Die Länder tragen Verantwortung für das Funktionieren des Ganzen, sie sind keine
Reformverweigerer
Wien (pk) - Zu Beginn der 845. Sitzung des Bundesrates am 25.09. erinnerte der Präsident des Bundesrats
Gottfried Kneifel an die Jubiläumsveranstaltung "70 Jahre Länderkonferenz", die darauf aufmerksam
mache, dass die Tage vom 24. bis zum 26. September 1945 zur staatlichen Organisationsform Österreichs in der
jetzigen Ausprägung geführt haben. Gegenüber Kritik am Föderalismus und an den Bundesländern,
die kürzlich in der öffentlichen Feststellung gipfelte, die Länder stellten eine Bedrohung für
die Regierbarkeit der Republik Österreich dar, hielt Kneifel fest, dass es der Föderalismus sei, der
Problemlösungen in unmittelbarer Nähe der BürgerInnen erlaube. "Bürgernähe und Subsidiarität
ermöglichen eine bessere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Verwaltung und Gesetzgebung",
zeigte sich der Bundesratspräsident überzeugt.
Dies gelte auch für den Bundesrat, der mit seinen Feststellungen, Bewertungen und oft auch Kritik bei der
Behandlung von Gesetzesvorhaben und Richtlinien der Europäischen Union Hervorragendes leistet und beim Thema
Subsidiaritätsprüfung einen Spitzenplatz unter den europäischen Parlamenten einnehme. Die europäische
Gesetzgebung bedürfe mehr noch als die nationale oder regionale der Interpretation, der Erklärung und
der Orientierung für die BürgerInnen. An dieser Stelle erinnerte Kneifel daran, dass der Bundesrat im
vergangenen Juni - mehrere Monate vor dem Nationalrat - das Rederecht für österreichische Mitglieder
des Europäischen Parlaments im Bundesrat eingeführt hat und hob dabei die wichtige Übersetzungsarbeit
zwischen dem Wollen der Europäischen Union und den BürgerInnen hervor, die die Bundesräte leisten.
"Die Länder sind keine Reformverweigerer", setzte Kneifel sein Plädoyer für den Föderalismus
fort und machte darauf aufmerksam, dass alle großen Reformwerke der jüngeren Zeit - Gesundheitsreform,
Stabilitätspakt oder Polizeireform – unter Mitwirkung der Länder auf den Weg gebracht wurden. "Das
bundesstaatliche Organisationsprinzip Österreichs im Sinne der Gründerväter der Republik hat sich
in diesen Jahren bewährt. Die Länder seien auch in der Lage, ihre Aufgaben kostenminimal zu erfüllen
und sorgsam mit Steuergeld umzugehen", sagte Kneifel.
Die Länderkonferenz vor 70 Jahren sei der Beweis für die Bereitschaft der Länder, Verantwortung
für das Staatsganze zu übernehmen. Damals entsandten die westlichen Bundesländer Vertreter in die
Staatsregierung Karl Renners, was auch die Westalliierten zur Anerkennung der Regierung Renner veranlasste – dadurch
wurde im Jahr 1945 die Einheit der Republik gewahrt.
Damals wie heute leisten die Länder ihre Beiträge für das Staatsganze. Das Verhältnis Bund–Länder
sei dennoch immer wieder zu prüfen und zu justieren, um die Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern
zu stärken, die politischen Verantwortlichkeiten noch deutlicher zuzuordnen und eine zweckmäßige
und effiziente Aufgabenerfüllung aller Gebietskörperschaften sicherzustellen, sagte Kneifel. Konkret
nannte der Bundesratspräsident die Entflechtung der Zustimmungsrechte zwischen Bund und Ländern, bei
der auf Augenhöhe und mit Augenmaß miteinander umzugehen sei. Denn alle tragen für das Funktionieren
des großen Ganzen Verantwortung.
Bundesratspräsident Gottfried Kneifel schloss mit den Worten des derzeitigen Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz,
des oberösterreichischen Landeshauptmanns Josef Pühringer: Der Föderalismus ist nie Selbstzweck,
sondern diene insbesondere einer Politik der Bürgernähe. Es gelte, den Föderalismus weiterzuentwickeln
und den Erfordernissen der Zeit anzupassen. Die föderale Ordnung ist keine Maschine, sondern wächst aus
Zusammengehörigkeitsgefühl, Vertrauen, Solidarität und gegenseitigen Zugeständnissen. In diesem
lebendigen Miteinander bleiben Reformen eine dauernde Aufgabe. Dieses Miteinander haben die Teilnehmer der Länderkonferenz
vor 70 Jahren bewiesen. Es soll auch für uns Auftrag und Motivation und Richtlinie für die Lösung
der heutigen Probleme sein. In Europa, in Österreich und in unseren Bundesländern.
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