Bures ruft zur Zivilcourage gegen antidemokratische Tendenzen und Diskriminierung auf und begrüßt
österreichische Gesetzesinitiative zur Öffnung des Gedenkdienstes für Frauen – Treffen Holocaust-Überlebenden
New York/Wien (pk) - Nationalratspräsidentin Doris Bures hiel sich (um den 28.08.) in New York auf,
um am 10. Treffen der Parlamentspräsidentinnen teilzunehmen. Im Vorfeld besuchte sie das Leo Baeck Institute
und die Austrian Heritage Collection in New York, wo sie unter anderem auch mit den dort tätigen österreichischen
Gedenkdienern zusammentraf. Dabei unterstrich die Präsidentin die Bedeutung des Gedenkdienstes im Ausland
und dankte den jungen Österreichern für deren Engagement. "Der Gedenkdienst ist ein wichtiges Zeichen
gegen das Vergessen", sagte Bures, "die jungen Menschen leisten damit einen unschätzbaren Beitrag
zur Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel unserer jüngeren Geschichte".
Bures begrüßt geplante Öffnung des Gedenkdienstes für Frauen
Derzeit steht der zwölfmonatige Auslandsdienst als Wehrersatzdienst nur Männern offen. Die Nationalratspräsidentin
begrüßte daher die Initiative des Sozialministers, den Gedenkdienst auch für Frauen zu öffnen.
Bures: "Das heurige Gedenkjahr ist ein guter Anlass dafür, auch Frauen die Möglichkeit zu geben,
in Holocaust-Gedenkstätten ihren Freiwilligendienst zu leisten. Das ist ein längst überfälliger
Schritt, denn im Kampf gegen jede Form von Rassismus, Gewalt und Diskriminierung haben Frauen immer eine wichtige
Rolle gespielt, nicht nur in der heutigen Zivilgesellschaft. Es ist daher an der Zeit, sämtliche Barrieren
abzubauen, die dieses Engagement behindern". Der Entwurf zur Reform des Auslandsfreiwilligendienstegesetzes
sieht auch eine bessere sozialrechtliche Absicherung der Freiwilligen sowie eine qualitative Aufwertung des Auslandsdienstes
vor.
Das Leo Baeck Institute
Das Leo Baeck Institute ist eines der führenden Forschungsinstitute zur Geschichte der deutschsprachigen Juden,
von den frühen Anfängen bis zur Vernichtung im Nationalsozialismus und dem Wiederaufleben jüdischen
Lebens im heutigen Deutschland. Mit seiner mehr als 80.000 Bände umfassenden Bibliothek, seinen Kunstsammlungen
sowie seinem Archiv ist das Institut die bedeutendste Sammlungsstätte von Primärquellen und Forschungsmaterial
über die jüdischen Gemeinden Zentraleuropas.
Gegründet wurde es im Jahr 1955 von deutsch-jüdischen Auswanderern, darunter befanden sich etwa Martin
Buber, Max Grunewald und Hannah Arendt. Das Institut wurde nach dem Rabbiner Leo Baeck benannt, dem letzten führenden
Repräsentanten der jüdischen Gemeinden im Nationalsozialismus. Leo Baeck wurde zum ersten Präsidenten
des Instituts berufen, dessen Zentren gleichzeitig in New York, London und Jerusalem entstanden.
Eine eigene Sammlung des Instituts beschäftigt sich mit der Geschichte der österreichischen Juden – die
Austrian Heritage Collection, wo zwei österreichische Gedenkdiener ihren Dienst versehen.
Die Nationalratspräsidentin nahm auch an einem Empfang im österreichischen Generalkonsulat teil, wo
sie unter anderem mit Holocaust-Überlebenden und EmigrantInnen zusammentraf. Österreich habe sich spät
aber doch zu seiner historischen Verantwortung bekannt und mit dem Nationalfonds, der vor zwanzig Jahren eingerichtet
wurde, ein Zeichen gesetzt, betonte Bures, die als Nationalratspräsidentin auch Vorsitzende des Kuratoriums
ist.
Die Begegnungen mit Menschen, die so bitteres Leid erfahren mussten und trotzdem nie aufgegeben haben, sei für
sie immer etwas Besonderes, sagte Bures. "Sie sind Mahnung an die Politik, die Demokratie zu stärken
und alles zu tun, um derartige Gräueltaten nie wieder zuzulassen. Wir sind heute wieder mehr denn je aufgerufen,
derartige Entwicklungen im Keim zu ersticken, denn solche beginnen meist mit Worten. Dazu brauchen wir aber auch
die Bevölkerung", appellierte Bures und meinte, "aufgerufen ist daher auch jede Bürgerin und
jeder Bürger, Zivilcourage zu zeigen und sich offen und mit Nachdruck gegen antidemokratische Tendenzen und
Diskriminierung zu stellen".
Die Präsidentin erinnerte auch an die wichtige Rolle der Holocaust-Überlebenden und EmigrantInnen als
ZeitzeugInnen, "denn authentische Lebensberichte berühren immer mehr als Geschichtsbücher. Und das
ist für die Bewusstseinsbildung vor allem junger Menschen von unschätzbarem Wert", so Bures.
Unter den zahlreichen Gästen befand sich eine große Gruppe von ÖsterreicherInnen, die mit dem Kindertransport
nach England gebracht wurden und später in die USA ausgewandert sind. Sehr viele dieser damaligen Kinder,
die in den USA in der "Kindertransport-Association" eine Interessensgemeinschaft gefunden haben, haben
ihre Eltern im Holocaust verloren. Die anwesenden EmigrantInnen haben mit ihren Eltern noch Österreich verlassen
können oder sind zu Verwandten in die USA gebracht worden. Rund 10 Eingeladene waren Holocaust-Überlebende.
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Nationalratspräsidentin Doris Bures widmete sich im Rahmen der Interparlamentarischen Union (IPU) speziell
dem Themenkomplex "Gewalt gegen Frauen" und stellte in ihrer Rede auch das österreichische Gewaltschutznetz
dar.
Rechtliche Rahmenbedingungen und weitreichendes Netzwerk notwendig
"Auch Gewalt im privaten Raum darf nicht als Privatsache angesehen werden, denn das schützt die Täter",
warnte Bures. "Gewalt in der Familie ist genauso wie Gewalt im öffentlichen Raum ein Problem der Sicherheit
und daher ein öffentliches. Ihr müssen wir daher auch mit staatlichen Mitteln begegnen." Um den
unterschiedlichen Formen der Gewalt entsprechend entgegentreten zu können, bedarf es eines weitreichenden
Netzwerks, so Bures, das den rechtlichen Rahmen ebenso umfasst wie kostenfreie Hilfs- und Unterstützungsangebote.
Die Nationalratspräsidentin erläuterte gegenüber ihren Amtskolleginnen die umfassenden gesetzlichen
Regelungen in Österreich, wobei sie vor allem auf das seit 1997 geltende Gewaltschutzgesetz und das Wegweiserecht
hinwies. Dabei gelte "Wer schlägt, der geht", die Besitzverhältnisse dabei seien irrelevant,
erklärte Bures, die diesen rechtlichen Rahmen als eine "unerlässliche Grundlage für den Kampf
gegen Gewalt an Frauen" bezeichnete. Als nicht minder wichtig hält Bures ein Netzwerk, das Gewaltopfer
informiert, unterstützt, schützt und stärkt, wobei der Zugang niederschwellig sein müsse. Als
österreichische Beispiele nannte Bures die 24-Stunden erreichbare Frauen-Helpline und die innovative Smartphone-App
Fem:Help.
Bures: Recht auf gewaltfreies Leben muss Alltag werden
Besondere Bedeutung misst die Nationalratspräsidentin auch einer starken internationalen Kooperation bei,
insbesondere begrüßte sie das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung
von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. "Mit der Istanbul Konvention ist ein Weg beschritten,
der auch für die Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele Vorbild sein kann. Denn wer Selbstbestimmung
für alle Frauen und Mädchen erreichen will, muss der Gewalt an ihnen ein Ende setzen", stellte Bures
mit Nachdruck fest. "Das Recht auf ein gewaltfreies Leben muss für unsere Töchter selbstverständlich
werden. Egal, wo unsere Töchter leben".
Das jährlich stattfindende Treffen der Parlamentspräsidentinnen dient einem Gedankenaustausch über
Gleichbehandlungspolitik auf höchster internationaler parlamentarischer Ebene. An diesem 10. Treffen nehmen
32 Parlamentspräsidentinnen teil, weltweit gibt es insgesamt nur 46 Parlamentspräsidentinnen. Ihnen stehen
227 Parlamentspräsidenten gegenüber. Das heißt: nur rund 16 Prozent der PräsidentInnensitze
sind in weiblicher Hand.
Die bei diesem Treffen geführten Diskussionen fließen in die Debatte der 4. Weltkonferenz der Parlamentspräsidentinnen
und –präsidenten ein, die unmittelbar danach stattfindet. Sie können auch über Twitter verfolgt
werden (#womenSpeakers15).
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Die Nationalratspräsidentin traf auch zu einem bilateralen Arbeitsgespräch mit ihrer italienischen
Amtskollegin Laura Boldrini über die Herausforderungen der Flüchtlingsbewegungen nach Europa zusammen.
Wie Österreich ist auch Italien ganz besonders betroffen. "Bis Ende Juli haben 110.000 Flüchtlinge
Italiens Küste erreicht", berichtete Boldrini. Tausende seien vor der italienischen Küste im Mittelmeer
ertrunken. Bures: "Wenn wir wollen, dass die Menschen wieder an Europa glauben, müssen wir Solidarität
leben und in Europa endlich eine gerechte Verteilung der Schutzsuchenden durchsetzen". Den aktuellen österreichischen
Vorschlag, die Vergabe von EU-Fördermittel an die Beteiligung an einer fairen Quotenaufteilung zu binden,
bezeichnete Laura Boldrini als "richtigen und verfolgenswerten Vorschlag". Aufnahmezentren an den europäischen
Grenzen sind für Nationalratspräsidentin Bures ein guter Ansatz, um der todbringenden und unmenschlichen
Schlepperkriminalität begegnen zu können - "Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es innerhalb
Europas eine Quotenregelung gibt, um registrierte Kriegsflüchtlinge angemessen in ganz Europa unterbringen
zu können".
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