Weltraumforschung: Besuch am roten Planeten in den Startlöchern
Graz (medunigraz) - International gab es in den letzten Jahren bereits unzählige Spekulationen, wann
erstmals eine bemannte Marsmission zu erwarten sei, erhoffen sich WissenschafterInnen weltweit doch viele neue
Erkenntnisse von einem persönlichen Besuch am roten Planeten. Das Jahr 2030 geistert derzeit als magische
Zahl durch die Medien. An der Med Uni Graz werden bereits intensive Vorbereitungen getroffen, um für den Tag
X gerüstet zu sein. Zum internationalen Tag der Weltraumforschung gibt Univ.-Prof.in Dr.in Christine Moissl-Eichinger
ein spannendes Update zu den Projekten in der Grazer Weltraumforschung.
Leben im Weltall: Wie uns Mikroorganismen beeinflussen
Im Rahmen der interuniversitären Forschungskooperation BioTechMed-Graz greifen Christine Moissl-Eichinger
und ihre KollegInnen an der Med Uni Graz wahrlich nach den Sternen. So wird das Grazer Team auch künftig Proben
von der Internationalen Raumstation untersuchen, um die mikrobielle Vielfalt an Bord der ISS zu analysieren. Dabei
handelt es sich um das von FFG geförderte Projekt ARBEX. "Hier geht es vor allem darum zu klären,
wie die Mikroorganismen in der Raumstation eventuell auch Integrität und Technik von Raumfahrzeugen beeinflussen-
oder sogar die menschliche Gesundheit beeinträchtigen könnte", erklärt Christine Moissl-Eichinger
einen wichtigen Schritt zum Gelingen der ersten bemannten Marsmission.
Ungefähr 500 Tage wäre eine Crew in der Raumkapsel zum Mars hin und zurück unterwegs - eine lange
Zeit, in der die Gesundheit der Astronauten und die Funktionalität des Raumschiffs im Vordergrund steht. Und
bei beiden scheinen Mikroorganismen eine wichtige Rolle zu spielen: Besonders das menschliche Mikrobiom (also die
Gesamtheit aller mit dem Menschen assoziierten Mikroorganismen), das in seiner Diversität und Anzahl den Körper
sogar dominiert, hat direkten Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden des Trägers und könnte unter dem
Stress der Weltraumtour leiden. In Vorbereitung auf ihr Weltraumprojekt ARBEX konnten Christine Moissl-Eichinger
und ihr PhD Student Maximilian Mora kürzlich die nachgebildete Raumstation am Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt in Köln besuchen und die Probenahme real "üben" und so die Arbeit der Astronauten
nachempfinden.
Wie das Leben am Mars funktioniert
Im Projekt "Mars-analoge Biotope als Modell für die Weltraumforschung" (MASE), welches aus Mitteln
der Europäischen Kommission gefördert wird, unterstützen Christine Moissl-Eichinger und ihr Team,
besonders PhD Studentin Alexandra Perras, maßgeblich die Suche nach Leben auf dem Mars. "Wir untersuchen
Mars-analoge Gebiete hier auf der Erde, und versuchen das mikrobielle Leben dort zu verstehen- wie sieht es aus,
wie können wir es nachweisen? Das sind essentielle Informationen, um irgendwann auch das Leben auf dem Mars
überhaupt finden zu können", so Christine Moissl-Eichinger. Zu den Mars-analogen Gebieten gehören
z.B. Salzminen in Großbritannien, Rio Tinto in Spanien, Permafrost aus Russland, ein saurer See in Island,
sowie Schwefelquellen in Deutschland. Vor ein paar Wochen sind sogar Eisproben aus der Antarktis und Sand aus der
Atacama-Wüste in Graz zur Analyse eingetroffen.
Probenahme von anaeroben Mikroorganismen in der Schwefelquelle (Credit: Anna Auerbach)
"Diese Proben sind für uns auf vielerlei Weise interessant", führt Christine Moissl-Eichinger
aus, "einerseits erlauben sie uns das Ausmaß der durch Menschen verursachten Kontaminationen in solchen
unwirtlichen, extrem abgelegenen Gebieten zu erfassen." Andererseits wollen sie die an die extremen Bedingungen
angepassten Mikroorganismen analysieren und kultivieren, besonders die Anaerobier stehen dabei im Mittelpunkt.
Diese Mikroben werden beim Wachstum durch vorhandenen Sauerstoff gehemmt und können dabei sogar absterben.
Das ist besonders interessant für den roten Planeten, da dessen Atmosphäre als nahezu sauerstofffrei
gilt und auf Grund der hohen Strahlung verbunden mit extrem niedrigen Temperaturen Leben wie wir es kennen beinahe
nicht möglich scheint.
Trotzdem gibt es Mikroben, die solche Bedingungen tolerieren, aufgrund unbekannter Toleranz- und Resistenzmechanismen,
die nicht selten auch medizinisch-relevanten Resistenzen einhergehen. Eine interessante Parallele! Deshalb gilt
es umso mehr, diese Resistenzmechanismen und Anpassungsstrategien an extreme Bedingungen im Detail zu verstehen.
Vom Gletscher zum Mars
Die Expertise der ambitionierten Wissenschafterin im Bereich des molekularen Nachweises und der Kultivierung extremophiler
Mikroorganismen ist international bekannt. Ihr Labor am Zentrum für Medizinische Forschung an der Med Uni
Graz wird seit neuestem sogar im Rahmen des EU geförderten Projektes "Europlanet" als europäisches
"Center for Life Detection" herausgehoben und ist damit Anlaufstelle für verschiedenste europäische
WissenschafterInnen. Zusätzlich sind die WissenschafterInnen der Med Uni Graz Teil der Mission "AMADEE-15",
die am Kaunertaler Gletscher in Tirol im August 2015 eine zweiwöchige Marssimulation durchführen wird.
Dafür hat das Österreichische Weltraum Forum internationale ExpertInnen an Bord geholt, so auch Christine
Moissl-Eichinger und ihr Team. Wo sonst Snowboarder ihre Jumps perfektionieren wird eine kleine Feldcrew verschiedene
Experimente zur Vorbereitung zukünftiger bemannter Marsmissionen durchführen. "Dabei werden Analog-Astronauten
in Raumanzügen unterstützt durch mobile Fahrzeuge die Erkundung des Planeten Mars simulieren. Die Ziele
dieser Mission liegen auf der Hand: Der Gletscher bietet ein marsähnliches Umfeld und erlaubt menschlichen
ForscherInnen den aktuellen Stand der Instrumentation realitätsnah zu testen. Christine Moissl-Eichinger und
ihr Team sind mit ihrem eigenen Projekt am Start: Glacier-MASE. Ihr Analog-Astronaut wird unter Mars-Bedingungen
am Kaunertal-Gletscher auf die Suche nach (mikrobiellen) Leben gehen - in voller Montur, unter enormer Anstrengung
wird er Proben nehmen, vor Ort Kultivierungsversuche unternehmen und mikrobielles Leben nachweisen. Während
der Astronaut im Experimentierfeld unterwegs ist, sitzt das Grazer Team im mission support center des ÖWF
in Innsbruck, um während der Mission, im Falle des Falles, dem Astronauten per Funkverbindung beim Experiment
zur Seite stehen und die Durchführung zu kontrollieren.
Vom Weltall auf die Intensivstation
So besonders die Aktivitäten in der Grazer Weltraumforschungen auch klingen mögen: sie haben nicht nur
direkte Auswirkung auf die Planung und Durchführung von Lebensdetektionsmissionen im Weltall, sondern auch
auf den klinischen Alltag: Auch das Krankenhaus bietet extreme Biotope, in denen Mikroorganismen durch physikalische
und chemische Reinigungsmethoden in Schach gehalten werden. "Unsere Methoden aus der Astrobiologie können
wir direkt auf Intensivstation und Co. anwenden und können dort Mikroorganismen nachweisen, die vorher nicht
sichtbar gewesen sind", so Christine Moissl-Eichinger. Der Weltraum mit seinen unendliche Weiten liegt also
näher als man denkt, zumindest mikrobiell gesehen.
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