Durch übermäßigen Antibiotikaeinsatz, sowohl in der Humanmedizin als auch in
der Tierzucht, steigt die Anzahl der sogenannten Krankenhauskeime stark an.
Graz (joanneum research) - Den gefürchteten Krankenhauskeimen geht es dank modernster Mikro- und Nanotechnologie
an den Kragen. Sie wird für das rasche und kostengünstige Aufspüren von lebensbedrohlichen Keimen
- meist handelt es sich um den Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus, kurz MRSA - eingesetzt. Das hintergründige
Problem dieser multiresistenten Keime liegt im übermäßigen Antibiotikaeinsatz, sowohl in der Humanmedizin
als auch in der Tierzucht. Dieser Bakterienstamm kann schwere Infektionen verursachen, die meisten Antibiotika
sind unwirksam. Durchschnittlich 30 % der Bevölkerung tragen ihn in der Nase und auf der Haut. Bei gesunden
Menschen verursachen diese Bakterien keine Symptome. Bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem - also
auch bei Menschen im Krankenhaus - können MRSA-Bakterien jedoch sehr wohl zum Problem werden. Jährlich
sterben rund 50.000 Menschen im EU-Raum an solch einer Infektion. Kostengünstige Tests zum frühzeitigen
Aufspüren von MRSA sind daher dringend notwendig.
Interessant für die Medizinproduktehersteller im Bereich In-vitro-Diagnostik sind mikro- und nanostrukturierte
Kunststoffe, die in Zukunft für bioanalytische Geräte zum Aufspüren von lebensbedrohlichen Bakterien
produziert werden könnten. Diese strukturierten Kunststoffe sind aber auch für unzählige weitere
diagnostische Tests (lab-on-chip) nicht nur kostengünstig, sondern auch in großem Umfang herstellbar.
Hier setzt das EU-Projekt "R2R Biofluidics" an, das von Joanneum Research koordiniert und gemeinsam mit
neun weiteren Partnern aus der Industrie und Forschung durchgeführt wird. Der Begriff "Biofluidics"
umfasst die Kombination und Anwendung von Mikrofluidik für bioanalytische Anwendungen. Mikrofluidik beschäftigt
sich mit dem Verhalten von Flüssigkeiten auf kleinstem Raum.
Möglichst kostengünstig wird die Produktion durch den Einsatz des Rolle-zu-Rolle-Prägeverfahrens
(R2R), womit flexible Kunststofffolien mit hochpräzisen Strukturen im Mikro- und Nanobereich großflächig
hergestellt werden. MATERIALS, das Institut für Oberflächentechnologien und Photonik der Joanneum Research,
verfügt über die europaweit einzige UV-Nano-Imprint-Lithographie-Anlage (R2R). Das R2R-Verfahren, das
im Grundprinzip so ähnlich funktioniert wie moderne Zeitungsdrucktechnik, ermöglicht demnach eine Produktion
von funktionellen mikrofluidischen Strukturen in großem Maßstab, wodurch der Stückpreis drastisch
gesenkt wird.
Im Rahmen des "R2R Biofluidic"-Projektes werden in den kommenden vier Jahren zwei Demonstratoren entwickelt.
Zum ersten soll ein In-vitro-Diagnostik-System zur Bestimmung von antibiotikaresistenten Keimen auf der Basis von
Mikrofluidik und Nanoimprint-Technogien entwickelt werden. Die Mikrofluidik erlaubt sehr einfache Handhabung und
schnelle Durchführung dieser diagnostischen Tests. Durch zusätzliche optische Nanostrukturen sollen zudem
noch deutlich geringere Konzentrationen dieser Keime als bisher nachgewiesen werden. Ein zweiter Demonstrator zielt
auf eine In-vitro-Testmethode, die für die Entwicklung neuer pharmazeutischer Wirkstoffe in Medikamenten von
großem Interesse ist. Dabei sollen Nervenzellen auf einem strukturierten Trägermaterial fixiert und
dank veränderter Oberflächen zu geordnetem und vordefiniertem Wachstum angeregt werden. Dadurch lässt
sich der Einfluss von potenziellen Medikamenten auf diese immobilisierten Zellen mit hoher Präzision feststellen.
Im Projektnetzwerk arbeiten KMUs, Industrieunternehmen und Forschungsgesellschaften zusammen. Joanneum Research
MATERIALS koordiniert das EU-Projekt "R2R Biofluidics", das mit einem Gesamtbudget von knapp 7,9 Millionen
Euro bemessen ist.
Die Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH entwickelt Lösungen und Technologien für Wirtschaft
und Industrie in einem breiten Branchenspektrum. Rund 430 Mitarbeitende der Joanneum Research betreiben Spitzenforschung
auf internationalem Niveau an den Standorten Graz, Wien, Klagenfurt, Weiz, Hartberg, Niklasdorf und Leoben.
MATERIALS - Institut für Oberflächentechnologien und Photonik
Unter Einsatz moderner, auf Miniaturisierung, Integration und Werkstoffoptimierung beruhender Technologien
und Verfahren bietet MATERIALS interdisziplinare Lösungsansätze für die gesamte Wertschöpfungskette.
Dazu zählen großflächige Mikro- und Nanostrukturen, Bio- und Chemosensoren, Lichttechnologien,
funktionalisierte Oberflächen oder Laserprozesse.
Facts & Figures
- Horizon 2020: Das EU-Programm für Forschung und Innovation
- Knapp 80 Mrd. Euro stehen für Forschung und Innovation von 2014 bis 2020
auf EU-Ebene zur Verfügung. Die Finanzierungs- und Förderformen reichen von der Grundlagenforschung bis
zur innovativen Produktentwicklung. Einzelforscher, Unternehmen und Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft
sind zentrale Zielgruppen von Horizon 2020.
- EU-Performance Monitoring: Im Rahmen eines Berichts der FFG zum EU Performance
Monitoring betreffend die Beteiligung von österreichischen Institutionen in Horizon 2020 (abgeschlossene Verträge)
belegt die JOANNEUM RESEARCH österreichweit den 3. Platz, in der Steiermark den 2. Platz. Unser strategischer
Partner Technische Universität Graz belegt jeweils den ersten Rang.
- "R2R Biofluidics" ein Projekt (Innovation Action) im Call NMP-04-2014:
High-definition printing of multifunctional materials. Die Joanneum Research koordiniert das H2020-Projekt. In
einem ersten Schritt wird Bionic Surface Technologies GmbH (Österreich) Simulationen der fluidischen Mikrostrukturen
vornehmen, während Joanneum Research die optischen Nanostrukturen simulieren wird. Micro Resist Technology
GmbH (Deustchland) wird spezielle Fotolacke für die Nanoimprintlithographie entwickeln und produzieren. Die
simulierten Strukturen werden dann von MATERIALS - dem Institut für Oberflächentechnologien und Photonik
der Joanneum Research und InMOLD Biosystems A/S mittels R2R-Verfahren gefertigt. Foundation Tecnalia Research (Spanien)
wird sich hauptsächlich mit der Oberflächenmodifikation und Biofunktionalisierung der strukturierten
Polymeroberflächen beschäftigen. EV Group (Österreich) wird eine R2R-Produktionsanlage für
den Fertigungsprozess entwickeln, mit der die beiden Demonstratoren gefertigt werden sollen. Die BiFlow Systems
GmbH (Deutschland) wird in einer Pilot-Fertigungslinie weitere nötige Bearbeitungsschritte und die Integration
von Aktuatoren (Mikropumpen und Ventile) übernehmen. GreinerBioOne Diagnostics GmbH (Östereich) und Innoprot
(Spanien) werden jeweils für das Design und die Evaluierung des diagnostischen bzw. des Zelltest Systems verantwortlich
sein. Die Grazer BioNanoNet GmbH managt das Projekt administrativ und ist für alle sicherheitsrelevanten Themen
bezüglich Nanotechnologie zuständig.
- Das Projekt startete im Februar 2015 und läuft über 4 Jahre.
- Projektvolumen: € 7.929.411
- Im Rahmen des Projekts "R2R Biofluidics" werden bioanalytische Messgeräte
basierend auf Mikrofluidik- und Nanoimprint-Technologien mittels Rolle-zu-Rolle-Verfahren entwickelt. Präzisere
Messungen, geringere Detektionsgrenzen und günstigere analytische Systeme können ermöglicht werden.
- MATERIALS, das Institut für Oberflächentechnologien und Photonik der
Joanneum Research verfügt über eine in dieser Form europaweit einzigartige Rolle-zu-Rolle-Pilotanalge
für UV- und thermische Nano-Imprint-Lithographie.
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