EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert Grundsatzfragen des digitalen Binnenmarkts
Wien (pk) - Der EU-Ausschuss des Bundesrates befasste sich am 22.07. mit Vorhaben der EU in Zusammenhang
mit der Digitialisierung. Auf der Tagesordnung stand zuerst eine Mitteilung, die die EU-Kommission zur Strategie
für einen digitalen Binnenmarkt für Europa vorgelegt hat. Einigkeit besteht unter den BundesrätInnen
darüber, dass diese Materie einen ganz wesentlichen Einfluss auf den Standort und die Wettbewerbsfähigkeit
Europas hat und eine große Frage der Innovation darstellt. Dazu beschloss der Ausschuss, seinerseits eine
Mitteilung an die Kommission zu richten. Nachdem die Opposition diese Mitteilung als zu wenig konkret kritisierte,
wurde sie nur mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ beschlossen.
Ein weiterer Punkt, der lebhaft diskutiert wurde, war ein Verordnungsentwurf zu einer Datenschutz-Grundverordnung
für Europa. Der Entwurf wurde von den Ausschussmitgliedern mit Skepsis aufgenommen. Vorbehalte gab es gegen
die vorgesehenen Regelungen zum Datenschutz, es wird befürchtet, dass sie zu einer Absenkung des derzeitigen
hohen österreichischen Niveaus führen könnten. Österreich hat diese Befürchtungen auf
EU-Ebene bereits mehrfach geäußert. Der Ausschuss plant, bis zu seiner nächsten Sitzung eine gemeinsame
Mitteilung aller Fraktionen zu dieser Frage zu erarbeiten.
Digitaler Binnenmarkt als großes Zukunftsthema für Europa
Die Mitteilung der Kommission zur Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa gab Anlass zu
einer engagierten Diskussion zwischen den Bundesrätinnen und Bunderäten. Ausschussvorsitzender Edgar
Mayer (V) und SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach beantragten eine Stellungnahme des Bundesrates zu diesem großen
EU-Projekt in Form einer Mitteilung an die Europäische Kommission.
Der Bundesrat begrüßt in dieser Mitteilung grundsätzlich die Idee einer gesamteuropäischen
Strategie. Er merkt an, dass der allgemeine rechtliche Rahmen des Binnenmarkts jedenfalls ein hohes Maß an
Rechtssicherheit bieten, die Grund- und Menschenrechte achten und zugleich unnötige bürokratische Hürden
abbauen müsse. Betont wird auch die Bedeutung der Datensicherheit. Zur Frage des Online-Handels wird vom Bundesrat
festgestellt, dass angesichts der Auswirkungen des digitalen Binnenmarkts auf die etablierten Geschäfts- und
Wirtschaftsmodelle, sowie auf den traditionellen Handel und Einzelhandel in den Einkaufsstraßen, eine Folgenabschätzung
der vorgeschlagenen Maßnahmen wünschenswert ist. Zudem müssten genauere Aussagen darüber getroffen
werden, welche Rolle die regionale und die lokale Ebene in diesem Kontext einnehmen kann bzw. soll.
Nicht zufrieden mit der geplanten Mitteilung zeigten sich Marco Schreuder (G) und Monika Mühlwerth (F). Sie
enthalte zwar nichts, dem sie widersprechen würden, aber angesichts der Fülle der aufgeworfenen Fragen
sei der vorgelegte Text nichtssagend, stimmten die VertreterInnen der Opposition überein. Sie kündigten
an, der Mitteilung nicht ihre Zustimmung geben zu wollen. Bundesrat Schreuder vermisste in der Mitteilung unter
anderem klare Vorgaben zu Datenschutz und Netzneutralität. Mühlwerth schloss sich dieser Einschätzung
an und befand, die Politik sei in der Frage des digitalen Binnenmarkts den Entwicklungen weit hinterher.
Ausschussobmann Mayer wies darauf hin, dass die Mitteilung des Bundesrates sehr wohl wichtige Punkte anspreche
und damit schon konkreter sei als das Papier der Kommission, das sich in Schlagworten erschöpfe. Dieser Einschätzung
schloss sich Eduard Köck (V) an. Seitens der SPÖ meinte Stefan Schennach, man befinde sich zweifellos
in einem Bereich, der ein wichtiges Zukunftsthema betreffe. Ein gewaltiger Strukturwandel zeichne sich ab, auf
den man Antworten finden müsse. Schennach meinte, er sei offen für Gespräche über eine erweiterte
Mitteilung, sobald die Kommission genauere Angaben über die geplanten Maßnahmen macht.
Sein Fraktionskollege Wolfgang Beer konzedierte, dass die Mitteilung der Kommission in vielen Punkten mehr Fragen
aufwerfe, als sie beantworte. Viele Grundsatzfragen, etwa zum Versorgungsauftrag in der Bereitstellung von digitaler
Infrastruktur, oder was der digitale Binnenmarkt für die Wirtschaft, insbesondere KMU, sowie für KonsumentInnen
bedeute, seien von der Kommission offen gelassen worden. Er fand mit diesen Ausführungen auch die Zustimmung
der Opposition.
Die Mitteilung wurde schließlich nur mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschlossen.
Die Strategie der EU-Kommission zum digitalen Binnenmarkt ist auf mehrere Jahre angelegt und konzentriert sich
auf zentrale, miteinander verknüpfte Maßnahmen. Zum einen sollen grenzüberschreitende Online-Aktivitäten
nicht länger behindert werden, weshalb ein besserer Online-Zugang für KonsumentInnen und Unternehmen
zu Waren und Dienstleistungen in ganz Europa angestrebt wird. Zum anderen will man entsprechende Bedingungen für
florierende digitale Netze und Dienste schaffen, was hochleistungsfähige, sichere und vertrauenswürdige
Infrastrukturen sowie Inhaltsdienste benötigt, die durch geeignete Bedingungen für Innovationen, Investitionen,
fairen Wettbewerb und Chancengleichheit gestützt werden. Schließlich drängt die Kommission auf
Investitionen in die IKT-Struktur und in Technologien wie Cloud-Computing und Big Data sowie in Forschung und Innovation,
um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken, aber auch um die öffentlichen Dienste, Inklusion
und Kompetenzen zu verbessern.
Bundesrat teilt Bedenken am Verordnungsentwurf der EU zu einer Datenschutz-Grundverordnung
In einer weiteren Runde befassten sich die BundesrätInnen mit dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen
Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und
zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung). Hier zeigten sich die Mitglieder des Ausschusses skeptisch
über das Niveau des Datenschutzes, wie es in der Verordnung nach derzeitigem Verhandlungsstand geplant ist.
Wie schon der EU-Unterausschuss des Nationalrats betonten sie, dass das hohe Niveau des Datenschutzes in Österreich
nicht abgesenkt werden dürfe.
Das geltende hohe inländische Schutzniveau wird durch das Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) gewährleistet,
das wiederum auf der EU-Datenschutz-Richtlinie aus dem Jahr 1995 basiert, erläuterte Eckhard Riedl als Auskunftsperson
seitens des Bundekanzleramts. Ziel der seit drei Jahren laufenden Verhandlungen in der EU ist es, eine Harmonisierung
der unterschiedlichen nationalen Vorschriften und damit auch ein einheitliches Datenschutzrecht innerhalb der Union
zu erreichen. Diese bisherige EU-Richtlinie, die von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt wurde,
soll nun durch eine EU-Verordnung ersetzt werden, die in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar ist und nach
derzeitigem Stand keinen nationalen Spielraum – etwa in Form höherer Standards – zulassen soll.
Konkret sollen mit der Verordnung die Regeln für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch private
Unternehmen und öffentliche Stellen EU-weit vereinheitlicht werden. Damit will man einerseits den Schutz von
personenbezogenen Daten innerhalb der EU sicherstellen und andererseits den freien Datenverkehr innerhalb des Binnenmarktes
gewährleisten.
Die Hauptgesichtspunkte der Verordnung betreffen zunächst das "Recht auf Vergessenwerden", womit
Daten im Internet leichter gelöscht werden und damit BürgerInnen wieder Kontrolle über ihre eigenen
personenbezogenen Daten erlangen können. Für Unternehmen, die in der EU tätig sind, gilt dann auch
ein gemeinsames Datenschutzrecht, wodurch ein Wettbewerbsvorteil durch weniger Datenschutz in einem Land wegfallen
soll. Die Verordnung sieht bei ernsthaften Verstößen künftig hohe Strafen vor und soll auch für
Unternehmen gelten, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union haben. Für Unternehmen soll
es gleichzeitig Vereinfachungen geben, insofern sich die Auftraggeber nur mehr an eine Datenschutzbehörde
wenden müssen, und zwar an jene in dem Land, in dem sich die Hauptniederlassung oder die einzige Niederlassung
des Unternehmens befindet.
Die Verordnung würde letztlich eine grundlegende Umgestaltung des DSG 2000 bzw. ein gänzlich neues Gesetz
erfordern, stellte Riedl fest. Die Bedenken in Fragen des Datenschutzniveaus sei einer der zentralen Gründe,
warum Österreich, gemeinsam mit Slowenien, beim Rat der Justiz- und Innenminister am 15. Juni gegen den Text
der "allgemeinen Ausrichtung" der EU zur Verordnung gestimmt habe. Österreich beharre auf dem Standpunkt,
dass die Verordnung keine Absenkung des nationalen Datenschutzniveaus nach sich ziehen dürfe. Daher werde
man weiter auf Flexibilisierung der Verordnung drängen, Österreich sehe sich hier in einer guten Verhandlungsposition,
da auch andere EU-Länder wie Frankreich und Italien einzelne Einwände Österreichs teilen.
Marco Schreuder (G) unterstützte die österreichische Haltung zur geplanten Grundverordnung. Diese Verhandlungsposition
werde auch von Seiten der NGOs positiv bewertet. Einige Aspekte seien allerdings durchaus positiv, wenn nun etwa
Verstöße gegen den Datenschutz durch große Firmen "saftige Strafen" nach sich ziehen
würde. Er stimmte mit ÖVP-Bundesrätin Sonja Zwazl überein, dass diese Strafdrohungen besonders
im Falle von KMU "mit Augenmaß" erfolgen müssten, es sei nicht Sinn der Sache, Firmen in den
Ruin zu treiben. Zwazl meinte, sie würde sich auch eine echte Entlastung der Unternehmen von Verwaltungsaufwand
wünschen, nur eine bestehende Bestimmung durch eine andere zu ersetzen, stelle noch keine Vereinfachung dar.
Für die FPÖ hielt Monika Mühlwerth fest, ein hohes Niveau an Datenschutzbestimmungen sei eine selbstverständliche
Forderung, sie entbinde aber niemand von der Eigenverantwortung im Umgang mit seinen Daten und ihrer Weitergabe.
Hierzu meinte Schreuder, dass das Prinzip der expliziten Einwilligung gestärkt werden müsste.
Stefan Schennach (S) meinte, Datenmissbrauch in schwerwiegenden Fällen sollte jedenfalls strenger geahndet
werden. Er sah grundsätzliche Übereinstimmung der Positionen, etwas was das nationale Datenschutzniveau
und die Vermeidung von Belastungen für KMU betrifft, und regte an, nach weiteren Diskussionen eine gemeinsame
Mitteilung des Ausschusses zu formulieren. Ausschussobmann Edgar Mayer (V) sprach sich ebenfalls in diesem Sinne
aus. Das Thema sei in der nächsten Ausschusssitzung im September weiter zu diskutieren. Er hoffe, dass eine
gemeinsame Mitteilung des Ausschusses formuliert werden kann, um damit die österreichische Verhandlungsposition
in der EU zu stärken. Nachdem die VertreterInnen sowohl der SPÖ als auch der Freiheitlichen und Grünen
ihre Zustimmung zu diesem Vorgehen signalisierten, wurde der Tagesordnungspunkt vertagt.
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