Genf/Wien (wifo) - Der Wirtschaftsstandort Österreich verlor im neuen Global Competitiveness Ranking des
Genfer World Economic Forum zwei Plätze und liegt nun unter 140 untersuchten Ländern auf dem 23. Rang.
Diese Entwicklung entspricht dem in den letzten Jahren beobachteten Wachstumsrückstand. Nach Jahren des Krisenmanagements
sollte wieder verstärkt die Standortqualität in den Mittelpunkt der österreichischen Wirtschaftspolitik
rücken.
Der soeben vom World Economic Forum (WEF) in Genf veröffentlichte Global
Competitiveness Report 2015-16 beurteilt die Wettbewerbsfähigkeit in 140 Ländern. Die Indikatoren
bilden vor allem langfristig wirkende Struktureinflüsse ab, weshalb die Spitzenplätze auch heuer nahezu
unverändert blieben:
Die Schweiz nimmt wieder den ersten Rang ein vor Singapur und den USA. Deutschland rückte auf Rang 4 vor,
die Niederlande auf Rang 5. Unter den europäischen Ländern verbesserte sich nach den Strukturreformen
der letzten Jahre insbesondere das Ranking für Italien.
Österreich verlor zwei Plätze und rangiert nun hinter Frankreich und Australien auf Rang 23. Ausschlaggebend
dafür waren weniger die Ergebnisse der Managerbefragung als die vom WEF gesammelten makroökonomischen
Indikatoren. So verlangsamte sich in Übereinstimmung mit dem geringen Wirtschaftswachstum der letzten Jahre
das Marktwachstum. Negativ wirkt sich auch die von den Kosten der Abwicklung der Hypo Group Alpe Adria AG geprägte
Neuverschuldung des Bundes aus. Zurückgefallen ist Österreich auch gemessen an den Indikatoren zu Informations-
und Kommunikationstechnologien, insbesondere zur Nutzung internationaler Breitbandverbindungen sowie der Durchdringung
mit mobilem Breitband.
Der Index anerkennt positive Entwicklungen im österreichischen Innovationssystem. So spiegelt die Managerbefragung
vor allem Verbesserungen in der Verfügbarkeit qualifizierten Personals in Forschung und Technik wider. Mit
dem 37. Rang wird dieser Indikator aber noch immer sehr kritisch eingeschätzt. Deutlich besser wird mit dem
8. Rang die Innovationskapazität der Unternehmen selbst beurteilt.
Widersprüchlich ist die Bewertung der Effizienz des Arbeitsmarktes. Mit dem 40. Rang schneidet Österreich
gemessen an diesem Teilindex besonders schlecht ab. Neben den hohen Lohnnebenkosten bewertet das WEF z. B. das
System der Lohnverhandlungen negativ. Allerdings weist der Teilindex die größten Verbesserungen gegenüber
dem Vorjahr auf, wobei gerade die Zusammenarbeit der Tarifpartner in den Arbeitsbeziehungen positiv hervorgehoben
wird.
Das letztere Beispiel unterstreicht die methodischen Schwierigkeiten internationaler Rankings, die eine Vielzahl
an Indikatoren nach weltweit einheitlichem Standard zusammenfassen müssen. Dabei gehen zwangsläufig nationale
Besonderheiten verloren, die letztlich erklären, warum Österreich gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro
Kopf mit dem 5. Platz in der EU (und weltweit unter den Top 10) deutlich besser abschneidet, als die oben genannten
Rangzahlen vermuten lassen.
Insgesamt gibt der Global Competitiveness Report ein aktuelles Stimmungsbild wieder, das sich gegenüber dem
Vorjahr weiter verschlechtert hat, wenn auch langsamer als zuletzt. Es ist eine Mahnung an die Wirtschaftspolitik,
nach Jahren des Krisenmanagements die Aufmerksamkeit wieder vermehrt auf strukturelle Fragen der Wettbewerbsfähigkeit
und Standortqualität zu richten. Österreich muss in den Bereichen Forschung und Umwelt zu einer Vorreiterstrategie
zurückkehren, die Versäumnisse hinsichtlich Schulreformen und Vorschulerziehung aufarbeiten, die Effizienz
des öffentlichen Sektors steigern und den Faktor Arbeit nachhaltig entlasten. Dies sind die Voraussetzungen,
um das hohe Wohlstandsniveau in Österreich nicht nur zu erhalten, sondern auch für die Zukunft weiterzuentwickeln.
Technische Anmerkung
Das World Economic Forum in Genf erstellt seit 2004 den Global Competitiveness Index (http://www.weforum.org/gcr).
Dieser beruht sowohl auf statistischen Quellen internationaler Organisationen als auch auf einer umfassenden Managerbefragung
(Executive Opinion Survey). Wettbewerbsfähigkeit wird dabei als die Gesamtheit der Institutionen, Politiken
und Determinanten definiert, welche das Produktivitätsniveau eines Landes bestimmen. Gerade in den Rängen
5 bis 25 können wegen der großen Leistungsdichte geringe Schwankungen bereits eine Verschiebung um mehrere
Plätze zur Folge haben. Diese sollte man daher im Einzelfall nicht überbewerten, sondern in ihrer längerfristigen
Entwicklung beachten.
Das WIFO ist österreichischer Partner des WEF und hat wie in den vergangenen Jahren die österreichische
Managerbefragung durchgeführt.
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