München (idw) - Dass es unsere Welt gibt, ist alles andere als selbstverständlich. Denn im Urknall
ist genauso viel Materie wie Antimaterie entstanden. Warum nur die Materie übrig geblieben ist, die sich heute
etwa in den Himmelskörpern des Universums findet, möchten Forscher unter anderem des Heidelberger Max-Planck-Instituts
für Kernphysik in einem japanisch-deutschen Kooperationsprojekt namens BASE klären. In ihren Experimenten
am Cern in der Schweiz haben die Wissenschaftler nun festgestellt, dass die Massen von Proton und Antiproton bis
auf elf Nachkommastellen identisch sind. Sie setzen damit ein neues Limit für die Symmetrie zwischen Materie
und Antimaterie.
Das Weltbild der Teilchenphysiker ist noch nicht perfekt, und das wissen diese ganz genau. Doch sie sehen derzeit
noch nicht, wie sie die Unzulänglichkeiten beheben könnten. Zwar kann das Standardmodell der Teilchenphysik
die Existenz aller bekannten Elementarteilchen und viele ihrer Beziehungen untereinander erklären, manche
Beobachtungen aber passen dazu einfach nicht. So begründet das Standardmodell nicht die Asymmetrie zwischen
Materie und Antimaterie: Obwohl sie zu Beginn des Universums in gleichen Mengen entstanden sind und sich größtenteils
gegenseitig wieder ausgelöscht haben – denn das geschieht, wenn Materie auf Antimaterie trifft –, ist heute
noch reichlich Materie im Universum vorhanden.
Also wollen Physiker das theoretische Gebäude des Standardmodells so ausbauen oder gar neu errichten, dass
es nicht länger an verschiedenen Stellen wackelt. Daher suchen sie zunächst nach detaillierten experimentellen
Hinweisen auf die konkreten Schwachstellen, zum Beispiel nach Unterschieden zwischen Materie und Antimaterie. Genau
diese zu finden, ist das Ziel des Projektes namens BASE, kurz für Baryon Antibaryon Symmetry Experiment. Baryon
und Antibaryon nennen Physiker Teilchen, die sich wie das Proton und Antiproton aus drei Elementarteilchen, nämlich
Quarks beziehungsweise Antiquarks zusammensetzen.
Eine vier Mal genauere Messung, als es zuvor möglich war
Auf ihrer Suche nach noch so kleinen Differenzen zwischen Materie und Antimaterie haben die Base-Forscher nun das
Verhältnis von Ladung zu Masse im Proton und Antiproton gemessen und haben die beiden Teilchen somit gewissermaßen
gewogen. Damit haben sie den Vergleich zwischen Materie und Antimaterie in diesem System um einen Faktor vier genauer
gemacht. „Wir haben festgestellt, dass das Verhältnis von Ladung zu Masse bis auf 69 Billionstel Bruchteile
identisch ist“, sagt Stefan Ulmer, Wissenschaftler am Cern und Sprecher des Base-Projektes.
Mit dem Ergebnis bestätigen die Physiker Theorien, denen zufolge es zwischen Materie und Antimaterie keine
Masseunterschiede geben dürfte. Fänden die Forscher eine Massedifferenz, stellte das nicht nur das Standardmodell
in Frage, sondern auch noch grundlegendere Theorien der Teilchenphysik. „Aber die Natur ist immer für Überraschungen
gut“, sagt Klaus Blaum, Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg und einer der Partner
von Base. „Daher müssen wir alle Möglichkeiten nutzen, die Modelle so präzise wie möglich zu
überprüfen.“
Um das Proton und das Antiproton so extrem genau zu wiegen, haben sich die Forscher eine ausgeklügelte Methode
einfallen lassen: Sie fangen die geladenen Teilchen in einer Penningfalle, in der die Partikel durch elektrische
und magnetische Felder festgehalten werden. Das Magnetfeld zwingt die Teilchen dabei auf eine Kreisbahn, die ein
Partikel etwa 30 Millionen Mal pro Sekunde durchläuft. Zum Vergleich: Auf einem Kettenkarussell brauchen wir
fünf bis zehn Sekunden für einen einzigen Umlauf, und bei schnelleren Umdrehungen würde uns auch
schnell schlecht.
Aus der Umlauf-Frequenz ergibt sich das Verhältnis von Ladung zu Masse
So schnell die geladenen Teilchen auch in der Penningfalle sind, die Zahl ihrer Umläufe können die Forscher
sehr präzise messen. Da die Frequenz ihrer Rotation vom Verhältnis ihrer Ladung zu ihrer Masse abhängt,
lässt sich dieser Wert auf diese Weise sehr gut bestimmen.
Allerdings gibt es bei den Experimenten des Base-Projektes eine Komplikation, die vielleicht nicht jeder erwartet:
„Es ist heute noch sehr schwierig, eine Spannung auf die elfte Stelle nach dem Komma genau einzustellen“, erklärt
Klaus Blaum. Genau das müsste den Forschern aber gelingen, wenn sie das Proton und das Antiproton in der Penningfalle
einzeln schleudern wollten. Dann müssten sie das elektrische Feld in der Falle mit einer negativen Spannung
erzeugen, um das positiv geladene Proton einzufangen. Das negativ geladene Antiproton müssten sie entsprechend
mit einer positiven Spannung einpferchen, deren Betrag sehr genau mit dem der zuvor verwendeten negativen Spannung
übereinstimmt.
Da es derzeit kaum möglich ist, für beide Teilchen elektrische Felder gleicher oder zumindest sehr genau
bekannter Stärke zu erzeugen, haben sich die Physiker auch hier einen Kniff einfallen lassen. Sie messen Proton
und Antiproton in einem Experiment mit einem einzigen elektrischen Feld. Dafür müssen sie das Proton
jedoch mit zwei Elektronen versehen und so in ein negativ geladenes Wasserstoff-Ion verwandeln. Denn nur so lässt
es sich wie das ebenfalls negativ geladene Antiproton mit einer positiven Spannung bändigen.
Im magnetischen Moment könnten sich Proton und Antiproton unterscheiden
„Es wäre zwar noch besser, wenn wir am Proton selbst messen könnten“, sagt Klaus Blaum. Die Masse des
Elektrons und seine Bindungsenergie seien aber sehr genau bekannt, sodass sich aus dem Ladungs-Masse-Verhältnis
des Wasserstoff-Ions sehr gut der entsprechende Wert des Protons und dessen Masse ermitteln ließen. „Uns
ist auf diese Weise die weltbeste Messung des Massevergleichs von Proton und Antiproton gelungen.“
Mit ihren Experimenten haben die Forscher im Vergleich zwischen Materie und Antimaterie also eine neue Stufe erreicht.
„Die Forschung mit Antimaterie-Teilchen hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht“, sagt Rolf Heuer,
Generaldirektor des CERN. „Der Grad an Präzision, den Base erreicht hat, beeindruckt mich.“
Die Fertigkeiten, die sich die Base-Forscher in ihren bisherigen Messungen angeeignet haben, wollen sie nun nutzen,
um weiter nach Unterschieden zwischen Materie und Antimaterie zu fahnden. „Sehr vielversprechend, um Differenzen
zwischen Materie und Antimaterie aufzuspüren, sind die magnetischen Momente des Protons und Antiprotons“,
sagt Stefan Ulmer. Das magnetische Moment des Protons haben die Forscher bereits vermessen. Jetzt wollen sie den
entsprechenden Wert des Antiprotons ermitteln. „Wir haben gerade wieder angefangen zu messen“, sagt Stefan Ulmer.
So könnten die Forscher möglicherweise brauchbare Hinweise finden, warum unsere Welt existiert.
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