Das Gesamtwerk Anton Bruckners ist seit Kurzem online. Das Webarchiv bietet Bruckner-Fans
und Forscherinnen und Forschern einen einzigartigen Zugang zu Handschriften, Erstdrucken und Bildmaterial des österreichischen
Komponisten.
Wien (pr&d) - Anton Bruckner (1824-1896) ist neben den Wiener Klassikern der international wohl bekannteste
österreichische Komponist der ernsten Musik. Seine weltweite Beliebtheit macht sich auch in den zahlreichen
Musikarchiven bemerkbar, die Bruckners Werke bewahren. Neben vielen anderen beherbergt das Stift Kremsmünster
Handschriften des Komponisten, die dort zahlreichen Interessierten zur Verfügung gestellt werden. – Und das
hinterlässt Spuren. Bruckners Autografe sind zum Teil schon stark in Mitleidenschaft gezogen.
Umfangreiche Quellenrecherche
Die Abteilung Musikwissenschaft des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften hat nun in einem dreijährigen Projekt, gefördert durch den Wissenschaftsfonds
FWF, das beinahe gesamte Werk Bruckners digitalisiert und damit gleich mehrere Vorteile bewirkt. Zum einen sind
durch die Digitalisierung die wertvollen Originale künftig vor Abnützung geschützt. Zum anderen
können Bruckner-Fans nun auf die Noten im Internet zugreifen und viele Zusatzinformationen kostenlos und online
erhalten. Das Archiv enthält insgesamt 27.000 Bilder von nahezu allen Autografen und relevanten Abschriften
der Werke Anton Bruckners. Die Quellen sind im Besitz vieler verschiedener Eigentümer und teilweise schwer
zugänglich. Das stellte Robert Klugseder, Initiator und Projektleiter des Webarchivs, vor eine der größten
Herausforderungen: "Das Auffinden aller relevanten Quellen in nationalen wie internationalen Bibliotheken,
Archiven sowie in Privatbesitz und die Klärung der Rechtsfragen zur Online-Verwendung der Abbildungen durch
die Akademie der Wissenschaften waren der aufwändigste Teil des Projekts", so der Musikwissenschafter.
Öffentlicher Zugriff auf umfassende Daten
Die Recherchen haben sich jedenfalls gelohnt. Das virtuelle Bruckner-Archiv vereinigt nun das komplette Werk des
in Oberösterreich geborenen Komponisten der Romantik. Neben den Autografen stehen zu diesen Quellen umfangreiche
Detailbeschreibungen zur Verfügung, weiters 6.000 Abbildungen der Erstausgaben und der "Alten Gesamtausgabe".
Eine zusätzliche Bibliografie-Datenbank enthält zudem 9.422 Literaturzitate und bietet so ein umfassendes
und einmaliges Bild zu Leben und Werk Bruckners. Angesprochen werden "natürlich Bruckner-Forscherinnen
und -Forscher", so Klugseder zur Zielgruppe des Portals. Die vielen Zusatzinformationen sollen aber auch interessierte
Laien anziehen. Besondere Bedeutung hat das Archiv auch für Projekte wie jene der Herausgabe von Gesamtausgaben
des Musikwissenschaftlichen Verlags Wien und der Verlagsgruppe Hermann. "Die Bearbeiter der einzelnen Bände
können nun online auf die originalen Quellen zugreifen", erklärt der Wissenschafter die Vorteile
der Digitalisierung. Vor allem aber sei das Webprojekt als Gemeinschaftsplattform für die Bruckner-Forschung
gedacht, betont Klugseder. "Alle sind eingeladen, ihr Wissen in die Website miteinzubringen."
Online-Archiv eröffnet neue Möglichkeiten
Das jetzt zugängliche Archiv stellt den Abschluss der ersten Phase des Projekts dar. Als nächster
Schritt sind drei weitere Module für die Plattform geplant: das Werkverzeichnis Anton Bruckners, eine umfassende
Bilddatenbank und eine digitale Musikedition. Das 1977 erstellte Werkverzeichnis ist seit Längerem nicht mehr
aktuell. "Neue Werke sind hinzugekommen, falsch zugeordnete Werke müssen entfallen", sagt Klugseder.
Die Website mit dem umfassenden Quellenmaterial sei ein perfektes Tool zur Erstellung eines neuen Verzeichnisses.
In der digitalen Musikedition sollen ausgewählte Werke Bruckners als Edirom-Edition zugänglich gemacht
werden. Die Edirom-Technik ermöglicht die synoptische Darstellung verschiedener Autografen, Abschriften und
Drucke zu einem Werk am Bildschirm. "Besonders reizvoll ist das bei Werken, die in verschiedenen Versionen
oder Überarbeitungen überliefert sind und in Mischformen ediert wurden, wie zum Beispiel die 2. und 8.
Symphonie in der 'Alten Gesamtausgabe'", erklärt Klugseder.
Schwerpunkt "Digital Humanities" zum Erhalt kulturellen Erbes
Unter dem Schwerpunkt "Digital Humanities" vollziehen die Sozial- und Geisteswissenschaften aktuell den
technologischen Wandel von analog zu digital. Zahlreiche Forschungsprojekte widmen sich inzwischen dem Erhalt des
kulturellen Erbes mittels der neuen Technologien. Auch die Akademie der Wissenschaften forciert den Ausbau dieses
Schwerpunkts, in dessen Rahmen bruckner-online.at umgesetzt wurde. Im Bereich der Musikwissenschaft nimmt sie dabei
eine Vorreiterrolle in Österreich ein. Ein Pionier in Sachen digitaler Textmodellierung ist das Österreichische
Musiklexikon, das seit 13 Jahren auf die gängige XML-Technologie (eine Metasprache) zurückgreift.
Zur Person
Robert Klugseder ist Initiator des Bruckner-Online-Archivs. Der Musiker und Musikwissenschafter arbeitet seit
2008 am Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Klugseder ist maßgeblich an weiteren Digitalisierungsprojekten wie dem Portal für mittelalterliche Musikhandschriften
der Österreichischen Nationalbibliothek, http://www.cantusplanus.at,
beteiligt.
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