Archäozoologen eröffnen Knochenlabor in der Türkei
Ephesos/Wien (vetmeduni) - Seit dem 19. Jahrhundert legen österreichische ArchäologInnen die Ruinen
der antiken Stadt Ephesos frei. Die an der türkischen Westküste liegende Ausgrabungsstätte ist auch
Arbeitsort für Archäozoologen der Vetmeduni Vienna. Sie untersuchen dort seit Anfang der 1990-er Jahre
Funde tierischen Ursprungs. Vor kurzem eröffneten die Vetmeduni Vienna und das Österreichische Archäologische
Institut vor Ort das „BoneLab Ephesos“. Das neu eingerichtete Knochenlabor beherbergt die größte wissenschaftliche
Sammlung von Knochen und Molluskenschalen in der Türkei und soll in Zukunft auch Kooperationsprojekten mit
anderen Institutionen Raum bieten.
Ephesos war eine der wichtigsten Städte der Antike. Sie entstand vor etwa 5.000 Jahren vor Christus und beherbergt
den zu den sieben Weltwundern zählenden Artemis-Tempel. Seit dem Jahr 1895 arbeiten Forschende des Österreichischen
Archäologischen Institutes an der Freilegung der antiken Schätze.
Tierische Funde geben Aufschluss über Lebensweise in der Antike
Neben Bauwerken, Keramik-, Metall- und Holzfunden sowie menschlichen Knochen gibt es auch zahlreiche Fundobjekte
tierischer Herkunft, die wertvolle Informationen zur damaligen Lebensweise und Tiernutzung liefern. Ephesos lag
ursprünglich direkt am Meer. Deshalb finden sich dort nicht nur Überreste von Haus- und Wildtieren, sondern
auch von Meerestieren. Der Bogen des tierischen Fundgutes spannt sich dabei von landlebenden Säugetieren,
Vögeln, Amphibien, Reptilien und Schnecken über Fische bis hin zu Meeresweichtieren wie Tintenfischen
oder Muscheln.
Gerhard Forstenpointner, Alfred Galik und Gerald Weissengruber vom Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie
an der Vetmeduni Vienna sind Experten auf dem Gebiet der Archäozoologie. Ihre Aufgabe ist es, die tierischen
Funde zu identifizieren. Überreste von Knochen, Zähnen, Muschelschalen oder Schneckengehäusen geben
dabei Aufschluss über Tierart, Geschlecht, Todesalter und Körperbau der Tiere.
„Uns geht es nicht nur darum herauszufinden, welche Tiere in bestimmten Zeitabschnitten gelebt haben, uns interessiert
vor allem, wie Tiere damals genutzt, gehalten oder bejagt wurden“, erklärt Forstenpointner. Im Zentrum des
Forschungsinteresses der Archäozoologen stehen somit alle Aspekte der Mensch-Tier-Beziehung, die durch Funde
von Tierresten abgebildet werden können. Wichtige Forschungsfragen betreffen beispielsweise die Ernährungsweise.
Wie Tiere zerlegt wurden und welche Teile für den Verzehr in Frage kamen, aber auch die Rolle von Tieren im
Opferkult interessiert die Forscher.
„Der Tempel der Artemis in Ephesos war eine weit über die Grenzen Kleinasiens bekannte Opferstätte. Welche
Tiere damals geopfert und welche Körperteile dafür verwendet wurden, all das liefert uns Hinweise über
bestimmte Riten und soziale Strukturen“, so Forstenpointner. Auch gemalte und plastische Darstellungen von Tieren
werden von den Forschern analysiert. Oftmals sind Darstellungen von Wildtieren oder Fischen nur schwer einer bestimmten
Art zuzuordnen und daher für Archäologinnen und Archäologen kaum interpretierbar. Die Archäozoologie
befasst sich mit der Beantwortung dieser Fragen.
Neuer Raum und neue Ausstattung
Das neu eingerichtete „BoneLab Ephesos“ bietet den Archäozoologen mehr Platz und verbesserte Lagerbedingungen
für ihre Knochensammlungen. Das Labor ist groß genug, um insbesondere auch türkische Gastforschende
und Studierende in die wissenschaftlichen Untersuchungen einbinden zu können. „Mit unserer umfangreichen Referenzsammlung
verschiedenster Tierarten können wir beispielsweise stark fragmentierte Knochensplitter und Skelettelemente
richtig zuordnen. Darüber hinaus finden wir auch Tierarten, die heute in Kleinasien nicht mehr vorkommen
wie beispielsweise der Zander“, betont Forstenpointner. In Zukunft wird im „BoneLab Ephesos“ nicht nur geforscht,
es sollen auch archäozoologische Ausbildungskurse und Workshops angeboten werden.
Wichtige Funde aus der jüngeren Vergangenheit
Zwischen den Jahren 1960 und 1985 wurden in Ephesos die sogenannten Hanghäuser ausgegraben. Diese prunkvollen
Wohnungen werden seither genau erforscht. „Tierische Überreste in den Häusern zeigen, dass die damals
zubereiteten Speisen reichhaltig und vom Feinsten waren“, erzählt Forstenpointner. „Die Menschen genossen
damals zartes Fleisch von Jungtieren, darunter auch vom Schwein, das damals als besonders exklusives Speisetier
galt. Außerdem waren Meerestiere wie Austern, essbare Meeresschnecken, Lippfische, Zackenbarsche aber auch
Zander sehr beliebt.“ In einigen Wohnungen fanden sich Wasserbecken mit fließendem Wasser, in denen man die
Süßwasserfische eine Zeit lang halten konnte. Somit war es möglich, die Fische seinen Gästen
noch lebend anzubieten und ohne Zwischenlagerung zuzubereiten.
Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) betont:
„Die Archäologie ist eine Wissenschaft, die stark interdisziplinär arbeitet und insbesondere mit den
Naturwissenschaften eine intensive Zusammenarbeit pflegt. Das Bone Lab in Ephesos ist ein wichtiger Schritt, die
umfangreiche Referenzsammlung zu erhalten und für die wissenschaftliche Auswertung zu nutzen.“
Die Errichtung des „BoneLab Ephesos“ wurde unter anderem vom Speditionsunternehmen DB Schenker Arkas unterstützt.
Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen,
akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit,
Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna
beschäftigt 1.300 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf
verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute
am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur
Vetmeduni Vienna. Im Jahr 2015 feiert die Vetmeduni Vienna ihr 250-jähriges Bestehen.
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