Reden von Haslauer, Ostermayer und Fischer / Die Festrede hielt der Schriftsteller Rüdiger
Safranski
Salzburg (lk) - Die 95. Salzburger Festspiele wurden am Vormittag des 26.07. mit einer Festveranstaltung
in der Felsenreitschule offiziell eröffnet. Nach der Begrüßung durch Festspielpräsidentin
Dr. Helga Rabl-Stadler folgte die Ansprache von Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer, in der er die Begegnung
mit dem Fremden thematisierte. Bundesminister Dr. Josef Ostermayer verwies auf die Rolle der Kunst bei der Wahrung
des sozialen Friedens. Der Schriftsteller und Philosoph Prof. Dr. Rüdiger Safranski stellte seine Festrede
unter das Motto "Zeit und Macht". Bundespräsident Dr. Heinz Fischer forderte in seiner Eröffnungsrede
ein Bekenntnis zu Pluralismus und Toleranz. Für die musikalische Gestaltung zeichnete das Mozarteumorchester
Salzburg unter Dirigent HK Gruber mit Werken von Kurt Weill verantwortlich.
Haslauer: Stolz sein auf kulturelle Leistungen des Kontinents
"Die Salzburger Festspiele haben unter der Intendanz von Sven Eric Bechtolf für 2015 ein inspiriertes
und inspirierendes Programm an Opern, Schauspiel und Konzerten zusammengestellt", betonte Landeshauptmann
Haslauer bei seiner Ansprache und stellte anhand der drei Opern Iphigénie en Tauride, Norma und Die Eroberung
von Mexico aktuelle Bezüge her: "Bei allen drei Bühnenwerken geht es in unterschiedlichen Facetten
um ein Thema, das Faszination und Angst, Chance und Bedrohung in sich birgt: die Begegnung mit dem Fremden und
dem Mechanismus von dessen Zerstörung, vor 400 Jahren genauso wie heute", so Haslauer.
60 Millionen Menschen seien weltweit aus verschiedenen Gründen und mit unterschiedlichen Zielen auf der Flucht.
"Sie alle wollen Sicherheit, sie alle wollen leben." Nach Erwin Ringel sei die Angst vor dem Fremden
vor allem auf mangelndes Selbstwertgefühl und mangelnde Stabilität zurückzuführen, so Haslauer,
der appellierte, diese Angst zu überwinden und auf das Erreichte stolz zu sein. Besonders die Festspiele zeigen,
"zu welchen geistigen, gestalterischen und künstlerischen Leistungen dieses Land, dieser Kontinent, unsere
Kultur fähig ist". Man müsse "den inneren Spannungsbogen zwischen Pflicht und Leidenschaft,
zwischen Humanität und Selbstschutz, zwischen Hilfsbereitschaft und Lebenswille mit einer Brücke verbinden:
Geben wir der Menschlichkeit die Weite, aber auch gleichzeitig einen Horizont, an dem sie ihre notwendige Perspektive
findet", sagte Haslauer.
Ostermayer: Die Kunst macht das Leben erträglicher
"Kunst und Kultur können uns helfen, Demagogen von seriösen Analytikern zu unterscheiden. Kunst
kann bereits dann die Grenzen zwischen Menschlichkeit und Unmenschlichkeit aufzeigen, noch bevor diese für
jeden offensichtlich geworden sind", so Bundesminister Ostermayer.
"Kunst kann uns helfen, auch in stürmischen Zeiten dennoch weiter am schmalen Grat der Zivilisation sicher
zu gehen, die Gefährdungen für diese errungene Zivilisation beim Namen zu nennen und dann und wann auch
den Finger schmerzhaft in die Wunden unserer Gemeinschaft zu legen. Kunst und Kultur kann uns zeigen, wie wichtig
es ist, über den sozialen Frieden in Europa und darüber hinaus nachzudenken und wie man ihn bewahren
kann. Wenn wir nicht verstehen, wer der andere ist und vor allem, warum er anders ist, mündet das in Rassismus,
Gewalt und Fremdenhass, eben in Eroberung. Im Idealfall sollten wir durch die Kunst reifer, klüger und gebildeter
werden. Die Kunst macht das Leben erträglicher", so Ostermayer.
Safranski: Revolution des gesellschaftlichen Zeitregimes erforderlich
Viele Bezüge zum "Rosenkavalier" stellte Rüdiger Safranski in seiner Festrede zum Thema Zeit
und Macht her. Zur Vergänglichkeit und zum Altern gehört "auch das Bewusstsein der Sterblichkeit,
der eigenen Befristung". Mehr noch aber fordert Safranski "eine neue Zeitpolitik, eine Revolution des
gesellschaftlichen Zeitregimes". Man müsste "andere Arten der Vergesellschaftung und Bewirtschaftung
der Zeit entwickeln und durchsetzen". Dabei werde die Zeit "notwendig zu einem politischen Thema und
gerät in den Bereich der politischen Entscheidungen".
Es sei eine politische Machtfrage, die Geschwindigkeiten der Ökonomie und der demokratischen Entscheidungen
aufeinander abzustimmen, "was darauf hinauslaufen würde, die Ökonomie unter das Zeitmaß demokratischer
Entscheidungen zu bringen". Ebenso sei es eine politische Machtfrage, "ob es der Finanzwirtschaft weiterhin
erlaubt bleiben soll, mit der Zukunft so gemeingefährlich zu spekulieren, wie sie das bisher getan hat und
noch tut. Es ist eine politische Machtfrage zu entscheiden, welchen Preis an Umweltschäden und Lebensbelastungen
wir zu zahlen bereit sind, nur um eine schnellere Fortbewegungsart zu ermöglichen. Es ist eine politische
Machtfrage, Lebenszyklen und Arbeitsprozesse zu synchronisieren. Und es ist eine politische Machtfrage, wie viel
Zeit wir den Kindern geben und lassen wollen und den Alten und dem Altern." Hierbei seien wir zwar nicht Herren
der Zeit. "Aber an der Art und Weise der Vergesellschaftung der Zeit können wir sehr wohl etwas ändern",
so Safranski.
Fischer: Bekenntnis zu Pluralismus und Toleranz
Ausgehend vom Anspruch der Salzburger Festspiele – allerhöchste Qualität, Internationalität und
Auseinandersetzung mit der Gesellschaft – ging Bundespräsident Fischer in seiner Eröffnungsrede im Anschluss
an die Festspielrede auf die aktuelle Situation der Asylsuchenden ein: "Grundrechte, Menschenwürde und
Rechtsstaat stehen auch heute weltweit auf dem Prüfstand." Worauf gerade Österreich jahrzehntelang
stolz sein konnte, sei heute nicht mehr ganz so selbstverständlich.
"Ich meine, dass es richtig und notwendig ist, sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen, die Rangordnung
unserer Werte nötigenfalls zurechtzurücken und dabei Mut zu zeigen. Wir können nicht Unmögliches
leisten, aber wir müssen Menschen, die brutal aus ihrer Lebensbahn geworfen, zur Flucht gezwungen und an den
Rand gedrängt werden, in die Augen schauen und uns selber in den Spiegel schauen können. Mauern und Zäune
an den Grenzen und in den Köpfen sind keine taugliche Antwort auf die Herausforderungen, mit denen wir es
heute auf diesem Gebiet zu tun haben", so Fischer.
Die Einstellung, "da kann man nichts machen", bringe uns nicht weiter, unterstrich Fischer. "Im
Gegenteil: Sie lähmt uns und wirft uns zurück." Und in den allermeisten Fällen könne man
sehr wohl etwas machen. Optimismus dürfe aber nicht mit blinder Zuversicht verwechselt werden. Er sei eine
Einstellung, die mit Realismus auf Probleme zugehe und diese durch entsprechende Anstrengungen zu lösen vorsehe.
Der Bundespräsident weiter: "Wenn es heute etwas gibt, das wir besonders nötig haben, dann ist es
die Form des Pluralismus, der Offenheit und der Zuversicht und der Wille, den Herausforderungen der Gegenwart und
der Zukunft mit Entschlossenheit zu begegnen.
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