Rupprechter sieht EU und Österreich beim Klimaschutz auf gutem Weg; scharfe Reaktion auf
den VW-Skandal
Wien (pk) - Vor der Weltklimakonferenz im Dezember in Paris empfahl der Umweltausschuss dem Plenum am 29.09.
eine Novelle zum Klimaschutzgesetz und Änderungen im Emissions- zertifikategesetz zur Anpassung an europäische
und internationale Vorgaben beim Klimaschutz bis 2020. Die Ausschussdebatte darüber war kontroversiell, weil
die Grünen mit Entschließungsanträgen ambitioniertere Ziele und eine Vorreiterrolle Österreichs
beim Klimaschutz forderten, vor allem die rechtzeitige Verankerung der 2030-Ziele im Klimaschutzgesetz. Österreich
sei auf einem gutem Weg bei der Erfüllung seiner Klimaschutzziele, die er ohne Emissionshandel erreichen möchte,
sagte hingegen Umweltminister Andrä Rupprechter, der darin von Abgeordnetem Hannes Weninger (S) unterstützt
wurde. Michael Pock (N) stimmte der Novelle zu und kritisierte die Forderungen der Grünen als unrealistisch.
Ein auf Senkung gesundheitsschädlicher Stickoxid-Emissionen gerichteter Antrag der Grünen gab Umweltminister
Rupprechter Gelegenheit, zur Manipulation der Diesel-Abgasmessung beim Volkswagen-Konzern Position zu beziehen.
Rupprechter zeigte sich empört über dieses inakzeptable Fehlverhalten des Fahrzeugherstellers, verlangte
lückenlose Aufklärung von VW und den Rückruf manipulierter Fahrzeuge aus Österreich. Im kommenden
EU-Umweltministerrat werde er sich für eine Verbesserung der Abgasgesetzgebung in der Europäischen Union
einsetzen, insbesondere für die unverzügliche Einführung des WLTP-Testzyklus zur Berücksichtigung
der Emissionen im realen Fahrbetrieb sowie für die Angleichung der NOX-Grenzwerte für Diesel-Pkw an jene
der Benziner. - Die Klimaschutzgesetz-Novelle wurde mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit an das Plenum verabschiedet,
die Entschließungsanträge der Grünen auf Antrag von Martina Diesner-Wais (V) mit SPÖ-ÖVP
Mehrheit vertagt. Mangels Bundeskompetenz abgelehnt wurde schließlich eine Initiative des Teams Stronach
zur Begrünung von Dächern als kostengünstiger Beitrag zum Klimaschutz und zur Verbesserung der Atmosphäre
in den Städten.
Anpassungen im Klimaschutzgesetz
Um seine globalen Klimaschutzverpflichtungen zu erfüllen, muss Österreich den Ausstoß von Treibhausgasen
(außerhalb des EU-Emissionshandels) von 2013 bis 2020 gegenüber 2005 um 16% senken. In diesem Zusammenhang
werden im Klimaschutzgesetz neue Zielwerte für Treibhausgasemissionen bis 2020 in den einzelnen Sektoren verankert:
Abfallwirtschaft (2,7 Mio.t), Energie und Industrie (6,5 Mio.t), fluorierte Gase (2,1 Mio.t), Gebäudeheizung
(7,9 Mio.t), Landwirtschaft (7,9 Mio.t) und Verkehr (21,7 Mio.t). Außerdem werden Änderungen in der
EU-Industrieemissions-Richtlinie berücksichtigt und Regeln zur Übertragung von Gutschriften aus der Handelsperiode
2008 bis 2012 im Emissionszertifikategesetzes verankert ( 800 d.B.).
Grüne beantragen eine ambitioniertere Klimaschutzoffensive
In der lebhaften Debatte erneuerten die Grünen ihre Forderung nach ambitionierteren Klimaschutzziele bis 2030
in Österreich. Der Energieverbrauch sollte im Vergleich zu 2010 um 40% sinken, der Anteil erneuerbarer Energieträger
auf 45% steigen und die CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55% sinken. Österreich sollte damit
eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen ( 692/A(E)). Konkret drängen die Grünen auf eine ökologische
Steuerreform mit Schadstoffsteuern zur Verteuerung von CO2-Emissionen bei gleichzeitiger Senkung der Lohnnebenkosten
für Unternehmen. Die Klimaschutzziele für 2030 sollten bereits ab 2016 im Klimaschutzgesetz verankert
werden, verlangten die Grünen in einem weiteren Entschließungsantrag ( 1333/A(E)). Sie wollen Reduktionsziele
verbindlich auf die Sektoren aufteilen und einen verursachergerechten Sanktionsmechanismus einführen. Ihr
detailliertes Klimaschutz-Maßnahmenprogramm reicht vom Ausbau der Fernwärme aus Erneuerbaren Energien
über Investitionen in den öffentlichen Verkehr bis zu einer kreislauforientierten Landwirtschaft mit
Leguminosenanbau, Humusaufbau und CO2-Speicherung in den Ackerböden.
Rupprechter: Österreich ist beim Klimaschutz auf gutem Weg
Umweltminister Andrä Rupprechter berichtete über eine positive Entwicklung bei den klimaschädlichen
Emissionen in den letzten beiden Jahren. "Unser Kurs ist richtig und die Maßnahmen der integrierten
Klimaschutz- und Energiestrategie wirken". Bis zum Jahr 2030 werden für Österreich noch ambitioniertere
Ziele gelten, die die EU-Kommission aber erst 2016 bekanntgeben werde.
Michael Pock (N) kündigte die Zustimmung zu dieser aus seiner Sicht sinnvollen Novelle an und lehnte die Anträge
der Grünen, von denen er mehr Realitätssinn einmahnte, ab. Konkret schlug Pock eine ausreichende Dotierung
des Green-Climate-Fund sowie eine Zweckbindung der Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten vor.
Christiane Brunner (G) kritisierte die Klimaschutzziele der Regierung für 2020, weil diese nicht mehr bedeuten
als den Stand von 1990 erreichen zu wollen. Für Österreich, das seine Funktion als Vorreiter im Klimaschutz
wahrnehmen sollte, sei dies ein untragbares Signal nach außen. Gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen Georg
Willi argumentierte Brunner mit dem Hinweis darauf, dass die EU-Klimaschutzziele bis 2030 (minus 40% CO2-Äquivalent)
für die heimische Wirtschaft kostengünstiger zu erreichen seien, wenn man sie möglichst früh
einführe. Dass Klimaschutz für die Wirtschaft nicht schädlich sei, zeigten die Erfolge, die österreichische
Betriebe auf dem Umweltsektor erzielten, sagte Wolfgang Pirklhuber (G) und betonte Wettbewerbsvorteile durch rechtzeitigen
Umstieg auf eine ressourcenfreundliche Ökonomie. Eine ökologische Steuerreform und die Förderung
des öffentlichen Verkehrs seien ein Gebot der Stunde, hieß es von Seiten der Grünen unisono.
Günther Kumpitsch (F) plädierte beim Thema Klimaschutz im Verkehrssektor gegen eine Anhebung der Mineralölsteuer,
weil dies Wettbewerbsnachteile gegenüber den Nachbarländern bringe.
Seiner Freude darüber, dass Österreich seine keineswegs unambitionierten Klimaschutzziele bis 2020 erreichen
werde, tat Hannes Weninger (S) kund und bekannte sich dazu, ebenso ambitioniert auch jene Ziele in Angriff zu nehmen,
die Österreich bis 2030 im Jahr 2016 von der Europäischen Kommission zugeteilt bekommen wird. Über
die Finanzierung der Maßnahmen werde im Budgetausschuss zu diskutieren sein.
Österreich betreibt Klimaschutz auf höchstem Niveau
Umweltminister Andrä Rupprechter informierte Günther Kumpitsch über das ambitionierte Maßnahmenprogramm
der Bundesregierung zur Erreichung der Klimaschutzziele in der Kyoto-II-Periode und sagte Michael Pock (N) zu,
die Arbeit des Klimaschutzbeirats und des Klimaschutzkomitees künftig besser zu koordinieren. Die Kritik der
Grünen am Klimaschutzprogramm der Bundesregierung wies der Minister zurück und erinnerte daran, dass
es Österreich war, das sich für eine Reduktion beim Ausstoß klimaschädlicher Gase bis 2030
um 40% in der EU eingesetzt habe. Österreichs Ambitionen beim Klimaschutz liegen im europäischen Vergleich
auf höchstem Niveau, führte der Minister aus. Die EU sei global ein Klimaschutzvorreiter, das zeigen
internationale Beschlüsse. Überdies beabsichtige Österreich, sein 2020-Ziel beim Klimaschutz ohne
Zertifikatehandel zu erreichen. Auch bei der Umsetzung des Energieeffizienzgesetzes sei sein Ressort im Einvernehmen
mit dem Wirtschaftsressort auf gutem Weg, erfuhren die Abgeordneten Norbert Hofer (F) und Christiane Brunner (G).
Grüne für wirksames Programm gegen Stickoxid-Emissionen
Zusätzliche Maßnahmen forderte Christiane Brunner von den Grünen auch bei der Begrenzung der Stickoxid
(NOX)-Emissionen in Österreich, wie sie die Regierung in Aussicht gestellt hat, falls das Programm aus 2010
nicht ausreichen sollte, europäische und nationale Vorschriften einzuhalten ( 602/A(E)). Zwar sei der NOX-Ausstoß
zuletzt gesunken, liege aber immer noch weit über dem zulässigen Grenzwert von maximal 103 kt pro Jahr.
Stickoxide werden hauptsächlich von Dieselfahrzeugen ausgestoßen, erinnerten die Grünen. Aus Stickoxiden
entstehen Feinstaub und Ozon, sie beeinträchtigen die Funktion der menschlichen Lunge und versauern Böden
sowie Gewässer. Die Gesundheitsschäden werden für Österreich auf bis zu 13,17 Mrd. € und in
der EU auf bis zu 940 Mrd. € geschätzt, warnten die Grünen: "Die Folgekosten des Nichthandelns sind
höher als die Kosten zur Senkung des Schadstoffausstoßes", sagte Brunner und wies überdies
auf ein drohendes EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich hin.
Die Debatte über Stickoxidemissionen stand im Zeichen des aktuellen Skandals wegen der Manipulation von Abgasreinigungssystemen
bei Dieselfahrzeugen der Firmen VW und Audi. Georg Willi (G) erkundigte sich nach der österreichischen Position
hinsichtlich der dringend notwendigen Verbesserung der Prüfzyklen, wobei er gegen die von den Automobilherstellern
angestrebte Verzögerung argumentierte und davor warnte, weiterhin Grenzwertüberschreitungen um das Vielfache
zu akzeptieren.
Demgegenüber sah Werner Neubauer (F) das Hauptproblem bei der Senkung der Stickoxidemissionen nicht im Verkehr,
sondern bei mangelnden Sanktionsmöglichkeiten. Angesichts der jüngsten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs,
BürgerInnen das Recht einzuräumen, bei der Überschreitung von Feinstaub-Grenzwerten eine Verbesserung
des Luftqualitätsplans einzufordern, befürchtete Neubauer eine Klagsflut.
Michael Pock (N) plädierte dafür, die Grenzwerte einzuhalten und schloss sich der Forderung Georg Willis
an, nationale Abgastests durchzuführen. Christiane Brunner wandte sich entschieden dagegen, Ziele des Energieeffizienzgesetzes
durch Additive zu Dieseltreibstoffen zu erreichen. Umweltminister Andrä Rupprechter sicherte Brunner an dieser
Stelle zu, er werde keinerlei Betrug zulassen.
Josef Lettenbichler (V) machte auf laufende Verhandlungen zur Revision der EU-Stickoxidrichtlinie aufmerksam und
begründete damit seinen Antrag auf Vertagung der Vorlage, mit dem er sich bei der Abstimmung mit der Mehrheit
von SPÖ und ÖVP durchsetzte.
Diesel-Abgase: Rupprechters Forderungen an VW und an die EU
Umweltminister Andrä Rupprechter leitete seine Stellungnahme mit der Erinnerung daran ein, dass mehrere Annahmen
bei der Festsetzung der Emissionsgrenzwerte für Stickoxide nicht eintrafen, wodurch die NoX-Höchstmenge
für 2010 nicht einhaltbar war. Hauptursache war die mangelnde Wirksamkeit der EU-Abgasgesetzgebung für
Dieselfahrzeuge. Das Problem bestehe darin, dass der Typenprüfzyklus die Emissionen im realen Fahrverhalten
nicht abbilde. VW dürfte zudem mit der Software für die Motorsteuerung "getrickst" haben. Für
2015 werden die Stickoxidemissionen in Österreich um 26 Kilotonnen über der EU-Vorgabe liegen, wofür
das Versagen der Abgasregelung verantwortlich sei. Daher habe die EU-Kommission signalisiert, die Dieselproblematik
bei Vertragsverletzungsverfahren zu berücksichtigen, erfuhren die Abgeordneten vom Umweltminister.
Die in den USA festgestellte Manipulation des Abgasnachbehandlungssystems bei VW-Dieselfahrzeugen ist für
Rupprechter ein umweltpolitischer Skandal. Das Reinigungssystem wurde so programmiert, dass Grenzwerte bei Typenprüfungen
eingehalten wurden, das Reinigungssystem auf der Straße aber nicht funktionierte. Damit lagen die realen
Emissionen bei den Stickoxiden 15- bis 35-fach über den Werten des Testzyklus. Weltweit könnten bis zu
elf Millionen VW- und bis zu zwei Millionen Audi-Fahrzeuge betroffen sein. In Österreich sind laut Rupprechter
62.000 Audi-Pkw betroffen. Für VW liegen für Österreich noch keine Informationen vor.
Das umweltpolitische Fehlverhalten von VW ist für Rupprechter inakzeptabel. Der Minister forderte von VW und
Audi eine lückenlose Aufklärung der Manipulationen sowie einen Rückruf für die betroffenen
Fahrzeuge in Österreich. Rupprechter verlangt die Prüfung aller Abgasemissionen im realen Fahrbetrieb
auf der Straße und die Veröffentlichung der Daten. An die EU-Kommission appellierte Rupprechter, die
Abgasgesetzgebung massiv zu verbessern und den neuen WLTP-Testzyklus rasch einzuführen. Den Euro 6c-Grenzwert
für Diesel-Pkw will Rupprecher verschärfen und NOX-Grenzwerte an Benziner-Grenzwerte angleichen. Versuche
der Autohersteller, diese Entwicklung zu verzögern, wies Rupprechter schärfstens zurück. Maßnahmen
zum Diesel-Abgasskandal wird der Umweltministerrat in seiner nächsten Sitzung diskutieren, erfuhren die Ausschussmitglieder
von Andrä Rupprechter.
Team Stronach: Bessere Luft und Klimaschutz durch grüne Dächer
Zum Thema Klimaschutz stand schließlich auch der Vorschlag der Team Stronach-Umweltsprecherin Ulrike Weigerstorfer
zur Debatte ( 895/A(E)), die Luftqualität in Ballungszentren durch grüne Dächer zu verbessern, die
Staub und Schadstoffe aus der Luft filtern, Regenwasser speichern und die Räume unter dem Dach im Sommer kühlen
und im Winter wärmen. Weigerstorfers Antrag ging jedoch ins Leere. Laut SPÖ-Mandatar Dietmar Keck falle
diese baurechtliche Initiative in den Kompetenzbereich der Bundesländer, wo es vielfach bereits "ausgezeichnete
Informationsangebote" zur Begrünung von Hausdächern gebe. Für eine österreichweite Kampagne
sieht er daher keine Notwendigkeit. Der SPÖ-Ablehnung des Team Stronach-Antrags schlossen sich ÖVP und
FPÖ an.
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