Ansichtssache #13 präsentiert ab 30.7.
neue Erkenntnisse
Wien (khm) - Die Ansichtssache #13 widmet sich ab 30. Juli 2015 dem berühmten Portrait der zweiten
Frau von Peter Paul Rubens, Helena Fourment (1614 - 1673), das von Rubens und seiner Familie immer nur "Das
Pelzchen" genannt worden ist. Es handelt sich in vielerlei Hinsicht um ein ungewöhnliches Werk, das zur
genauen Betrachtung einlädt - schon deshalb, weil Rubens es nicht für den Kunstmarkt, sondern für
sich selbst gemalt hatte. Jüngste technologische Analysen lieferten nun spektakuläre Erkenntnisse zur
Malgenese dieses Hauptwerkes der niederländischen Portraitkunst des 17. Jahrhunderts.
Anlässlich der Ausstellung "Rubens in Private. The Master Portrays His Family" im Antwerpener Rubenshuis
wurde das Werk mit einer neuen Technik untersucht, die erstaunliche Ergebnisse brachte. Ein multidisziplinäres
Team - bestehend aus einem Naturwissenschaftler der Universität Antwerpen, einer Kunsthistorikerin der Katholischen
Universität in Löwen sowie einer Kuratorin und einer Restauratorin der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen
Museums - unterzog das Gemälde einem Makro-Röntgenfluoreszenz-Scanning (Makro RFA Scan). Mit dieser Technik
wird analysiert, aus welchen Elementen eine Malschicht zusammengesetzt ist, ohne in diese eingreifen zu müssen.
Damit kann eine Art Landkarte der Elemente auch von darunterliegenden, heute nicht mehr sichtbaren Malschichten
erstellt werden, die Rückschlüsse auf die Bildgenese zulassen.
Heute sieht man auf dem Bild Helena ganzfigurig, nackt, nur spärlich mit einem Pelzmantel bedeckt, vor einem
dunklen Hintergrund auf einem roten Teppich stehen. Rechts hinter ihr zeichnet sich bei genauem Hinsehen und gutem
Licht dann noch ein Löwenmaskaron ab, aus dem Wasser fließt. Da solche Brunnenauslässe für
gewöhnlich nicht im Inneren eines Hauses gebraucht wurden, stellte sich die Frage, wo Helena eigentlich steht.
Um dies zu klären, wurde vom Bereich rechts hinter Helena ein Scan angefertigt, der für das Element Blei
ein bemerkenswertes Bild lieferte. Rubens hatte ursprünglich hinter seiner Frau einen Brunnen mit zwei Ebenen
in einer mit einem Rundbogen abschließenden Nische gemalt; auf der oberen Ebene stand ein puer mingens: ein
kleiner, steinerner, gelockter Bub, der sein Hemdchen hochhält, um Wasser zu lassen. Helena stand also ursprünglich
im Freien.
Rubens ließ sich bei dieser Brunnenstatue einerseits von einer antiken Statue inspirieren, die er in Rom
gezeichnet hatte und die sich heute im Louvre befindet, andererseits hat er unter anderem Anregungen von Tizian
verarbeitet. Diese Art von Brunnen ist einzigartig in seinem Werk. Der urinierende Junge wurde in der Renaissance
als Symbol für Fruchtbarkeit und Sexualität gedeutet. Helena Fourment war zweifellos eine sehr fruchtbare
Frau: In den zehn Jahren ihrer Ehe mit Rubens gebar sie fünf Kinder, von ihrem zweiten Mann, Jan-Baptist van
Brouchoven van Bergeyck, stammen weitere sechs.
Offenbar lenkte der Brunnen dann aber doch zu sehr von der in Antwerpen gefeierten Schönheit ab, oder die
Anspielung erschien ihm dann doch zu direkt - Rubens änderte jedenfalls seine Meinung, übermalte den
Hintergrund mit einer neutralen dunklen Farbe und legte anstelle des Brunnenbeckens den Teppich mit dem roten Kissen.
Das war nicht die einzige grundlegende Änderung im Malprozess, wie eine von den Restauratorinnen der Gemäldegalerie
des Kunsthistorischen Museums durchgeführte Analyse der Brettstruktur des Holzbildes zeigt. Eigentlich hatte
alles als Halbfigur begonnen, wahrscheinlich wie bei Tizians Mädchen im Pelz, das Rubens während seines
Besuches in London in der Sammlung von König Charles I. gesehen und kopiert hatte; es befindet sich heute
ebenfalls im Kunsthistorischen Museum, und die beiden Gemälde werden im Rahmen von Ansichtssache #13 gemeinsam
im Kabinett 24 der Gemäldegalerie zu sehen sein.
Da Rubens dieses Portrait Helenas zu seinem Privatvergnügen malte, konnte er seiner Phantasie freien Lauf
lassen, die Eichenholztafel je nach Bedarf anstücken und daraus das geheimnisvolle Bildnis Helenas machen,
das wir heute sehen. Denn warum Helena praktisch nur mit dem Pelzmantel bedeckt ist, ob sie diesen gerade rafft
oder fallen lässt:
Es bleibt dem Betrachter überlassen, dies zu deuten.
Mit den "Ansichtssachen" hat die Gemäldegalerie im Jahr 2012 eine neue Ausstellungsreihe ins Leben
gerufen. Im Fokus steht dabei jeweils ein außergewöhnliches Bild der Sammlung, das aus Platzgründen
nur selten gezeigt wird oder das durch jüngere Forschungsergebnisse zu einer erneuten Betrachtung einlädt.
Ansichtssache #13 ist von 30. Juli bis 29. November 2015 in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums
zu sehen.
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