Betriebsmodell organisiert Rollen der Anbieter neu
Innsbruck (pr&d) - Ein neuartiges, ressourcensensibles Betriebsmodell für Onlinespiele, das die
traditionellen großen Anbieterfirmen in drei leichtgewichtige und spezialisierte Leistungsträger aufteilt,
haben Forscher der Universität Innsbruck entwickelt. In einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF gelang es
zu zeigen, wie dieses sowohl Erträge als auch ungetrübtes Spielerlebnis sichern kann. Die Testergebnisse
wurden nun international publiziert.
Ob Priester, Todesritter oder Magier - in Online-Gemeinschaftsspielen oder Massively Multiplayer Online Games (MMOGs)
wie "World of Warcraft" erwarten Millionen von aktiven Nutzerinnen und Nutzern ein störungsfreies
Spielerlebnis. Spielzüge sollen in Echtzeit dargestellt werden, gemeinsame Daten und gleichzeitige Aktivitäten
wollen schnell vernetzt und über Chatkanäle diskutiert werden. Das stellt nicht nur hohe Anforderungen
an die Rechnerleistung, sondern auch an die MMOG-Firmen, erklärt Radu Prodan von der Universität Innsbruck:
"Um bei einer variablen Anzahl an gleichzeitigen Spielern eine sehr gute Spielqualität gewährleisten
zu können, müssen MMOG-Firmen mehr Server-Ressourcen bereitstellen als im Durchschnitt gebraucht werden,
um Lastspitzen abfedern zu können, ohne dass die Qualität darunter leidet." Die Folge ist eine überdimensionierte
Infrastruktur von tausenden Rechnern, deren Besitz bis zu 40 % des gesamten Spieleinkommens kosten kann. Eine schlankere,
flexiblere Infrastruktur wäre durch eine Leistungsaufteilung von Aktivitäten der MMOG-Firmen unter Nutzung
kommerzieller Cloud-Dienste möglich. Wie sich diese Rollenverteilung zur Zufriedenheit aller Seiten einsetzen
lassen könnte, hat das Team um Prodan nun in einem FWF-Projekt erforscht.
Teilen macht Schlank
Als Grundlage wurde ein "Ökosystem" zum Bereitstellen von MMOGs auf der Basis einer Cloud-Infrastruktur
entwickelt: "Statt traditionell alle Aufgaben unter einem Dach zu vereinen - wie es die großen MMOG-Firmen
tun - werden die notwendigen Leistungsbereiche auf drei kleinere, agilere und fokussiertere Akteure aufgeteilt:
Spielanbieter, Spielbetreiber und (Cloud-)Ressourcenanbieter. Die Aufgabe der Spielbetreiber ist es dabei, eine
gute Spielqualität unter veränderlichen Lastbedingungen und unterschiedlicher Ressourcenverfügbarkeit
sicherzustellen", erklärt Prodan. In diesem Modell können die Spielbetreiber die jeweils gerade
benötigten Ressourcen von mehreren Cloud-Anbietern flexibel anmieten und einsetzen, sodass die Servicequalität
für die Endnutzerinnen und Endnutzer durchwegs garantiert ist. Möglich machen dies eigens entwickelte
Algorithmen zur Lastvorhersage und intelligenten Lastverteilung.
Besseres Reagieren durch Simulieren
Um die Praxistauglichkeit dieses Cloud-basierten Hosting-Modells im Rahmen eines Performance-Tests zu untersuchen
wurde ein damit kompatibler Simulator entwickelt, der diese Algorithmen einsetzt. Zusätzlich wurden Real-World
Daten von sechs Monaten Laufzeit auf 150 Servern von RuneScape, einem der größten MMOGs derzeit am Markt,
eingespeist. Ressourcen-Eckdaten von 16 derzeit operierenden Cloud-Anbietern wurden für den Simulator aufbereitet.
Eine große Herausforderung sei es gewesen, ergänzt der Forscher, die Leistungen der Cloud-Anbieter vergleichbar
zu machen. Für die nun im internationalen Magazin "Peer-to-Peer Networking and Applications" veröffentlichten
Tests wurden Mechanismen zur Selbstheilung bei technischen Störungen oder dem plötzlichen Auftreten von
Ressourcenproblemen eingebaut. Diese helfen, etwaige Spielunterbrechungen so kurz wie möglich zu halten. Die
Simulationsdurchläufe zeigten, dass dieses selbstregulierende Hosting mit dynamischer Ressourcenanmietung
und flexibler Lastverteilung auch bei Cloud Ressourcen mit eingeschränkter Verfügbarkeit zu Spielunterbrechungen
von weniger als vier Minuten führte, unabhängig von der Dauer der dahinterliegenden Störung. Die
meisten solcher Störungen betrafen zudem weniger als zwei Prozent der Spielteilnehmerinnen und Spielteilnehmer.
Virtuelle Speicher & reale Marktfitness
Das im Rahmen des FWF-Projekts entwickelte Cloud-basierte Hosting-Modell ermöglicht den intelligenten Einsatz
von Ressourcen. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern erlaubt durch reduzierte Infrastrukturkosten auch geringere
Steigerungen der Teilnehmergebühren für die Endkundinnen und Endkunden. Wegfallende Anfangsinvestitionen
in eine eigene Infrastruktur ermöglichen es auch kleineren MMOG-Firmen am Markt teilzunehmen und Monopolstellungen
aufzubrechen. Intelligente Lastvorhersage- und Lastverteilungsmechanismen sowie Selbstheilungsmechanismen sorgen
für ein hochqualitatives Spielerlebnis auch unter den nicht immer störungsfreien Bedingungen in der Verwendung
von Cloud-Ressourcen. Das macht Cloud-Lösungen auch für andere, nicht spielorientierte Performance-hungrige
IT-Anwendungen interessant.
Zur Person
Radu Prodan ist am Institut für Informatik an
der Universität Innsbruck tätig. Sein Forschungsinteresse gilt seit über 15 Jahren dem Parallel
und Distributed Computing. Er promovierte 2004 an der Technischen Universität Wien und habilitierte 2009 an
der Universität Innsbruck. Prodan wirkte an zahlreichen europäischen Projekten mit und ist zur Zeit als
wissenschaftlicher Koordinator des H2020 Projekts ENTICE aktiv. Auch aufgrund seiner über 100 Fachpublikationen
erreichte er den 11. Platz im Ranking der weltweit produktivsten Forscherinnen und Forscher im Bereich Cloud Computing
des Magazins IEEE Transactions on Cloud Computing.
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