BR-Präsident Kneifel im Gespräch mit deutschen ParlamentarierInnen – ParlamentarierInnen
einig - Solidarität und Verantwortung statt Populismus
Berlin/Wien (pk) – Die Bewältigung des aktuellen Flüchtlingsstroms nach Europa, das Zukunftsthema
"Digitaler Wandel" und Fragen zur Weiterentwicklung des Föderalismus bildeten die Themen eines einstündigen
Gedankenaustauschs zwischen Bundesratspräsident Gottfried Kneifel und Klaus Brähmig, dem Vorsitzenden
der Deutsch-Österreichischen Parlamentariergruppe, der am 05.10. an der Spitze einer Bundesratsdelegation
dem Hohen Haus einen Besuch abstattete.
Bundesratspräsident Gottfried Kneifel sah die Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich ungetrübt,
sie sollten aber weiterentwickelt werden, insbesondere auch auf parlamentarischer Ebene, zeigten sich Gottfried
Kneifel und seine deutschen Gäste überzeugt. Kneifel informierte über das Schwerpunktthema "digitaler
Wandel", das sich der Bundesrat für das kommende Jahr in der Absicht gegeben hat, eine wichtige Zukunftsfrage
in den parlamentarischen Raum zu holen und zugleich den BürgerInnen eine Plattform zu bieten, auf der sie
sich mit ihren Hoffnungen und Sorgen in die Diskussion einbringen können. Tatsächlich zeige die Bevölkerung
starkes Interesse an Fragen zum Urheberrecht im Internet, zur Steuertransparenz im Online-Versand, an Sicherheitsproblemen
sowie an der Frage, wie der digitale Nachlass geregelt werden könne. Die an dem Thema interessierten deutschen
ParlamentarierInnen stimmten mit Kneifel darin überein, dass die technischen Möglichkeiten des digitalen
Wandels auch zur Weiterentwicklung der Demokratie genutzt werden sollten. An dieser Stelle informierte Kneifel
über neue Entwicklungen bei der Suche nach fälschungssicherem e-Voting.
Klaus Brähming (CDU/CSU) sah in Deutschland derzeit eher Haushaltsfragen und nicht die Föderalismusdebatte
im Vordergrund stehen, gehe es doch darum, das ambitionierte Ziel einer "Schwarzen Null" zu erreichen.
Besorgt zeigten sich die deutschen Gäste wie auch Gottfried Kneifel angesichts der Flüchtlingskrise,
die einmal mehr zeige, dass man sich in Europa bei gutem Wetter auf Vertragswerke eingelassen habe, ohne ausreichend
zu beachten, wie sich die Sache bei schlechtem Wetter entwickle. Bedauerlicherweise zeige sich die Europäische
Union einmal mehr nicht im Einklang - Europa stehe vor einer großen Herausforderung, werde sie aber bewältigen,
sagte Klaus Brähmig.
Gottfried Kneifel hielt es für angebracht, den Lissabon-Vertrag zu überdenken, denn es gehe nicht an,
Regeln bei ersten auftretenden Problemen über Bord zu werfen – die Verträge von Dublin und Schengen seien
de facto außer Kraft, stellte Kneifel fest. Das Thema werde Europa noch lange beschäftigen, auch bei
der Kinderbetreuung, auf dem Arbeitsmarkt, in den Schulen und bei der Anerkennung der Berufsqualifikationen der
Flüchtlinge. Da ein Arbeitsplatz nicht nur dazu da sei, um Geld zu verdienen, sondern um Selbstbewusstsein
und Lebenssinn zu vermitteln, plädierte Kneifel dafür, den Flüchtlingen möglichst rasch Zugang
zu Arbeitsplätzen zu geben – das werde deren Integration erleichtern.
An der Diskussion nahm auch der Vorsitzende der österreichisch-deutschen bilateralen parlamentarischen Gruppe
Johann Hechtl (S) teil. Er unterstrich die Bedeutung des Föderalismus, bezeichnete es als wichtig, die Anliegen
der Bundesländer in der Bundesgesetzgebung zu berücksichtigen und wies auf die historischen Erfolge der
Zusammenarbeit zwischen Nationalrat und Bundesrat hin.
Zur Begleitung von Abgeordnetem Klaus Brähmig (CDU/CSU) zählten seine StellvertreterInnen im Vorsitz
der Deutsch-Österreichischen ParlamentarierInnengruppe, die Abgeordneten Karl-Heinz Brunner (SPD) und Katrin
Werner (DIE LINKE.) sowie die Abgeordneter Max Straubinger und Michael Grosse-Brömer (beide CDU/CSU).
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Nach ihrer Unterredung mit Bundesratspräsident Gottfried Kneifel setzte die Delegation deutscher Bundestagsabgeordneter
mit dem Vorsitzenden der Deutsch-Österreichischen Parlamentariergruppe Klaus Brähmig an der Spitze ihre
Gespräche im Hohen Haus fort. Unter der Diskussionsleitung des Vorsitzenden der bilateralen Parlamentariergruppe
Österreich-Deutschland, des SPÖ-Abgeordneten Johann Hechtl, standen die großen gemeinsamen Herausforderungen
vor denen Deutschland, Österreich und die Europäische Union bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms
stehen, im Mittelpunkt einer einstündigen Aussprache in betont freundschaftlicher Atmosphäre.
Europa stehe vor der größten Herausforderung seit dem Bestehen der EU, vor einer Nagelprobe für
die europäische Integration, sagte ÖVP-Abgeordnete Dorothea Schittenhelm. Einmal mehr zeige sich, dass
Europa eine gemeinsame Sicherheitspolitik und die USA einen Ansprechpartner in Europa in Sicherheitsfragen brauche.
Schittenhelm sah Europa als Wertegemeinschaft und erhielt von deutscher Seite Bestätigung für ihre Ansicht,
dass eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ein zentrales Anliegen Europas darstelle.
NEOS-Abgeordneter Christoph Vavrik bedauerte das Fehlen einer österreichischen Einwanderungspolitik, die Menschen
würden verunsichert, wenn man ihnen nicht klar sagen könne, ob es um Hilfe für Flüchtlinge
oder um die Lösung demographischer Probleme gehe. Zu den europäischen Werten, die man gemeinsam vertreten
sollte, zählen auch die sozialen Standards für Europa, sagte Abgeordnete Katrin Werner (DIE LINKE), während
FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker beklagte, Europa reagiere auf das Flüchtlingsproblem viel zu zögerlich
und überdies falsch, weil die Quotenregelung die Autonomie der Mitgliedsländer beeinträchtige und
nicht funktionieren könne, da ein Großteil der Flüchtlinge Wirtschaftsmigranten seien. Man werde
nicht darum herumkommen, die Außengrenzen besser zu bewachen und Aufnahmezentren in der Nähe der Krisenregionen
zu errichten.
Demgegenüber warnte Abgeordneter Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) davor, bei bloßen Analysen und
allzu einfachen Lösungsvorschlägen stehenzubleiben. Gefragt seien Lösungen auf der Grundlage gemeinsamer
Werte in Europa. Abgeordneter Dieter Brosz (G) wies darauf hin, dass "Grenzen sichern" nicht heißen
könne, mit Schießbefehl und Knüppeln gegen Flüchtlinge aus Kriegsgebieten vorzugehen. Vielmehr
gehe es darum, die Europäische Union Schritt für Schritt weiterzuentwickeln - dies brauche seine Zeit
und oft Geduld, Populismus sei jedenfalls zu vermeiden, dem stimmte auch SPÖ-Abgeordnete Gisela Wurm zu.
Abgeordneter Johann Hechtel (S) resümierte die Diskussion mit der Feststellung, es brauche europäische
Antworten im Geiste europäischer Solidarität, die den Menschen politische Verantwortung signalisieren.
Dazu gehöre auch, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht zu vernachlässigen und das Wirtschaftswachstum
abzusichern. Populismus sei zu vermeiden, betonte abschließend auch Klaus Brähmig und forderte alle
Parteien auf, in den Wettstreit um die beste Problemlösung einzutreten. Im Interesse einer ehrlichen Politik
sollten dabei finanzielle Probleme nicht verschwiegen werden.
Am Abend hat Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf die deutschen ParlamentarierInnen zu einem Abendessen
eingeladen.
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