26. September bis 17. Jänner 2016 im 21er Haus
Wien (belvedere) - Das 21er Haus nimmt den Ankauf der Installation 'Where we were then, where we are now
(2007)', die Simon Wachsmuth für die Documenta 12 konzipiert hat, zum Anlass für eine Einzelausstellung
des Künstlers, die um Monumente und Dokumente und ihre Diskursivierung kreist. Sie führt uns in die altpersische
Residenzstadt Persepolis in vorchristlicher Zeit und in den heutigen Iran, zu koreanischen Dolmen aus der Jungsteinzeit
und zu Reisfeldern und archäologischen Museen in der Gegenwart, in das experimentelle Bildergedächtnis
des Kunsthistorikers Aby Warburg und in die zeitgenössische Hellas-Ikonologie - kurz: an reale und imaginierte
Orte, an denen das Selbst seine Vergewisserung sucht, Identität gestiftet und Geschichte mit und vor allem
gegen den Strich gebürstet wird.
"Ganz der Programmatik des 21er Haus entsprechend verdeutlicht diese konzentrierte monografische Präsentation
von Simon Wachsmuth die Verschränkung von Sammlungsaktivität und Ausstellungstätigkeit. Ich freue
mich sehr darüber, dass diese zentrale Installation des Künstlers aus unserem Sammlungsbestand hier nun
erstmals im Kontext weiterer Arbeiten gezeigt wird", so Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere und
des 21er Haus, zur Ausstellung. "Sie macht Simon Wachsmuths künstlerischen Zugang nachvollziehbar, der
die kulturelle Verhandlung und Aneignung historischer Überreste über die Zeit verfolgt und mit gegenwärtigen
Bildern verknüpft."
Der Titel der Ausstellung, Monumente. Dokumente., referiert auf bewahrende materielle Träger, die dem Heranholen
des Vergangenen, des eigentlich unwiederbringlich Verlorenen in die Gegenwart dienen. Zumindest ist diesen ein
solches Versprechen eingeschrieben. Und damit werden sie zu integralen Bestandteilen individuellen und kollektiven
Erinnerns. Schließlich lebt die Erinnerung ja gerade von den Bildern, die wir uns von der Vergangenheit machen,
den Ritualen, die wir um sie herum entwickeln, und jenen Orten, an denen sie sich quasi materialisiert. Denkmäler
sind solche Orte, aber auch Ausgrabungsstätten und nicht zuletzt Museen. "Simon Wachsmuth interessieren
diese Materialisierungen von Erinnerung: Er beschäftigt sich mit kulturellen (Re-)Konstruktionen von Geschichte
und befragt das Verhältnis von materiellen Spuren, musealen Repräsentationen und Formen ihrer Indienstnahme
in der Gegenwart", erläutert Kuratorin Luisa Ziaja.
Die mehrteilige Installation Where we were then, where we are now (2007) nimmt ihren Ausgangspunkt in Persepolis,
der im heutigen Iran gelegenen ehemaligen Königsstadt des Achämenidenreichs, die 330 v. Chr. von den
Truppen Alexanders des Großen zerstört wurde. Rund um die Paraphrase des Alexandermosaiks von Pompeji
in Form eines Mosaiks aus Magneten spinnt Wachsmuth ein vielschichtiges Verweissystem zu vergangenen und gegenwärtigen
Projektionen auf den Iran, das Verhältnis von Orient und Okzident und Prozesse der Übertragung, Aneignung
und Abstraktion von Geschichte. Auf fünf stoffbespannten Tafeln präsentiert der Künstler Arrangements
aus Archivmaterialien, Fotografien, Zeitungsausschnitten, Reproduktionen wie auch handgemalten Blättern zu
Goethes Farbenlehre, die assoziationsreich neue und immer wieder andere Verbindungen zwischen Vergangenheit und
Gegenwart, Bildern und Kontexten herstellen, sich aber stets einer letztgültigen Deutung entziehen. Sie sind
vielmehr Ausdruck der Komplexität von Geschichtsschreibung und machen darüber hinaus - in Anlehnung an
Aby Warburgs einflussreichen Mnemosyne-Atlas - das Fortleben antiker Formen und Gesten bis hinein in die Gegenwart
nachvollziehbar. Die berühmten Apadana-Reliefs in Persepolis sind Gegenstand eines Films, der in langsamen
Kamerafahrten die materiellen Überreste aufnimmt, während ein zweiter Film eine Gruppe Männer bei
der Zurkhaneh zeigt, einer traditionellen iranischen Leibesübung, die ihren Ursprung in klandestinen militärischen
Kampfübungen hat, über die Jahrhunderte aber um spirituelle Rituale erweitert wurde. Die in vielen der
Bilder - prominent im zentralen Mosaik - dargestellten Lanzen finden sich in Form abstrakter schwarz-weißer
Stäbe im Raum wieder und verdeutlichen auch hier die Übertragung und Transformation von Gegenständen,
Bildern und kulturellen Praxen.
Die für die Busan-Biennale 2012 konzipierte Videoinstallation As Matter Stands widmet sich hingegen materiellen
Zeugnissen einer Zeit vor der Geschichtsschreibung: Dolmen aus dem Neolithikum im heutigen Südkorea. Wachsmuth
hält seine Annäherung an diese imposanten erratischen Steinkonstellationen, von denen man annimmt, dass
sie Grabstätten markieren, in langsamen, beobachtenden Bildern fest und ergänzt sie durch Aufnahmen von
Darstellungen in archäologischen und kulturhistorischen Museen. Welche Vorstellung sich Ethnologen, Archäologinnen
oder auch Museumskustoden von der Einbettung dieser Orte in den Alltag gemacht haben und machen, lässt sich
beispielsweise an Dioramen ablesen, die Wachsmuth mit Bildern verschiedener Dolmen - touristisch erschlossener
oder auch unbeachtet in Reisfeldern oder in Wäldern gelegener - kombiniert.
Die Installation Skepsis schließlich markiert den Beginn einer neuen Arbeit des Künstlers, die sich
auf Basis des umfangreichen Bildarchivs der Freien Universität Berlin mit der historischen und der gegenwärtigen
Ikonologie des Hellenismus beschäftigt. Das ganz auf Nachsichtigkeit konzipierte Arrangement aus zum Teil
kommentierten Fotografien aus unterschiedlichen Zeiten, Bildreproduktionen und vereinzelten aktuellen Schlagzeilen
fordert uns ganz dem titelgebenden griechischen Begriff entsprechend zum Zweifel und zur genauen Betrachtung auf.
In Zeiten einer Konjunktur vereinfachender und polarisierender Bilder eines krisengeschüttelten Griechenland
ist Skepsis, so der Künstler, mehr als angebracht.
|