Justizkommissarin Jourová: Wahrung der Menschenrechte in Flüchtlingsfrage entscheidend
Brüssel/Wien (pk) – Die Flüchtlingsfrage dominierte am 04.09. die Unterredung von EU-Justizkommissarin
Vera Jourová mit Abgeordneten im österreichischen Parlament. Europa habe Menschen, die vor Krieg flüchten,
Schutz zu bieten, betonte Jourová. Sie setze ihre Hoffnung in das Sondertreffen der EU-InnenministerInnen
im September, bei dem ein Maßnahmenkatalog für einheitliche Standards in der Asylpolitik ausgearbeitet
werden soll. "Menschenrechte müssen gewahrt bleiben und dürfen nicht verletzt werden, auch nicht
bei Flüchtlingen", hielt die Kommissarin fest.
Da auch Verbraucherschutz und Gleichstellungsfragen in den Zuständigkeitsbereich Jourovás fallen, waren
Datenschutz, nicht zuletzt im Rahmen des digitalen Binnenmarkts, und Bestrebungen zur Besserstellung von Frauen
in Wirtschaft und Politik ebenfalls Themen des Informationsaustauschs. Zur geplanten Europäischen Staatsanwaltschaft
als Teil der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen meinte die Justizkommissarin, ohne nationale Strafprozessordnungen
anzutasten, wolle die Kommission die Verhandlungen darüber bis Ende des Jahres abschließen.
Jourová appelliert für mehr gelebte Solidarität in Europa
Die Europäische Union sei nicht vorbereitet gewesen auf die rapide Zunahme der Flüchtlingsbewegungen,
räumte EU-Kommissarin Jourová auf Nachfrage der Abgeordneten ein. Sie wies allerdings darauf hin, Versuche
der Kommission, ein "robustes Asylsystem" in der EU aufzubauen, seien in den letzten Jahren oft an Widerständen
aus den Mitgliedstaaten gescheitert. Ungeachtet dessen gelte es nun, die Dublin-Verordnung zu überarbeiten,
eine einheitliche Definition sicherer Herkunftsländer von MigrantInnen festzulegen, die Asylverfahren durch
"Hot-Spots" an den EU-Außengrenzen zu beschleunigen und Schleppernetzwerke gemeinsam zu bekämpfen.
Zu überlegen sei auch eine Umwidmung von EU-Mitteln, damit gerade für syrische Flüchtlinge in ihrer
Region menschenwürdige Lebensbedingungen geschaffen werden können, so Jourová. Solidarität
unter den EU-Mitgliedstaaten bilde die Basis für eine erfolgreiche Umsetzung konkreter Maßnahmen, etwa
bei der Verteilung von Schutzsuchenden, unterstrich die gebürtige Tschechin: "Wir müssen uns auf
eine allgemeine Solidarität verlassen können". Die menschlichen Schicksale der Flüchtlinge
müssten immer im Vordergrund stehen, gegen Hassreden sei auch mit strafrechtlichen Instrumenten präventiv
vorzugehen.
Einheitliches Regelwerk für Datenschutz angestrebt
Neben dem Flüchtlingsthema beschäftigte die Abgeordneten vor allem die Reform der Datenschutzvorschriften
in der EU, die sich die Kommission für heuer vorgenommen hat. Immerhin stamme die bestehende EU-Datenschutz-Richtlinie
aus dem Jahr 1995, brauche also dringend eine Aktualisierung, erklärte Kommissarin Jourová. Ziel sei
zudem, dass die Bestimmungen in allen EU-Ländern gleichwertig angewendet werden, insbesondere, was den Umgang
von Unternehmen mit Daten von KonsumentInnen betrifft. Die Kommission arbeite daher eng mit den staatlichen Datenschutzbehörden
zusammen. Harmonisiert werden sollten auch die rechtlichen Grundlagen für den elektronischen Handel, sowohl
beim Einkauf von digitalen Inhalten als auch von physischen Waren, umschrieb sie darüber hinaus die Kernelemente
des anvisierten digitalen Binnenmarkts. In diesem Zusammenhang sei geplant, die Bestimmungen zum Verbraucherschutz
in einem Kodex zu konsolidieren.
Europäische Staatsanwaltschaft nimmt Form an, Gleichbehandlungsthemen weiter auf Agenda
Als großes Projekt der verstärkten justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen beschrieb Jourová
die Arbeiten an der Europäischen Staatsanwaltschaft, die in Strafverfahren betreffend finanzielle Interessen
der Union den Mitgliedsstaaten zur Hand gehen soll. Diese zusätzliche europäische Ebene in bestimmten
Strafverfahren werde ohne Beeinträchtigung nationaler Verfahrensordnungen eingerichtet, versicherte sie. Bis
Ende 2015 beabsichtige man, auch die letzten technischen Hindernisse in diesem Bereich ausgeräumt zu haben.
Angesprochen auf die Gleichstellungsagenda der Kommission führte Jourová aus, sie strebe eine bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie an – nicht zuletzt, um Frauen eine größere Beteiligung in Politik
und Wirtschaft zu ermöglichen – sowie das Schließen der Einkommensschere zwischen den Geschlechtern.
Unverändert wichtig werte sie überdies den Kampf gegen Gewalt an Frauen.
Für die SPÖ nahmen an dem Treffen die Abgeordneten Gisela Wurm, Elisabeth Grossmann, Angela Lueger, Hannes
Jarolim und Peter Wittmann teil. Die ÖVP war durch die MandatarInnen Michaela Steinacker, Werner Groiss und
Edgar Mayer vertreten. Von der FPÖ kamen die Abgeordneten Peter Wurm, Philipp Schrangl und Christian Lausch,
für die Grünen ergriff Abgeordneter Albert Steinhauser das Wort. Neben ihrer Fraktion repräsentierten
die Abgeordneten auch die parlamentarischen Fachausschüsse für Justiz, Konsumentenschutz und Gleichbehandlung;
Themenfelder also, für die Jourová in der seit 1. November 2014 amtierenden neuen EU-Kommission verantwortlich
zeichnet.
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