Juncker: Wir brauchen eine gemeinsame
 europäische Flüchtlingspolitik - jetzt

 

erstellt am
24. 08. 15
15.30 MEZ

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat vor Populismus in der Flüchtlingskrise gewarnt und eine gemeinsame europäische Lösung angemahnt.
Brüssel (ec) - "Natürlich gibt es nicht nur eine und erst recht keine einfache Antwort auf die Migrationsströme. Genauso wie es wenig realistisch wäre, zu denken, dass wir die Grenzen Europas gegenüber allen Nachbarn einfach öffnen könnten, ist es wirklichkeitsfremd, zu glauben, dass wir sie gegenüber Not, Angst und Elend abriegeln könnten", schrieb Juncker in einem Meinungsartikel für die Montagsausgabe der "Welt" (24.08.). "Eines aber ist klar: Es gibt keine wirksamen nationalen Lösungen. Kein Mitgliedsstaat kann Migration wirksam allein regeln. Wir brauchen einen starken europäischen Ansatz. Und zwar jetzt."

Die Kommission begrüßt das heutige Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande, um die gemeinsame Europäische Migrationsagenda voranzubringen. Bereits im Mai hatte die Kommission detaillierte Vorschläge für eine gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik vorgelegt. Dazu gehören Sofortmaßnahmen für die Seenotrettung im Mittelmeer ebenso wie ein europäisches Umsiedlungsprogramm, um die Herausforderung der Fluchtbewegungen aus Kriegs- und Krisengebieten wie Syrien, Libyen, Irak oder Eritrea solidarisch zu bewältigen.

Gleichzeitig will Juncker die Mitgliedstaaten auf eine einheitliche Linie zur Migration aus den Westbalkan-Staaten bringen. "Bereits vor neun Jahren hat die Kommission eine Liste sicherer Herkunftsländer vorgeschlagen. Die große Mehrheit der Regierungen hat dies damals als Einmischung in ihre Kompetenzen zurückgewiesen. Es ist aber unlogisch, dass die Mitgliedstaaten beschließen, die westlichen Balkanstaaten zu Beitrittskandidaten zu machen, sie aber nicht zugleich als sicher einstufen. Deshalb wird die Kommission den Mitgliedstaaten im September eine gemeinsame Liste sicherer Herkunftsländer vorlegen", schrieb Juncker.

"Was wir brauchen und was uns noch fehlt, ist die kollektive Courage, um europäisches Recht und unsere Verpflichtungen gegenüber den Menschen einzuhalten – auch wenn sie nicht einfach und sicherlich oft nicht populär sind. Stattdessen sehe ich, wie mit dem Finger auf andere gezeigt wird – ein Schwarzer-Peter-Spiel an Schuldzuweisungen, mit dem man vielleicht Aufmerksamkeit oder Stimmen gewinnen kann, aber keine Probleme löst."

Europa habe die höchsten Asylstandards der Welt. "Niemals würden wir Menschen wegschicken, wenn sie unseren Schutz brauchen. Das ist in unseren Gesetzen und Verträgen festgeschrieben. Ich mache mir allerdings Sorgen, dass das immer weniger in unseren Herzen verankert ist. Wenn wir über Migration sprechen, dann sprechen wir über Menschen, über Menschen wie Sie und mich – außer dass diese Menschen nicht so wie Sie und ich leben können, weil sie nicht das Glück hatten, in einer der reichsten und einer der stabilsten Regionen der Welt geboren zu sein", so Juncker.

"Es bereitet mir Sorgen, wenn ich die Ablehnung eines Teils der Bevölkerung gegenüber diesen Menschen sehe. In Brand gesetzte Flüchtlingslager, zurückgedrängte Boote, Gewalt gegen Asylbewerber oder nur das Wegschauen bei Not und Hilfsbedürftigkeit – das ist nicht Europa. Es bereitet mir Sorgen, wenn Politiker von weit rechts und weit links einen Populismus nähren, der nur Groll, aber keine Lösungen hervorbringt. Hasstiraden und unbesonnene Äußerungen, die eine unserer größten Errungenschaften – die Reisefreiheit im Schengen-Raum und die Überwindung von Grenzen in seinem Inneren – in Gefahr bringen. Das ist nicht Europa. Europa, das sind aber Gott sei Dank auch die Rentner in Calais, die Generatoren vorbeibringen, damit Flüchtlinge ein bisschen Musik hören und ihre Handys laden können. Europa, das sind auch die Studenten in Siegen, die ihren Campus für Asylbewerber öffnen. Europa, das ist auch der Bäcker im griechischen Kos, der sein Brot an die hungrigen und ermatteten Menschen verteilt. Das ist das Europa, in dem ich leben will."

 

 

 

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