FLIRTING WITH STRANGERS

 

erstellt am
11. 09. 15
09:00 MEZ

Begegnungen mit Werken aus der Sammlung
Wien (belvedere) - Verstehen wir eine Sammlung doch einmal als ein Beziehungsgefüge zwischen den Dingen, die einander begegnen. Und als eine Gelegenheit, die, wie Baudrillard es einst formuliert hat, eine "tägliche Prosa der Gegenstände, […] eine unbewusste und triumphale Unterhaltung" etabliert. Flirting with Strangers, die Herbstausstellung im Erdgeschoss des 21er Haus, nimmt diesen Gedanken auf und inszeniert vom 9. September 2015 bis 31. Jänner 2016 ein spannungsvolles, spielerisches und manchmal auch unerwartetes Aufeinandertreffen von und mit Werken aus der Sammlung. Zu sehen sind Arbeiten von über hundert Künstlerinnen und Künstlern - das älteste Exponat aus dem 14. Jahrhundert, das jüngste von 2015.

Kunstwerke sind Dinge, denen ein besonders hoher Grad an Individualität zugeschrieben wird. Keines gleicht dem anderen - ihre Einzigartigkeit zeichnet sie aus, und darin begründet sich gemeinhin auch ihre Sammlungswürdigkeit. Einmal auserwählt, werden sie zu einem unter vielen. Mit musealen Sammlungen verbinden wir ein Systematisieren der Dinge entlang wissenschaftlicher Kategorien, die Zusammenhänge herstellen, Sinn stiften und als wirkmächtige Deutungsinstanzen verbindliches Wissen produzieren. "Und Ausstellungen sind letztlich (An-)Ordnungen dieses Wissens, die aber zugleich das Potenzial haben, alternative Deutungen zu entwerfen und Aktualisierungen zu ermöglichen", so Kuratorin Luisa Ziaja. Eben hier setzt die Ausstellung an: Flirting with Strangers versucht die Argumente und Ordnungsmodi der klassischen Kunstgeschichte bewusst hinter sich zu lassen und die Aufmerksamkeit stattdessen zurück auf die Dinge zu lenken. "Sie geht dabei konsequent ahistorisch und unabhängig von Stilgeschichten vor, hebt manches Mal scheinbare Nebensächlichkeiten oder auch weit hergeholte Ähnlichkeiten hervor - mit der Absicht, das Detail des Einzelnen in den Fokus zu nehmen und mitunter überraschende Beziehungen in den Raum zu stellen, etwa wenn Erwin Wurms Aufforderung Seien Sie ein Hund für eine Minute von 2003 auf Oskar Kokoschkas Tigerlöwe aus dem Jahr 1926 trifft", erklärt Kurator Severin Dünser. Während Wurm die Besucher dem Animalischen nachspüren lässt, malt Kokoschka eindrücklich eine nie wiederholte Kreuzung zwischen Löwe und Tiger.

Zentrale Aufgaben des 21er Haus sind das Sammeln, das Erhalten, das Aufarbeiten und nicht zuletzt das Ausstellen lokaler zeitgenössischer Kunst im internationalen Kontext. Aber was bedeutet "zeitgenössische Kunst" denn eigentlich? Sie stellt auf jeden Fall eine Abgrenzung zu den Avantgarden der Moderne dar, die das Feld lange Zeit aus einer westlichen Perspektive dominierten. Und sie verspricht eine Relevanz in der Gegenwart, eine Verbundenheit mit dem Hier und Jetzt. Zudem definiert sie sich eher über ihre Offenheit denn über geografische oder kulturelle Grenzen - auch die globalisierte Welt mit ihrer ideellen Diversität bei gleichzeitiger Ökonomisierung derselben spiegelt sich in der zeitgenössischen Kunst wider.

"Seit 2007 wurden 1511 Werke österreichischer oder internationaler Künstler erworben", so Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere und des 21er Haus. "Das macht mehr als 76 Prozent der gesamten zeitgenössischen Bestände aus. Es ist mir ein persönliches Anliegen, diese Entwicklung in Zukunft fortzusetzen und durch gesonderte Ausstellungen zu vermitteln. Entscheidend ist, dass die zeitgenössische Sammlung des Belvedere - und dies ist auch die Motivation hinter dieser Ausstellung - als etwas Lebendiges erscheint, als etwas, das sich stetig entwickelt und wächst", führt Agnes Husslein-Arco zum Hintergrund der aktuellen Ausstellung im 21er Haus aus.

Die Ausstellung wird begleitet vom ersten Band einer neuen Publikationsreihe, die das Sammlungsgeschehen in den Blick rückt, sowie weiters von einem umfangreichen Vermittlungsprogramm, das neben einer Performance, Talks und Workshops auch Kurzvideos auf YouTube mit den Kuratoren zu ausgewählten Werken und Konstellationen anbietet.

Kuratiert von Severin Dünser und Luisa Ziaja.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.21erhaus.at/de

 

 

 

 

 

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