Mit drei Ausstellungen werden Formate institutionellen Zurschaustellens überprüft
Wien (mumok) - Wer diesen Herbst das mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien besucht, kann mit
Neuentdeckungen und der Herausforderung lang eingeübter Sehmuster rechnen. Über den Winter hat das mumok
sich ganz der Frage nach den Strategien musealer Selbstbehauptung verschrieben. Mit Auftakt am 10. September geht
das Museum diesem Aspekt institutionellen Arbeitens auf nahezu der gesamten Fläche nach.
Zweimal lässt es sich hierfür in die Karten schauen, gibt seine Deutungshoheit ab und überlässt
zum einen der aus Vorarlberg stammenden Künstlerin Ulrike Müller und zum anderen Studierenden und Lehrenden
des Masters in Critical Studies an der Akademie der bildenden Künste Wien die Einrichtung seiner Sammlungspräsentationen.
Neben ihrer ebenfalls im mumok gezeigten, ersten größeren Personale in Österreich ordnet die heute
in New York lebende Müller unter dem Titel "Always, Always, Others" den Bestand der Werke der klassischen
Moderne im mumok neu (ab 10. Oktober 2015). Durch Konfrontation von Hauptwerken der Sammlung mit selten gezeigten
Arbeiten wird das Verhältnis von Abstraktion und Figuration, von kanonisch und nicht-kanonisch neu perspektiviert.
Die Gruppe der Lehrenden und Studierenden hat sich dagegen zur feministischen Appropriation des österreichischen
Unbewussten entschieden. Ab 10. September 2015 ist ihre "Blühendes Gift" betitelte Auswahl von Werken
der Kunst nach 1945 auf zwei Ebenen zu sehen.
In beiden Präsentationen wird der Blick auf das Sammlungsarrangement scharf gestellt, werden die ausgetretenen
Pfade der Kunstgeschichtsschreibung mit alternativen Routen durchkreuzt. Durch überraschende Zusammenstellungen,
"andere" Highlights und unkonventionelle Präsentationsweisen legen beide Projekte kunsthistorische
Allgemeinplätze offen und schlagen neue Erzählungen über die Sammlung des mumok, ihre Geschichte
und ihre gut versteckt geglaubten Lücken vor.
Die große Sonderausstellung im Herbst - "to expose, to show, to demonstrate, to inform, to offer"
(ab 10. Oktober 2015) - wirft einen Blick auf das Kunstgeschehen um 1990. Im Mittelpunkt stehen dabei Projekte
von über 50 KünstlerInnen und KünstlerInnengruppen, die sich in den späten 1980er- und frühen
1990er-Jahren eingehend mit dem System Ausstellen und den Funktionen, die dem institutionellen Zurschaustellen
zukommen, beschäftigten. Damit ermöglicht das mumok einen pointierten Einblick in einen Bereich der jüngeren
Kunstgeschichte, der für die gegenwärtige künstlerische Auseinandersetzung mit Formen und Möglichkeiten
des Ausstellens von entscheidender Bedeutung ist. Für den Umgang der Künstlerin Müller und der Kuratierenden
von der Akademie der bildenden Künste Wien mit der mumok Sammlung gibt das historisch angelegte Projekt wichtige
Anhaltspunkte.
Blühendes Gift. Zur feministischen Appropriation des österreichischen Unbewussten
Carte blanche für die Studierenden und Lehrenden des Programms Master in Critical Studies an der Akademie
der bildenden Künste Wien: Ab 10. September 2015 zeigen sie unter dem Titel "Blühendes Gift. Zur
feministischen Appropriation des österreichischen Unbewussten" ihren Blick auf die Sammlung des mumok.
Auf zwei Ebenen werden fünf einander überlagernde und durchkreuzende Ausstellungen präsentiert:
"Imitating the Imitations of the Imitators", "Schlachten Material Prothesen", "Taking
Pictures of the Boys", "Love" und "Taking Care: Capitalistic Yoga and Anger Issues".
Vorrangig aus den Sammlungsbeständen der Kunst nach 1945 ausgewählt, zeigen sich in den präsentierten
Arbeiten Motive, Gesten und Bewegungen, die mit den fünf Kapiteln zu einem thematischen Vexierbild gefasst
werden. Im kuratorischen Prozess wurde die widersprüchliche Vielfalt der Bestände nicht einer übergeordneten
Fragestellung geopfert. Vielmehr wurden Impulse und Affekte, die vom Material ausgehen, benannt und gebündelt,
um neben den ausgewählten Werken auch bezeichnende Leerstellen und Häufungen sowie deren Funktion innerhalb
des Sammlungsarrangements im mumok zum Sprechen zu bringen.
Always, Always, Others. Unklassische Streifzüge durch die Moderne
Parallel zu und in Verbindung mit ihrer Einzelpräsentation "The old expressions are with us always and
there are always others" (ebenfalls ab 10. Oktober 2015) im mumok verantwortet die österreichische Künstlerin
Ulrike Müller gemeinsam mit mumok Kuratorin Manuela Ammer eine Neuaufstellung der Werke der klassischen Moderne
aus der mumok Sammlung. Ausgehend von Müllers Beschäftigung mit den Körperbildern und Identitätsentwürfen
alternativer künstlerischer Praktiken der 1960er- und 1970er-Jahre wird der Formenkanon der klassischen Moderne
auf seine gegenwärtigen Potenziale hin befragt. Durch Konfrontationen von Hauptwerken der Sammlung mit selten
gezeigten Beständen wird das Verhältnis von Abstraktion und Figuration, von kanonisch und nicht-kanonisch
neu perspektiviert.
to expose, to show, to demonstrate, to inform, to offer. Künstlerische Praktiken um 1990
Im Herbst 2015 blickt das mumok auf das internationale Kunstgeschehen um 1990. Auf drei Ebenen werden Installationen,
Publikationen, Objekte, Projekte, Filme und Interventionen von über 50 KünstlerInnen und KünstlerInnengruppen
gezeigt. Sie alle stellen die herkömmlichen Formen des Ausstellens infrage und widmen sich den drängenden
gesellschaftlichen Herausforderungen ihrer Zeit. So klar die Begriffe "to expose", "to show",
"to demonstrate", "to inform", "to offer" die Funktionen einer Ausstellung scheinbar
umreißen, so offen und fraglich war es um 1990, wie Kunst tatsächlich ausgestellt und an die Öffentlichkeit
gelangen sollte. Um 1990 steuerte die Aidskrise ihrem Höhepunkt entgegen, Identitäts- und Genderfragen
wurden heftig diskutiert, soziale Ausschlussmechanismen waren ein zentrales Thema und die Folgen einer rasant voranschreitenden
Globalisierung allerorts zu spüren. Die gesellschaftliche Funktion künstlerischer Arbeit wurde in dieser
Situation ebenso heftig diskutiert wie das Verhältnis von Kunst und ihren Öffentlichkeiten, ihren Präsentations-und
Rezeptionsbedingungen.
Ausstellungsdaten
Blühendes Gift. Zur feministischen Appropriation des österreichischen Unbewussten
10. September 2015 bis 24. April 2016
to expose, to show, to demonstrate, to inform, to offer. Künstlerische Praktiken um 1990
10. Oktober 2015 bis 24. Jänner 2016
Eröffnung: 9. Oktober 2015, 19 Uhr
Always, Always, Others. Unklassische Streifzüge durch die Moderne 10. Oktober 2015 bis 16. Mai 2016
Eröffnung: 9. Oktober 2015, 19 Uhr
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