Innsbruck (i-med) - Im Rahmen der 1. Summer School „Emotions in Motion“ lernen derzeit 20 postgraduierte Studierende
in Innsbruck, was im Gehirn passiert, wenn wir fühlen oder uns fürchten. Insbesondere die Angst wird
weltweit intensiv erforscht: Angststörungen sind die häufigsten psychiatrischen Erkrankungen in Europa.
Innsbrucker ForscherInnen an der Medizinischen Universität Innsbruck und der Universität Innsbruck leisten
einen Beitrag zur Verbesserung der Therapiemöglichkeiten.
Emotionen spielen eine zentrale Rolle in unserem Leben, da sie alle Aspekte unseres Denkens und Verhaltens beeinflussen.
Wenn Gefühle wie Angst überhand nehmen, können Erkrankungen entstehen. Die häufigsten psychischen
Erkrankungen in Europa sind Angststörungen. 61,5 Millionen Menschen Betroffene gibt es in Europa. „Als Universität
war es uns daher wichtig, dieses gesellschaftlich bedeutsame Thema aufzugreifen“, erklärt die Organisatorin
der Summer School Christine Bandtlow, Direktorin der Sektion für Neurobiochemie und Vizerektorin für
Forschung und Internationales der Medizinischen Universität Innsbruck. 20 postgraduierte Studierende aus sechs
verschiedenen Ländern beschäftigen sich gemeinsam mit zahlreichen internationalen ExpertInnen sowie Innsbrucker
ForscherInnen rund eine Woche lang interdisziplinär mit Emotionen und den Vorgängen im Gehirn. „Innsbruck
hat sich für diese Summer School als universitärer Standort angeboten, da sich Forschungsteams an beiden
Universitäten mit Emotionen, insbesondere der Angst, auseinandersetzen“, erklärt Bandtlow. Den Neurowissenschaften,
ein Forschungsschwerpunkt der Medizinischen Universität Innsbruck, kommt für die Entwicklung zukünftiger
Behandlungsmethoden eine wichtige Rolle zu. „Nur wenn wir verstehen was im Gehirn passiert, dann können wir
auch neue Therapieansätze finden“, erklärt Bandtlow.
Keine Angst zu haben, kann lebensgefährlich sein
Nicht jedes Angstgefühl ist krankhaft: Erst wenn Angst zu lange dauert oder in Situationen auftritt, die
eigentlich nicht gefährlich sind, liegt eine Angsterkrankung vor. Angst ist auch ein grundlegendes Gefühl,
das zwar oft als unangenehm empfunden wird, aber ohne Angst würden Menschen Gefahren ignorieren. „Keine Angst
zu haben, kann lebensgefährlich sein. Angst erhöht unsere Aufmerksamkeit und hilft uns in gefährlichen
Situationen richtig zu reagieren“, erklärt Francesco Ferraguti, Vorstand des Instituts für Pharmakologie
der Medizinischen Universität Innsbruck. Mit seinem Team erforscht der Neuropharmakologe, welche neuronalen
Mechanismen für Angst und Furcht wichtig sind. Erst kürzlich hatten Ferraguti und sein Team im Rahmen
einer internationalen Forschungsarbeit neue, für die Ängstlichkeit zuständige Gehirnzellen identifiziert.
„Diese Nervenzellen befinden sich meistens im Angstzentrum des Gehirns, dem sogenannten Mandelkern oder Amygdala.“
Neue Ansätze zur Therapie
Angst ist häufig erlernt: Beispielsweise können Menschen die schon einmal in einen Autounfall verwickelt
waren, automatisch Angst bekommen, wenn sie etwa quietschende Reifen hören, selbst wenn sie gerade nicht in
einer Gefahrensituation sind. Im Rahmen einer Psychotherapie kann versucht werden, ein Umlernen zu erreichen: Falsch
Einstudiertes soll mit Hilfe des Extinktionslernens wieder „verlernt“ werden. „Die Angst bleibt aber im Furchtgedächtnis
gespeichert und wird quasi nur durch das neu Gelernte im Zaum gehalten“, erklärt Nicolas Singewald, Neuropharmakologe
vom Institut für Pharmazie der Universität Innsbruck. Daher kommt es häufig vor, dass PatientInnen
nach einer zunächst erfolgreichen Therapie erneut an der Angststörung leiden. Singewald und sein Team
arbeiten daher daran extinktions-basierte Verhaltenstherapien zu verbessern. „Wir haben herausgefunden, was für
Mechanismen es braucht, um gestörtes Extinktionslernen zu verbessern“, erklärt Singewald. „Mit bestimmten
Neuro-Enhancern kann das Gedächtnis gefördert werden und auch das Extinktionslernen signifikant verbessert
werden.“
Zahl der Betroffenen steigt
Derzeit wird weltweit intensiv an neuen Therapiemöglichkeiten geforscht, da zahlreiche Studien darauf hinweisen,
dass Angsterkrankungen zunehmen. ExpertInnen gehen davon aus, dass rund 15 bis 16 Prozent der Bevölkerung
im Laufe ihres Lebens an einer Angststörungen leiden. Demnach gibt es allein in Tirol über 100.000 Betroffene.
„Die Wahrscheinlichkeit an einer Angststörung zu erkranken ist höher, je größer die Unsicherheitsfaktoren
und Belastungen im Alltag sind. Psychosoziale Risikofaktoren finden sich oft in Lebensphasen mit ausgeprägter
Veränderung wie der Pubertät oder Adoleszenz“, erklärt Barbara Sperner-Unterweger, Direktorin der
Innsbrucker Univ.-Klinik für Psychosomatische Medizin. Die häufigste Angsterkrankung ist die Generalisierte
Angststörung. Besonders belastend erleben PatientInnen auch Panikstörungen. „Erste Anlaufstelle für
Betroffene ist häufig der Hausarzt, da bei Angsterkrankungen vielfach körperliche Symptome im Vorderrund
stehen, beispielsweise Herzrasen, Schwitzen, Atemnot oder Zittern, aber auch Verdauungsstörungen, Schlafstörungen
sowie Schmerzen können auftreten“, sagt Sperner-Unterweger.
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