TU Wien und internationale Forschungspartner entwickeln Referenzproben, um Nanopartikel und
ihre Auswirkungen besser studieren zu können.
Wien (tu) - Nanopartikel finden sich fast überall – in unserer Nahrung, in der Luft, im Wasser. Inwieweit
manche von ihnen einen Einfluss auf unsere Gesundheit haben können, wird noch erforscht. Dafür braucht
man allerdings zuallererst verlässliche Referenzproben mit genau bekanntem Inhalt, um präzise Nachweisverfahren
zu entwickeln und zu testen. Nur mit solchen Referenzproben kann man sicherstellen, dass Ergebnisse unterschiedlicher
Labors miteinander vergleichbar sind. Chemikerinnen und Chemikern der TU Wien haben nun gemeinsam mit Partnerteams
aus ganz Europa solche Referenzmaterialien entwickelt – unter anderem in Form einer Tomatensuppen-Rezeptur, angereichert
mit genau definierten Nanopartikeln. Man konnte zeigen, dass sich diese Referenzmaterialien nun als verlässliche
Basis für künftige Forschungsarbeiten nutzen lassen.
Vorsicht statt Panik
Wie schädlich sind Nanopartikel? Die Frage ist genauso wenig zu beantworten wie die Frage „wie schädlich
sind Flüssigkeiten?“. Es gibt unzählige verschiedene Nanopartikel mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften.
Gemeinsam haben sie bloß, dass sie sehr klein sind – etwa 1 bis 100 Nanometer. „Seit es Menschen gibt, nehmen
sie Nanopartikel auf unterschiedliche Weise auf“, erklärt Prof. Günter Allmaier vom Institut für
Chemische Technologien und Analytik der TU Wien. Auf jedem über offenem Feuer gegrillten Stück Fleisch
lassen sich Nanopartikel aus Kohlenstoff finden. „Man sollte sich davor nicht fürchten, aber es ist notwendig,
sich wissenschaftlich damit auseinanderzusetzen“, meint Allmaier.
Auch mit menschengemachten Nanoteilchen haben wir es heute zu tun, etwa mit Partikeln aus Verbrennungsmotoren,
mit Abrieb aus Maschinen, oder mit Teilchen, die in der Industrie ganz bewusst verwendet werden, um die Eigenschaften
von Produkten zu verbessern, beispielsweise in Sonnencremes oder Deodorants. Auch in Instantsuppen werden Nanopartikel
eingesetzt, um das Pulver rieselfreudig zu halten.
„Oft werden Nanopartikel anhand ihrer Masse quantifiziert. Das ist aber in gewisser Weise irreführend“, erklärt
Günter Allmaier. „Wenn man die Gesamtmasse der unterschiedlichen Nanopartikel-Typen auflistet, fallen nur
die größeren von ihnen wirklich ins Gewicht, und die kleinsten werden oft ignoriert.“ Interessanter
als die Massenkonzentration zu kennen ist es daher oft, die Partikelzahl zu bestimmen. Wenn kleine Partikel in
großer Zahl vorkommen, können sie einen großen Einfluss haben, selbst wenn ihre Gesamtmasse gering
ist.
Am Anfang steht die Referenzprobe
Um neue Nachweisverfahren zu entwickeln und zu testen, braucht man Proben, deren Inhalt man genau kennt. „Das ist
ein Henne-Ei-Problem“, sagt Günter Allmaier. „Einerseits braucht man gute Analyseverfahren, um Referenzproben
sauber zu charakterisieren, andererseits braucht man gute Referenzproben, um Analyseverfahren testen und weiterentwickeln
zu können.“
Man kann eine bestimmte Sorte von Nanopartikeln in Reinform verwenden, doch praxisnäher ist es, sie in einer
Matrix unterzubringen, die dem Material entspricht, das man später tatsächlich untersuchen möchte
– etwa Nahrungsmittel, Bodenproben oder Blutserum.
Gemeinsam mit anderen Forschungsgruppen entwickelte das Team von Günter Allmaier im Rahmen des EU Projektes
NanoLyse (www.NanoLyse.eu) Referenzmaterialien mit Silber- oder Siliziumdioxid-Nanopartikeln. In Belgien, am Institute
for Reference Materials and Measurements (IRMM), wurden die Proben hergestellt. Dort wurde als Referenzmatrix-Material
auch Tomatensuppe gekocht – „nach einem Plachutta-Rezept aus Österreich“, sie Günter Allmaier anmerkt.
Tomatensuppe wurde als Referenzmatrix gewählt, weil sie ein gutes Beispiel für eine hochkomplexe Flüssigkeit
ist, die chemisch nicht klar zu definieren ist, weil sie aus unzähligen verschiedenen Komponenten besteht.
Genau definierte Nanopartikel wurden hinzugefügt und die Proben wurden untersucht. „Wir haben die Homogenität
und die Stabilität geprüft, wir haben die Partikelgröße und die Partikelanzahl gemessen“,
sagt Günter Allmaier. All diese Werte müssen genau bekannt sein, um die Referenzprobe mit Tomatensuppen-Matrix
als Basis für künftige Messungen verwenden zu können.
Nanopartikelreferenzmaterialien und Tomatensuppen-Proben mit Nanopartikeln wurden in Labors in ganz Europa verschickt
um herauszufinden, wie gut unterschiedliche Analytik-Verfahren die Nanopartikel detektieren und charakterisieren
können. Das GEMMA-Verfahren aus Wien erwies sich dabei als jene Methode, mit der man die Zahlenkonzentration
der Partikel unterschiedlicher Größe am besten messen kann. Dieses Verfahren wurde von Prof. Allmaiers
Forschungsgruppe gemeinsam mit dem Team des Aerosolphysikers Prof. Wladyslaw Szymanski (Universität Wien)
entwickelt. Dabei werden Partikel einer flüssigen Probe zuerst in einem Nanosprühprozess in die Gasphase
übergeführt und elektrisch geladen. Durch das Zusammenspiel aus einem wirbelfreien Luftstroms und einem
elektrischen Feld kann man die Nanopartikel trennen, die exakte Größe bestimmen und ihre Anzahl angeben.
Nötige Basis für biomedizinische Analysen
Mit exakt charakterisierten Referenzmaterialien und genauen Analysetechniken wird es nun möglich sein, die
Frage nach möglichen Gesundheitsgefahren, die von bestimmten Nanopartikeln ausgehen könnten, seriös
zu beantworten. „Es gibt in der Literatur medizinische Studien, die in bestimmten Fällen negative Auswirkungen
von Nanopartikeln gefunden haben. Aber wenn man die eingesetzten Nanopartikeln nicht genau charakterisieren kann,
lassen sich diese Experimente nur schwer vergleichen und ihre Aussagekraft ist sehr gering“, meint Allmaier. In
Zukunft wird man bei ähnlichen Untersuchungen nun ein wohldefiniertes Referenzmaterial für biologische
und medizinische Untersuchungen einsetzen können.
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