Vorgezogener Europäischer Rat notwendig – Flüchtlingskoordinator muss an Schwachstellen
ansetzen
Wien (bpd) - "Ich danke allen Österreicherinnen und Österreichern für ihre Unterstützung
bei der Betreuung der Flüchtlingsströme in den letzten Tagen. Das zeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen
NGOs, ehrenamtlichen Helfern und Behörden effizient und menschlich funktioniert, wenn es darauf ankommt",
sagte Bundeskanzler Werner Faymann am 08.09. beim Pressefoyer nach dem Ministerrat.
"Damit ist die Flüchtlingsfrage aber noch nicht international und in Europa gelöst. Ein vorgezogener
Europäischer Rat ist dafür notwendig", so Faymann. "Wir müssen festlegen, wie wir UNHCR
und UNO unterstützen können, um die Flüchtlinge in den großen Lagern im Libanon, in Jordanien
oder in der Türkei besser zu versorgen und um auch über internationale Signale beraten zu können."
Es gebe keine einfachen Antworten, unterstrich der Bundeskanzler. "Doch wir haben in der Wirtschaftskrise
2008 alles unternommen, damit die Banken und damit die Finanzkreisläufe nicht zusammenbrechen und wir müssen
auch jetzt dieselben Kraftanstrengungen unternehmen, damit das Asylrecht gewahrt werden kann."
Dafür brauche es eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas. "Das wird noch zu harten
Auseinandersetzungen führen. Ich habe auch gestern mit meinen Amtskollegen aus der Slowakei und Tschechien
darüber sehr kontroversiell diskutiert. Diese Länder sind von den Flüchtlingsströmen nicht
direkt betroffen, daher hat die Frage nicht dieselbe politische und emotionale Bedeutung. Aber es ist in der Europäischen
Union nicht akzeptabel, dass einerseits Solidarität für das eigene Land eingefordert, und andererseits
gesagt werden kann, das Thema betrifft mich nicht", so der Bundeskanzler weiter. "Wenn wir einerseits
gemeinsam die Außengrenzen sichern und sogenannte Hotspots, also Sammelstellen für Asylsuchende einrichten
wollen, dann müssen wir auch wissen, wo diese Menschen untergebracht werden sollen. Wir müssen dabei
an die Einhaltung der Menschenrechte erinnern, denn wir wollen keine Zäune gegen Kriegsflüchtlinge aufbauen."
Ebenso müsse man gemeinsame Standards bei der Flüchtlingsbetreuung erreichen. "Wie erklären
Sie sich, dass wir in Österreich gut 50.000 Asylwerber haben, davon die Mehrzahl in Wien, aber keiner nach
Prag gehen will?", so Faymann.
Auch in Österreich seien noch Aufgaben zu bewältigen, im Vordergrund stehe die Beschaffung von winterfesten
Quartieren. "Wir haben heute offiziell den Koordinator für Flüchtlingsfragen bestellt", so
Faymann. Er soll in Kooperation mit den Bundesländern Quartiere schaffen. "Denn jedes Prozent unter Erfüllung
der Quote heißt ein Prozent mehr Menschen in Zelten und Notquartieren. Zum andern geht es um die bessere
Zusammenarbeit mit denjenigen Menschen, die helfen wollen, die etwas anbieten und oft lange keine Rückmeldung
bekommen." Die Regierung werde den Koordinator in allen Bereichen unterstützen.
Auf Nachfrage zur aktuellen Situation der Flüchtlingsbewegungen sagte Faymann, dass Österreich schrittweise
zu normalen Verhältnissen zurückkehren und auch wieder stichprobenartige Kontrollen an den Autobahnen
und in Zügen durchführen werde. "Es sind derzeit keine Sonderzüge mehr geplant", so der
Bundeskanzler.
|