Weiter starker Rückgang bei Firmeninsolvenzen um 11% – Privatinsolvenzen steigen wieder
kräftig
Wien (creditreform) - Die endgültigen Zahlen der Creditreform Firmeninsolvenzstatistik für das
1. Halbjahr 2015 zeigen einen weiteren Rückgang bei der Zahl der Firmeninsolvenzen um minus 11,1% auf 2.610
Verfahren. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist dabei um 8,4% auf 1.528 Fälle, die mangels Vermögen
abgewiesenen Insolvenzen um 14,6% auf 1.082 gesunken. Bei allen Insolvenzverfahren waren in Summe rund 8.000 Arbeitsplätze
betroffen, die Insolvenzverbindlichkeiten betrugen ca. 860 Mio. Euro. Bemerkenswert ist der überdurchschnittliche
Rückgang bei den Sanierungsverfahren, denn nur noch 14% aller Insolvenzverfahren werden als Sanierungsverfahren
eröffnet. Das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung (durch den Schuldner) mit einer Mindestquote von 30%
droht das Schicksal mit dem alten Ausgleichsverfahren zu teilen und zum toten Recht zu werden.
Eine typische Insolvenz betrifft ein Einmannunternehmen bzw. ein Unternehmen mit rund 5 Dienstnehmern, welches
vornehmlich im Bau(neben)gewerbe, im Transportwesen oder in der Gastronomie tätig ist, weniger als 500.000
Euro an Verbindlichkeiten hat und oft infolge von Rückständen beim Finanzamt oder der Gebietskrankenkasse
insolvent wurde. Die Hauptinsolvenzursache liegt in kaufmännischen Fehlern der Inhaber bzw. Geschäftsführer.
Dazu Creditreform-Geschäftsführer Rainer Kubicki: "In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab
es kaum Großinsolvenzen. Betroffen waren überwiegend Klein- und Kleinstunternehmen. Dort fehlt es nicht
selten am Wissen um das unternehmerische Einmaleins wie z.B. in den Bereichen (Preis-)Kalkulation, Buchhaltung,
Risikomanagement und dem pünktlichen Bezahlen der öffentlichen Abgaben."
Bundesländervergleich
Den größten Rückgang verzeichneten die Bundesländer Vorarlberg (-36,8%), Tirol (-35,0%)
und Oberösterreich (-21,8%), den geringsten Wien (-3,6%), die Steiermark (-5,6%) und Niederösterreich
(-5,7%). Die höchste relative Insolvenzbetroffenheit herrschte in Wien mit 10 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen.
Österreichweit wurden im Durchschnitt 7 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen gezählt.
Branchenvergleich
Die drei am stärksten betroffenen Branchen sind - wie üblich - das Bauwesen mit 19,5, die Branche
"Verkehr- und Nachrichtenübermittlung" (Transportwesen) mit 17 und die Branche "Beherbergungs-
und Gaststättenwesen" mit 9,1 Insolvenzen je 1.000 Branchenunternehmen. Den größten Rückgang
gab es im Kredit- und Versicherungswesen mit 27,4%. Erfreulich für den Industriestandort Österreich ist
der Insolvenz-Rückgang in der Branche "Sachgütererzeugung" um gut 11%. Auch zeigen sich Österreichs
Industrieunternehmen mit einer Insolvenzquote von 5,4 je 1.000 Unternehmen als krisenrobust.
Conclusio 1. Halbjahr 2015
Die Ursachen für diese aktuelle Entwicklung sind vielschichtig. Die Banken haben billiges Geld zu Verfügung
und investieren viel in die Kreditrestrukturierung ihrer Klientel. Dem Vernehmen nach soll es mehr als viermal
so viele außergerichtliche Restrukturierungs- und Sanierungsverfahren als Insolvenzen geben. Öffentliche
Gläubiger verhalten sich zudem zurückhaltender bei der Stellung von Insolvenzanträgen. Dazu kommt
ein schwaches Unternehmensgründungs-geschehen: weniger neue Unternehmen bedeuten auch weniger Auslese durch
Insolvenzen. Österreichs Unternehmen verfügen zudem über einen im europäischen Vergleich überdurchschnittlichen
Kapitalpolster. Man agiert einfach vorsichtiger und hat weniger und geringere offene Forderungen beim Lieferanten
bzw. kürzere Außenstandszeiten. Sie haben im Großen und Ganzen ihr Risikomanagement den volatilen
Zeiten angepasst.
Entgegen diesem erfreulichen Insolvenztrend zeigen die Antworten der im Frühjahr von Creditreform befragten
1.500 Unternehmen ein anderes, sehr pessimistisches Bild. Bei der aktuellen und zukünftigen Umsatz-, Ertrags-,
Personal- und Investitionsentwicklung weisen alle Parameter kontinuierlich nach unten. Bei den wirtschaftlichen
Erwartungen befinden sich die heimischen Unternehmen am Tiefpunkt wie zuletzt zu Beginn der Finanzkrise 2008/2009.
Die heimische Konjunktur hinkt der europäischen hinterher, die Arbeitslosenzahlen klettern nach oben. Niedrige
Zinsen und billiges Öl, günstiger Eurowechselkurs und selbst die nach wie vor dampfende Wirtschaftslokomotive
Deutschland ändern daran nichts. Es herrscht in weiten Teilen Pessimismus vor, die Konsumlaune geht weiter
zurück. Grosso modo wird sich im Gesamtjahr 2015 kurzfristig nichts an der momentanen Insolvenzsituation ändern,
die weitere zukünftige Entwicklung dürfte aber herausfordernd werden.
41 Privatinsolvenzen pro Werktag
Die endgültigen Zahlen der Creditreform Privatinsolvenzstatistik für das 1. Halbjahr 2015 zeigen,
dass sich der im 1. Quartal eingesetzte Trend weiter verstärkt. Die Insolvenzen von Privatpersonen steigen
nach Jahren des Rückganges in Summe wieder kräftig an: Die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren
ist in Österreich um fast 5% auf 4.432 Verfahren gestiegen. Die Durchschnittsverschuldung in Privatinsolvenzen
betrug über 70.000 Euro. Hauptgläubiger sind Banken, Versicherungen, Mobilfunkbetreiber und Leasingunternehmen.
Dazu Creditreform-Geschäftsführer Rainer Kubicki: "Die steigende Arbeitslosigkeit und die maue Konjunktur
machen sich in der Insolvenzstatistik bemerkbar. Vor allem gescheiterte Unternehmer, welche ein knappes Drittel
der Insolvenzen ausmachen, tragen zum Zuwachs bei.
Bundesländervergleich: Rund 8 von 10.000 Erwachsenen sind zahlungsunfähig/überschuldet
Ein Blick auf die einzelnen Bundesländer zeigt ein unterschiedliches Bild. Während Niederösterreich
(+13,1%), Wien (+12,3%) und Salzburg (+7,2%) große Zuwächse verzeichnen, gehen in der Steiermark (-16,3%),
im Burgenland (-15,8%) und in Tirol (-7,0%) die Insolvenzen stark zurück.
Mit fast 16 von 10.000 erwachsenen Personen sind die Wiener doppelt so stark von einer Insolvenz betroffen als
der österreichische Durchschnitt mit rund 8 von 10.000 zahlungsunfähigen Erwachsenen.
Conclusio 1. Halbjahr 2015
Als Interessensvertreter der Gläubiger fordert Creditreform schon seit Jahren mehr finanzielle Allgemeinbildung,
da diese zu mündigen, selbstverantwortlichen Bürgern führt und Überschuldungskarrieren und
rasches Scheitern als Selbstständige verhindern kann. Daher schließt sich Creditreform der Forderung
der Schuldnerberatungen nach einem Pflichtschulfach vollinhaltlich an. Information und Bildung sind die besten
Präventionsmaßnahmen.
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