Glaubensflüchtlinge trafen in den 1730er Jahren in Amerika auf freundliche Indianer und
auf afrikanische Arbeitssklaven
Salzburg (lk) - Was Salzburger Protestanten auf dem Weg in die Neue Welt von Indianerkönigen hielten,
wie sie von den einheimischen Indianern in Georgia willkommen geheißen wurden und was ausgewanderte Salzburger
von Sklaven aus Afrika hielten, beleuchtet ein neuer Grenzfall aus Übersee, der am 05.08. auf salzburg.at, der Plattform für die Europaregion, veröffentlicht wurde.
Salzburger, die mit Indianerhäuptlingen über den Atlantik segeln, sind eine eher rare Erscheinung in
der Landesgeschichte. Nichtsdestotrotz ist eine solche Überfahrt historisch verbürgt, es gibt darüber
sogar einen Zeitungsbericht im "Wienerischen Diarium".
Wie kam es dazu? Eine kleine Gruppe der 1732 aus Salzburg wegen ihres protestantischen Glaubens vertriebenen Emigranten
gelangte über Rotterdam auf dem damals abenteuerlichen und für viele tödlichen Seeweg bis in die
damalige britische Kolonie Georgia. 150 ehemalige Salzburger gründeten einige Meilen flussaufwärts von
der eben errichteten Hauptstadt Savannah eine Ortschaft, der sie den biblischen Namen Ebenezer – "Stein der
Hoffnung" – gaben. 1734 traf ein weiteres Kolonistenschiff ein. Mit an Bord war neben Salzburger Auswanderern
eine Abordnung "Indianisch-Königlicher Personen" auf der Rückfahrt von einer Einladung beim
britischen König. "Die ganze Reise über haben die Indianer ihre schon bekannte Modestie in allem
blicken lassen", wird deren Bescheidenheit anerkennend hervorgehoben.
Pfirsichbäume gegen Skorbut
Auch der Empfang durch die dort ansässigen Creek-Indianer war herzlich. "Die Indianer streckten Hände
nach mir aus, um damit ihre Freude über die Ankunft zu bezeugen", berichtet der junge Freiherr Philipp
Georg Friedrich von Reck, der Reisekommissar der Auswanderer. Viele der Salzburger waren als Bergknappen das alpine
Klima gewohnt, in den sumpfigen und sandigen Flussauen Georgias konnte der Kontrast nicht größer sein.
Durchfall, Malaria und Skorbut machten den Salzburgern zu schaffen. Bis zur Hälfte der Auswanderer überlebte
die ersten drei Jahre nicht. Erst 1739 konnte die erste ausreichende Ernte eingefahren werden. Die Indianer stellten
sich bereitwillig als Jagdführer zur Verfügung und schenkten den weißen Siedlern Wildbret und Pfirsichbäumchen
gegen den Vitaminmangel. Sehr begehrt bei den Indianern waren Rosinen.
Bunter Mix der Kulturen
Die Ureinwohner wurden als friedliebend beschrieben, auf Beleidigungen forderten sie still Genugtuung und merkten
sich dies ein Leben lang, wenn sie ihnen verweigert wurde. Indianersprache und Salzburger Dialekt wurden ausgetauscht,
bald auch Rum, der sich verheerend auf die Indianer auswirkte. Der geistliche Anführer der Vertriebenen, Johann
Martin Boltzius, ein gebürtiger Norddeutscher, beschrieb in seinen Tagebuchaufzeichnungen einen Fall von Ehebruch
zwischen einem weißen Siedler und einer Indianerin. Sie büßte dafür Haare und Ohren ein,
der Europäer wurde vor Gericht gestellt und hart bestraft, was von den Indianern begrüßt wurde.
Boltzius war es, der sich vehement für eine Verlegung der Ansiedlung an einen landwirtschaftlich und klimatisch
günstigeren Ort einsetzte, was nach Auseinandersetzungen an höherer Stelle auch gelang. Die vielen Salzburger
gaben der Siedlergemeinschaft ihren Namen, doch auch aus Deutschland, der Schweiz und Schottland kamen Kolonisten.
Zwölf jüdische Familien werden erwähnt, die devot dem protestantischen Gottesdienst beiwohnten und
sich auf Deutsch verständigen konnten.
Kehrtwende in der Sklavenfrage
Bei einer weiteren Gruppe von Menschen mussten die Neuankömmlinge Stellung beziehen: schwarze Arbeitssklaven
aus Afrika. Mit dem Aufwärtsstreben der jungen Kolonie setzte rasch ein Arbeitskräftemangel ein, Großgrundbesitzer
verlangten nach Sklaven für ihre Plantagen und Felder. Im benachbarten South Carolina stellten sie bereits
65 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Salzburger wollten zeigen, dass sie es auch allein schaffen können.
Thomas Geschwandel, ehemals Bergknappe aus dem Gasteinertal, unterzeichnete 1739 eine Bittschrift gegen die Sklaverei,
weniger aus moralischen als aus wirtschaftlichen Gründen, da man befürchtete, gegenüber den Großplantagen
wirtschaftlich ins Hintertreffen zu geraten. Geschwandel wollte nach eigenem Bekunden nicht unter Sklaven leben.
Auch machten beunruhigende Berichte von Sklavenaufständen in der Karibik die Runde. Als ein Aufseher mit zehn
Arbeitssklaven nach Ebenezer kam, wollten die Salzburger mit denen für sie "mohrischen Heiden" nichts
zu tun haben. Boltzius sprach sich aus religiösen Gründen anfangs strikt gegen die Sklaverei aus. Wirtschaftlicher
Aufstieg und der Druck von außen sorgten für eine baldige Kehrtwende, auch gegenüber den Indianern.
Die indianischen Ureinwohner vom Stamm der Yamacraw unter ihrem Häuptling Tomochichi wurden aus ihrem bisherigen
Siedlungsgebiet verdrängt: "Gott gebe Gnade, dass wir der Indianer wegen eifrig zu ihm beten mögen,
als welches die besten Waffen sind, uns dieser bösen Gäste zu erwehren", wurde 1741 nach Europa
geschrieben. Und 1748 beschlossen Rat und Bürgermeister von Ebenezer "Negers oder Mohrensklaven unter
gewissen Conditionen zu erlauben". Boltzius sah in den Afrikanern ein neues Missionsziel und hielt sich gegen
sein Lebensende selber Sklaven. Die Eingliederung in die Neue Welt war moralisch und wirtschaftlich vollzogen.
|