Strafrechtsreform nimmt letzte parlamentarische Hürde

 

erstellt am
24. 07. 15
11.00 MEZ

Auch neues Erbrecht passiert den Bundesrat ohne Einspruch
Wien (pk) - Jahrelang wurde über eine bessere Strafbalance zwischen Gewaltdelikten auf der einen Seite und Wirtschafts- und Vermögensdelikten auf der anderen Seite diskutiert. Am 23.07. hat die umfassende Reform des Strafrechts die letzte parlamentarische Hürde genommen. SPÖ und ÖVP stimmten im Bundesrat dafür, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben. Damit können die neuen Bestimmungen wie geplant in Kraft treten. Auch gegen das neue Erbrecht machte die Länderkammer keine Einwände geltend.

Im Konkreten sieht die Strafrechtsreform vor, Gewaltdelikte strenger zu bestrafen und Wirtschafts- und Vermögensdelikte durch eine Anhebung der Wertgrenzen weniger rigoros als bisher zu ahnden. Außerdem werden verschiedene Tatbestände wie jene des Landfriedensbruchs, der Verhetzung und der Bilanzfälschung nachgeschärft, der Tatbestand der Untreue neu formuliert sowie einzelne Delikte wie "Cybermobbing" neu in den Strafkatalog aufgenommen. Ein strengeres Auge wirft die Justiz auch auf sexuelle Belästigung, Stichwort "Pograpschen". Bei Drogendelikten wird der Grundsatz "Therapie statt Strafe" weiter forciert.

In der Debatte äußerte der niederösterreichische FPÖ-Bundesrat Werner Herbert die Vermutung, dass es Ziel des Gesetzes sei, die Zahl der Häftlinge zu reduzieren. Der Strafrahmen werde teilweise in einem nicht unerheblichen Ausmaß herabgesetzt und Wertgrenzen deutlich nach oben verschoben, kritisierte er. Er glaubt außerdem, dass die Änderung des Verhetzungsparagraphen dazu gedacht ist, politische Mitbewerber mundtot zu machen. Als unverständlich wertete Herbert auch, dass zwar "Pograpschen" in einem eigenen Paragraphen geregelt wird, ein Berufsverbot für Pädophile aber nicht. "Gesetzlicher Nonsens" ist für ihn, dass nicht nur Zwangsehen bestraft werden, sondern auch Zwangsverpartnerungen.

Auch die Grüne Bundesrätin Nicole Schreyer aus Tirol lehnte das Gesetzespaket ab. Die Änderungen seien nicht schlecht, einige sogar sehr gut, räumte sie ein, den Grünen seien die neuen Bestimmungen aber zu wenig weitreichend. So gibt es ihrer Meinung nach noch immer zum Teil überschießende Strafdrohungen für Eigentumsdelikte. Kritik übte Schreyer außerdem an der Änderung des Verhetzungsparagraphen, den sie entgegen der allgemeinen Einschätzung "stark entschärft" sieht. Es werde in Zukunft noch schwieriger, den Vorsatz nachzuweisen, glaubt sie. Ausdrückliches Lob äußerte Schreyer für den besseren Schutz der sexuellen Integrität von Frauen.

Einige positive Punkte im Gesetz ortet auch FPÖ-Bundesrat Gerd Krusche aus der Steiermark, wobei er etwa das Bemühen um eine ausgewogenere Strafbalance zwischen Vermögens- und Gewaltdelikten hervorhob. Insgesamt ortet er aber eine Reihe von Mängeln.

Für Diskussionen sorgte ein von Herbert eingebrachter Entschließungsantrag, der auch von seinen FraktionskollegInnen Krusche und Monika Mühlwerth (Wien) unterstützt wurde, bei den anderen Fraktionen aber auf wenig positive Resonanz stieß und schließlich abgelehnt wurde. Herbert forderte eine Reihe von Vorkehrungen, um sexuelle Übergriffe in öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen zu verhindern und drängte in diesem Zusammenhang etwa auf ein lebenslanges einschlägiges Tätigkeitsverbot für verurteilte Sexualstraftäter.

Weder Justizminister Wolfgang Brandstetter noch die BundesrätInnen Klaus Fürlinger (V/O), Susanne Kurz (S/S) und Ingrid Winkler (S/N) konnten dieser Forderung etwas abgewinnen. Die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen seien ausreichend, es gebe keinen Handlungsbedarf, zeigten sie sich übereinstimmend überzeugt. Das Gericht habe bereits jetzt die Möglichkeit, unbefristete Berufsverbote für Pädophile zu verhängen, so Brandstetter. Herbert male Gespenster an die Wand und wolle sie mit Kanonen beschießen. Die RichterInnen würden mit dem ihnen zugestandenen Spielraum verantwortungsvoll umgehen, ist sich auch Fürlinger sicher.

Fürlinger ist auch insgesamt mit der vorliegenden Reform zufrieden. Die Bestrafung von Einbruchsdiebstählen und anderen Eigentumsdelikten sei in der Vergangenheit etwas aus der Waage geraten, meinte er. Ebenso wurde die Änderung des Untreue-Paragraphen von ihm ausdrücklich begrüßt. Die derzeitige Formulierung habe die Handlungsfreiheit von ManagerInnen stark eingeschränkt. Fürlinger hofft außerdem, dass in Zukunft behutsamer mit der Verhängung von U-Haft umgegangen wird.

Bundesrätin Kurz hielt fest, mit den vorliegenden Neuerungen werde das Strafrecht zeitgemäßer gestaltet, wobei sie unter anderem den besseren Schutz der sexuellen Integrität und der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen hervorhob. Sexuelle Belästigung sei kein Kavaliersdelikt, betonte sie. Auch der neue Straftatbestand "Cybbermobbing" und die Neuformulierung der "gefährlichen Drohung" wurden von ihr explizit positiv bewertet.

Es mache Sinn, immaterielle Rechtsgüter besser zu schützen, nannte Justizminister Brandstetter einen der Beweggründe für die Strafrechtsreform. Er erwartet sich, anders als FPÖ-Bundesrat Herbert, auch keine Verringerung der Häftlingszahlen, da es für Gewaltdelikte höhere Strafdrohungen gebe. Bei Drogendelikten komme es zu keiner Entkriminalisierung, versicherte Brandstetter, man vermeide lediglich die Anlegung von "Leerakten" in jenen Fällen, wo es um den Eigenkonsum von Drogensüchtigen gehe. In der Frage der sexuellen Würde und Integrität von Frauen wurde seiner Meinung nach "ein vernünftiger Kompromiss" gefunden.

Erbrecht wird modernisiert, Pflichterbe für Eltern abgeschafft
Nicht nur die Zustimmung der SPÖ- und der ÖVP-BundesrätInnen, sondern auch jene der Grünen erhielt das neue Erbrecht. Die von Justizminister Wolfgang Brandstetter erarbeitete Gesetzesvorlage sieht unter anderem vor, Eltern aus der Liste der Pflichterben zu streichen, die Enterbung naher Angehöriger unter gewissen Umständen zu vereinfachen und pflegende Angehörige stärker bei der Verteilung des Erbes zu berücksichtigen. Zudem ist es Erben von Familienbetrieben künftig möglich, ihre Miterben in Raten auszuzahlen. Damit soll der Fortbestand von Klein- und Mittelbetrieben sichergestellt werden. Testamente zugunsten früherer Ehegatten oder Lebensgefährten werden nach einer Scheidung automatisch als aufgehoben gewertet. Gibt es kein Testament und keine Verwandten, hat ein Lebensgefährte künftig Vorrang vor dem Staat.

Der oberösterreichische FPÖ-Bundesrat Hermann Brückl begründete die Ablehnung des Gesetzesbeschlusses durch seine Fraktion damit, dass viele Bestimmungen zu ungenau formuliert seien und damit viel Interpretationsspielraum offen ließen. So ist seiner Meinung nach etwa unklar, wer als Lebensgefährte gilt und wie Pflegeleistungen bewertet werden. Zudem seien etliche Fragen unbeantwortet geblieben. Positiv bewertete Brückl die künftig mögliche Pflichtteilsstundung, die insbesondere Erben von Familienunternehmen zugutekommt.

Für die Position der FPÖ zeigte Bundesrat Klaus Fürlinger (V/O) wenig Verständnis. Die Erbrechtsreform sei eine richtige und gute, unterstrich er und warf Brückl vor, "Flöhe im Pelz des Hundes zu suchen". Auch Susanne Kurz (S/S) und Nicole Schreyer (G/T) stellten sich hinter die Gesetzesvorlage, auch wenn sich Schreyer nicht mit allen Punkten zufrieden zeigte. Kurz sagte, sie sei froh, dass die Bestimmungen nach 200 Jahren modernisiert und vereinfacht werden und hob besonders die Stärkung des gesetzlichen Erbrechts des Ehepartners, das außerordentliche Erbrecht für LebensgefährtInnen und die Berücksichtigung von Pflegeleistungen hervor. Bundesrätin Schreyer hätte sich – trotz grundsätzlichen Lobs – unter anderem eine wesentlich stärkere Berücksichtigung von LebensgefährtInnen gewünscht, zudem befürchtet sie durch die Pflegeregelung Konflikte im Familienkreis.

Justizminister Wolfgang Brandstetter zeigte sich überzeugt, dass es gelungen ist, einen vernünftigen Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen zu finden.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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