Internationales Forscherteam zeigt Effizienz einer zellgerichteten Therapie
Graz (meduni) - Diagnose Herzinfarkt: Weltweit stellt der akute Herzinfarkt eine der häufigsten Todesursachen
dar. Betroffene erfahren durch die zahlreichen Folgeerkrankungen nicht nur eine Verminderung der Lebensqualität,
sondern durchlaufen lange Therapiezeiten, welche neben dem persönlichen Leidensweg auch hohe Kosten verursachen.
Eine internationale Forschungsgruppe mit Beteiligung von Dr. Peter Rainer, Med Uni Graz, zeigt nun erstmals, dass
eine zellspezifische Therapie auch bei einer Erkrankung wie dem Herzinfarkt wirksam sein kann und neuartige Behandlungsoptionen
möglich erscheinen lässt.
Herzinsuffizienz: Zahlreiche ÖsterreicherInnen betroffen
Plötzlich auftretende starke Schmerzen in der Brust, Kaltschweißigkeit und Übelkeit: Diese
Symptome kündigen oft einen akuten Herzinfarkt an. Die Inzidenz des Herzinfarkts liegt in Österreich
bei rund 300 Infarkten jährlich je 100.000 EinwohnerInnen. Der akute Herzinfarkt ist trotz der Erfolge moderner
Therapiestrategien wie prompter Revaskularisation, effektiver Therapie von assoziierten Rhythmusstörungen
und pharmakologischer Sekundärprophylaxe nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen weltweit. "Der
Herzinfarkt und seine Folgeerkrankungen, allen voran die schwere Herzinsuffizienz, gehen nicht nur mit einer hohen
Sterblichkeit einher, sondern mindern die Lebensqualität der PatientInnen beträchtlich", sagt Dr.
Peter Rainer, Klinische Abteilung für Kardiologie der Medizinischen Universität Graz. Die konventionelle
Therapie nach einem Herzinfarkt beinhaltet neben der Akuttherapie in Form einer raschen Wiedereröffnung des
verschlossenen Herzkranzgefäßes und einer umfassenden intensivmedizinischen Betreuung viele weitere
Maßnahmen wie Rehabilitation und medikamentöse Therapien. Die vorliegenden Forschungsergebnisse zeigen
nun erstmals, dass zellspezifische Therapieansätze wirksam sein könnten.
Zusammenspiel unterschiedlicher Zelltypen im Herzen bestimmt Prognose
Das menschliche Herz besteht aus verschiedenen Zellarten, wobei die Herzmuskelzellen rund die Hälfte aller
Zellen des Herzens bilden. Außerdem spielen auch Bindegewebszellen, Blutgefäß- und Immunzellen
eine wichtige Rolle in der Anpassung des Herzens auf physiologischen oder pathologischen Stress. "Das Zusammenspiel
der verschiedenen Zelltypen innerhalb des Herzens bestimmt die Antwort des Organs als Ganzes auf einen Reiz und
ist deshalb für das Verständnis von Herzerkrankungen wichtig", erklärt Peter Rainer. Außerdem
bildet die Erforschung der Interaktion der diversen Zelltypen im Herzen eine Basis für die Entwicklung von
neuen "targeted therapies" in der Kardiologie.
Positiver Einfluss auf Heilungsprozess durch Signalübertragung in der Herzmuskelzelle
In der Forschungsarbeit untersuchte das internationale Expertenteam das Zusammenspiel diverser Zelltypen und
Zytokine unmittelbar nach einem Herzinfarkt. Zytokine sind Signalstoffe, die mannigfaltige Zellprozesse, unter
anderem Wachstum, Differenzierung und den programmierten Zelltod, steuern. Dabei rückte vor allem das Molekül
Transforming Growth Factor beta (TGFbeta) in den Fokus der WissenschafterInnen. TGFbeta ist seit längerem
bekannt und zählt als Protein zur Gruppe der Zytokine. Es spielt eine essentielle Rolle bei der Differenzierung
von Zellen und Geweben und der Regulation von immunologischen Prozessen. "Neu ist, dass eine zellspezifische
Modulation der Signalübertragung von TGFbeta in der Herzmuskelzelle den Heilungsprozess nach einem Herzinfarkt
positiv beeinflusst und die Entzündungsreaktion im Herzmuskelgewebe zügelt", berichtet Peter Rainer.
Der Effekt dieser zellspezifischen Hemmung von TGFbeta in den Herzmuskelzellen unterscheidet sich stark von einer
ungezielten (globalen) Hemmung durch neutralisierende Antikörper. "Eine ungerichtete Hemmung des gleichen
Moleküls erzielt sogar den gegenteiligen Effekt", führt Peter Rainer weiter aus.
Forschung auf der Suche nach Molekülen mit zellspezifischer Wirkung
Momentan ist der Einsatz von sogenannten targeted therapies, Therapieansätze, die spezifische Moleküle
mit hoher Spezifität und oftmals niedrigem Nebenwirkungsprofil angreifen, vor allem aus der Hämatologie,
Onkologie und Rheumatologie bekannt. Ein Hindernis für die Entwicklung solcher Therapien in der Kardiologie
stellt bis dato die mangelnde Kenntnis von Signalmolekülen dar, deren Beeinflussung auf pharmakologischem
Wege zellspezifische Effekte erzielt. Die Identifizierung solcher Moleküle, die durch TGFbeta zellspezifisch
reguliert werden, spielt in der aktuellen Forschung an der Medizinischen Universität Graz eine wesentliche
Rolle. Aufbauend auf den wichtigen Erkenntnissen der Forschungsergebnisse wird der zellspezifische Ansatz in den
nächsten Jahren überprüft, das attraktive und neuartige Konzept gibt Hoffnung für neue Möglichkeiten
in der Behandlung nach einem Herzinfarkt. Die Ergebnisse entstammen einem 4-jährigen Forschungsaufenthalt
von Peter Rainer an der Johns Hopkins University, Baltimore, USA, welcher von der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften gefördert wurde. Der Wissenschafter der Med Uni Graz erhielt kürzlich den Förderungspreis
der Hans und Blanca Moser-Stiftung für seine herausragende wissenschaftliche Arbeit.
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