Haslauer: Werk regt an, sich mit den viel zu wenig bekannten Rändern Europas auseinanderzusetzen
Salzburg (lk/bpd) - Der rumänische Schriftsteller Mircea Cartarescu wurde am 27.07. mit dem Österreichischen
Staatspreis für Europäische Literatur 2015 ausgezeichnet. Cartarescu wurde vor allem durch eine Romantrilogie
("Orbitor") über die Zeit der Ceausescu-Diktatur und die nachfolgenden Transformationsprozesse in
Rumänien bekannt.
"Mircea Cartarescu steht mit der heutigen Preisverleihung in einer Reihe mit literarischen Denkmälern
– von Calvino bis Eco, von Havel bis Modiano, der danach Literaturnobelpreisträger wurde, bis zur großartigen
Ljudmila Ulizkaja, die hier vor einem Jahr mit dem Staatspreis ausgezeichnet worden ist", sagte Bundesminister
Josef Ostermayer anlässlich eines Festaktes in der SalzburgKulisse im Haus für Mozart, wo der rumänische
Schriftsteller Mircea Cartarescu mit dem Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur
ausgezeichnet wurde. "Literaturkritiker übten sich bei der Formulierung ihrer Begeisterung für seine
Trilogie 'Orbitor' nicht in Zurückhaltung: immense Sprachkraft, fiebrige Intensität, ungezügelte
Phantasie, präzise poetisch-dichte Sprache, genial, gigantisch, größenwahnsinnig, überwältigend.
Und daher freue ich mich darüber, dass Sie heuer von der Jury ausgewählt wurden, wofür ich mich
sehr herzlich bedanken möchte", so Ostermayer.
"Die Begegnung mit Mircea Cartarescu und seinem lyrischen und epischen Werk lädt sehr eindringlich
zum intensiven Notiz-Nehmen ein. Ich begrüße daher sehr die von der Jury vorgenommene, kluge Zuwendung
der literarischen Wahrnehmung hin zu den uns viel zu wenig bekannten Rändern Europas. Anhand des literarischen
Werkes von Mircea Cartarescu können wir die schwindelerregende Hochschaubahn-Erfahrung der Rumänen nachlesen
und dadurch wenigstens annähernd nachempfinden", erklärte Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer
in seinen Grußworten bei der feierlichen Überreichung des Staatspreises durch Kulturminister Dr. Josef
Ostermayer im Salzburger Haus für Mozart.
Es spreche alles dafür, Literatur ganz bewusst europäisch zu buchstabieren, so, wie es auch dieser Staatspreis
seit 50 Jahren eindringlich nahelegt. "Möge diesem Preis dabei in den nächsten 50 Jahren seines
Bestehens noch mehr Erfolg bei der Erfüllung seiner europäischen Aufgabe beschieden sein. Salzburg ist
gerne bereit, daran mitzuwirken. Wir können gewiss sein, dass eine europäische Einigung, die nicht bloß
oberflächlich an ein paar ökonomischen Globaldaten hängen bleibt, sondern wirklich in die Tiefe
geht, nicht ohne das Binde-Mittel Kunst – und hier vor allem Literatur – zu haben sein wird", so der Landeshauptmann
weiter.
50 Jahre Staatspreis-Verleihung in Salzburg
Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur wird seit 1965 alljährlich in Salzburg
vergeben. Der internationale Literaturpreis geht auf das österreichische Unterrichtsministerium zurück,
das den Preis ursprünglich unter dem Namen Nikolaus-Lenau-Preis initiierte. Ausgezeichnet wird das literarische
Gesamtwerk eines europäischen Schriftstellers, dessen Werk in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen
muss. Die ausgezeichneten Schriftsteller erhalten ein Preisgeld im Betrag von 25.000 Euro.
Die Jury begründete ihre Entscheidung für Cartarescu folgendermaßen: "Auf der Folie der rumänischen
Geschichte formuliert Mircea Cartarescu auf großartige und unvergleichliche Weise einen exzessiven, maßlosen
Traum von Verwandlung und Metamorphose. Mit gleichermaßen anspielungsreichen wie wüsten und phantasmagorischen
Bildern erschafft er ein Universum an der Grenze zu Perversion und Wahnsinn, in dem alle Trennungen aufgehoben
sind und Erlösung verheißen wird."
Mircea Cartarescu: Leben und Werk
Mircea Cartarescu stammt aus ärmlichen Verhältnissen und wuchs in Bukarest auf. Nach einem Philologie-Studium
und einer mehrjährigen Tätigkeit als Hauptschullehrer arbeitete Cartarescu als Lektor für rumänische
Sprache und Literatur an der Bukarester Universität. Seine schriftstellerische Vorliebe galt bis 1989 ausschließlich
der Poesie. Der Gedichtband "Faruri, vitrine, fotografii" ("Scheinwerfer, Schaufenster, Lichtbilder")
brachte ihm 1980 den Preis des Rumänischen Schriftstellerverbandes ein. In den nächsten zwanzig Jahren
veröffentlichte Cartarescu "Poeme de amor" ("Liebesgedichte"), "Totul" ("Das
Ganze"), "Levantul" ("Levante"), "Dragostea" ("Die Liebe"), "Dublu
CD" ("Doppelte CD") und "50 Sonete" ("50 Sonette"). Cartarescu ist heute auch
im Westen anerkannt als einer der bedeutendsten Vertreter des rumänischen Postmodernismus. Bereits im März
2015 wurde Cartarescu mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung für seine im Zsolnay
Verlag erschienene "Orbitor"-Trilogie - Die Wissenden (2007), Der Körper (2011), Die Flügel
(2014) – geehrt.
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