Erlangen-Nürnberg (idw) - Das menschliche Erbgut besteht aus einer Vielzahl von Genen. Darunter befinden
sich auch Fremdgene: So wurden im Laufe der Evolution Gene von Viren integriert, von denen die meisten aber inaktiv
sind. Werden sie jedoch aktiviert, können sie das menschliche Immunsystem stimulieren – und so bei der Behandlung
gegen Krebs helfen. Das haben Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)
jetzt zusammen mit Kollegen aus den USA nachgewiesen. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler als Titelstory
in der renommierten Fachzeitschrift Cell* veröffentlicht.
Gene tragen die Erbinformation des Menschen. Zu welchem Zeitpunkt und an welcher Stelle ein Gen aktiv ist, ist
in jeder Zelle genau reguliert. Dieser Vorgang spielt während der normalen Entwicklung von Zellen, aber auch
beim Wachstum von Tumoren eine große Rolle. Seit längerem ist bekannt, dass es Stoffe gibt – sogenannte
DNA-Methylierungs-Hemmstoffe (DMI; Englisch für DNA methylation inhibitors) –, die in Tumorzellen eine Vielzahl
von Genen des Immunsystems stimulieren und so zur Bekämpfung des Tumors beitragen. In klinischen Versuchen
mit Lungenkrebspatienten in den USA konnte die Gabe von DMI vor einer Immuntherapie die Behandlung der Patienten
signifikant verbessern.
Wie DMI die Therapie von Tumorpatienten verbessert, war bisher jedoch unbekannt. Ein internationales Team von Wissenschaftlern
aus den USA und von der Universität Erlangen-Nürnberg haben nun die molekular- und zellbiologischen Ursachen
aufgeklärt. Demnach aktivieren die DMI humane endogene Retroviren. Endogene Retroviren wurden im Laufe der
Evolution in das menschliche Erbgut integriert, aber dann zum größten Teil inaktiviert.
Endogene Viren gezielt zur Krebstherapie einsetzen
In ihrem Projekt haben die Forscher Eierstockkrebszellen mit DMI behandelt. Und stellten fest: Durch die DMI
wurden Gene aktiviert, die zur Bildung von Proteinen mit antitumoraler Wirkung – sogenannter Interferone – führten
und damit schließlich zum Tod der Krebszellen. Des Weiteren beobachteten die Forscher, dass durch die DMI
doppelsträngige RNA gebildet wurde – eine Nukleinsäure, die ausgehend von den genetischen Informationen
essentiell für die Proteinsynthese ist. Dies ist normalerweise ein Hinweis auf eine Virusinfektion. Und tatsächlich
konnten die Wissenschaftler um PD Dr. Reiner Strick vom FAU-Lehrstuhl für Geburtshilfe und Frauenheilkunde
nachweisen, dass die RNA aus der Familie der endogenen Retroviren stammt.
Die aktivierten endogenen Retroviren stimulieren also die Immunabwehr. Diese Funktionsweise konnten die Wissenschaftler
auch in anderen Krebserkrankungen der Lunge, Haut und Brust nachweisen. Dadurch konnten die Forscher die Tumore
in verschiedene Gruppen einteilen, je nachdem, wie stark die endogenen Retroviren aktiviert wurden. „Erste vorklinische
Experimente mit Hautkrebs haben gezeigt, dass die zeitgleiche Behandlung mit DMI und Immuntherapie auch einen besseren
und dauerhaften Therapieerfolg erzielten“, erklärt Strick. „Jetzt, wo wir wissen, wie die DMI funktionieren,
könnten sie zukünftig eventuell zur Verbesserung von Krebstherapien eingesetzt werden.“
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