Wien (pr&d) - Dass Immunantworten nicht aus dem Ruder laufen, ist einem neu entdeckten Rückkoppelungsmechanismus
des Körpers zu verdanken. Dieser wirkt auf der Ebene bestimmter Gene und verknüpft deren Inaktivierung
mit dem Fortschreiten des Ablesens dieser Gene. Dieser clevere Mechanismus wurde als Teil eines Projekts des Wissenschaftsfonds
FWF entdeckt und vor Kurzem im Fachmagazin Molecular and Cellular Biology publiziert. Diese Erkenntnisse aus der
Grundlagenforschung bieten einen völlig neuen Ansatzpunkt für zukünftige Therapien, die auf eine
Kontrolle des Immunsystems abzielen.
Dringen Mikroorganismen in den Körper ein, werden Zytokine (Proteine, die das Verhalten von Zellen beeinflussen)
freigesetzt, die sofort Abwehrmaßnahmen initiieren. Diese bestehen auch im Aktivieren und Ablesen bestimmter
Gene und damit in der Produktion von Abwehrproteinen. Dabei ist es wichtig, dass der Körper nicht zuviel dieser
Proteine produziert, denn das würde den eigenen Körper schädigen. Daher wird deren Herstellung rechtzeitig
gedrosselt. Dass dies passiert, ist seit Langem bekannt. Wie es passiert, erst seit Kurzem – dank der Arbeiten
einer Gruppe rund um den Immunbiologen Pavel Kovarik. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekt
an den Max. F. Perutz Laboratories konnten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter zeigen, wie diese Drosselung
erfolgt.
Gebremst
Zum besseren Verständnis des soeben entschlüsselten Mechanismus ist es wichtig zu wissen, dass Zytokine
auf die sogenannte STAT-Familie von Proteinen wirken, die als Transkriptionsfaktoren agieren – also als Faktoren,
die an der DNA das Ablesen von Genen und damit die Produktion von Proteinen initiieren. Zur Erfüllung dieser
Funktion müssen die STATs an spezielle Sequenzen der DNA binden, und es ist genau diese Bindung, die durch
Zytokine gefördert wird. Bei seiner Arbeit konzentrierte sich das Team um Kovarik zunächst auf das gegen
virale Infektionen produzierte Zytokin Interferon und die Regulation der Aktivität von STAT1. Die Untersuchungen
führten zur Entdeckung eines neuen und verblüffend wirksamen Mechanismus. Das Team konnte zeigen, dass
mit Fortschreiten des von STAT1 initiierten Ablesens eines Gens STAT1 zunehmend von der DNA gelöst wird. Kovarik
dazu: "Dieser bisher unbekannte Feedback-Mechanismus setzt sehr frühzeitig im Prozess der Herstellung
von Abwehrproteinen an und erlaubt somit eine rasche Regulierung einer Immunantwort." In der Folge konnte
das Projekt-Team den gleichen Regulierungsvorgang auch für STAT2 und STAT3 beobachten, was ein Hinweis auf
die evolutionär frühzeitige Verbreitung dieses Mechanismus ist.
Klares Ergebnis
In der Folge konnte Pavel Kovarik auch zeigen, dass ein anderer – bereits bekannter – Prozess der Inaktivierung
von STAT1 nicht ausschlaggebend für die Regulierung der Immunantwort ist. Dieser andere Vorgang beruht auf
einer chemischen Modifikation der STAT-Proteine, bei der Phosphatgruppen entfernt werden, was die Inaktivierung
von STAT1 zur Folge hat. "Obwohl diese Inaktivierung tatsächlich eine weitere Produktion von Abwehrproteinen
verhindert, so ist die von uns entdeckte Loslösung der STAT-Proteine von der DNA der wesentlich wirksamere
und damit entscheidende Regulierungsschritt", erläutert Kovarik die Ergebnisse seines Projekts.
Stukturwandel
Obwohl es derzeit nicht bekannt ist, wie die Information des fortschreitenden Ablesens der DNA an das DNA-gebundene
STAT1 übermittelt wird – und damit die Loslösung initiiert wird –, hat Kovarik eine klare Vorstellung,
wie dies erfolgen könnte: "Modellberechnungen und die Ergebnisse anderer Arbeiten legen nahe, dass das
Fortschreiten des Ablesens der Gene sich auf die Struktur der DNA auswirkt. Diese Strukturveränderung kann
dazu führen, dass STAT1 sich von der DNA löst."
Angriffspunkt
Der nun entdeckte Mechanismus zur Regulierung von Immunantworten bietet völlig neue Möglichkeiten für
therapeutische Interventionen. Denn sowohl ein zu schwach reagierendes als auch ein überreagierendes Immunsystem
kann zu Problemen führen –, schwerwiegende Infektionen oder Autoimmunerkrankungen können die Folge sein.
Gezielte Eingriffe in den im Rahmen dieses FWF-Projekts entdeckten Mechanismus könnten dem entgegenwirken
und so die natürliche Immunantwort des Körpers optimal einsetzen.
Pavel Kovarik ist Professor für Immunbiologie am Department für Mikrobiologie, Immunbiologie und
Genetik der Universität Wien. An den Max F. Perutz Laboratories in Wien leitet er die Gruppe "Signaling
and gene expression in inflammation". Dort befasst er sich mit Fragen sowohl zur Regulierung von Immunantworten
als auch zu Immunerkrankungen.
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